Kristina Schröders Männerkonferenz: Diskussionen wie vor 20 Jahren
Welche Politik brauchen Männer? Das wollte das Frauenministerium mit einer Männerkonferenz erfahren. Neue Erkenntnisse gab es kaum.
BERLIN taz | Wie ist das nun mit den Männern? Und der Politik, die sie wollen und brauchen? Das weiß niemand so richtig. Auch nicht Kristina Schröder (CDU). Die Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird zwar nie müde zu betonen, dass ihr die Männer laut Amtstitel egal sein könnten. Aber sie hat ein Herz für sie – und ein Spezialreferat: Es soll mehr Männer in die Kitas und in andere Sozialberufe bringen, es gibt einen Boys’ Day und einen Beirat Jungenpolitik.
Aber wenn es um konkrete Männerwünsche geht, um Männerbiografien, die Gesundheit und die Kultur, dann weiß die Ministerin auch nicht weiter. Da muss dringend Aufklärung her. Jetzt hat Kristina Schröder zusammen mit dem österreichischen Minister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Rudolf Hundstorfer, zur ersten internationalen Männerkonferenz geladen.
Zwei Tage lang debattierten in Berlin rund 300 Männer und Frauen über alles, was den Mann mehr oder weniger angeht: Männlichkeit, Familie, Vatersein, Haushalt, Karriere, Rollenklischees, Sex, Gewalt. Unter ihnen PolitikerInnen, SoziologInnen, MedizinerInnen, Väter- und Männeraktivisten aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Norwegen, Finnland und sogar aus Kenia.
Sind sie nun schlauer? Ein internationales Forum sollte die Konferenz sein, eine Art Meinungsplattform, wie Ministeriumssprecher Christoph Steegmans es ausdrückt. Die zahlreichen Workshops, in denen die Teilnehmenden jene Themen besprachen, die ihnen am meisten unter den Nägeln brannten, waren genau das.
Zum Beispiel die Gesprächsrunde mit dem komplizierten Titel „Intersektionalität/Diversität“. Dort ging es vor allem um Männer mit Migrationshintergrund. „Wir brauchen eine eigene Lobby“, sagte einer. „Mich stört das Wort Lobby, ich würde lieber von Emanzipation sprechen“, sagte ein anderer. Der nächste meinte: „Türkische Männer sind vielfältig.“ Im Arbeitskreis über „Männerpolitische Kulturen“ sagte ein junger Mann mit Perlenarmband: „Es gibt nicht die Männerinteressen, es gibt verschiedene.“ Jemand forderte: „Wir brauchen einen Geschlechterdialog.“
Am Ende siegte bei den Männern und Frauen die Ernüchterung: Die Geschlechter können durchaus miteinander reden. Aber die Debatten, die sie führen, sind dieselben wie vor zwanzig Jahren. Hatten die Veranstalter mehr erwartet? Eine Folgekonferenz in zwei Jahren in Wien ist schon mal geplant. „Männerpolitik darf kein Anhängsel der Frauenpolitik sein“, ist ein Credo von Schröders Männerpolitik. Wenn sich etwas ändern soll, „braucht es mehr persönliches Engagement von Männern“, weiß Rudolf Hundstorfer. Im Saal saßen vor allem ältere Männer, viele von ihnen „männerbewegt seit Mitte der 70er“, wie einer sagte.
Traditionelle gegen Moderne
Also eine Konferenz für jene, die sich ohnehin schon mit ihrer Geschlechterrolle auseinandersetzen? Der Wiener Theologe Paul Zulehner, der seit den neunziger Jahren zahlreiche Männerstudien durchgeführt hat, hat eine simple Erklärung. „Die Entwicklung in den männlichen Rollenbildern hinkt der der weiblichen Rollenbilder weit hinterher.“
Das treffe auch für die Forschung zu, so Zulehner, der in einer Studie einst den Typus des „neuen Mannes“ beschrieben hatte: Der will Gleichberechtigung tatsächlich leben. Zulehner beobachtete in den vergangenen Jahren eine Verschiebung der „geschlechterpolitischen Fronten“: Es geht nicht mehr darum, dass Männer gegen Frauen oder Frauen gegen Männer agieren. Vielmehr gibt es heute eine Trennlinie zwischen den Traditionalisten und den Modernen, also jenen, die wollen, dass es „klassisch bleibt“ und solchen, die es anders machen.
Aus einer aktuellen Untersuchung weiß Zulehner aber auch, dass viele junge, moderne Männer ihre neue Rolle als anstrengend empfinden. „Die fragen sich: Ist das Moderne wirklich lebbar“, sagte der Forscher. Männer seien jetzt zwar stärker in Familie und Haushalt präsent, aber bei traditionellen Geschlechterklischees ließe der Kulturwandel auf sich warten.
So unternehmen moderne Väter heute zwar viel mehr mit ihren Kindern, sie spielen mit ihnen Fußball oder toben durch den Wald. „Aber sie gehen fast nie zum Elternabend und selten zum Kinderarzt“, so Zulehner.
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