US-Wahlkampf nach „Sandy“: Wahlkampf verwirbelt
Hurrikan „Sandy" hat die Präsidentschaftswahl zwar nicht entschieden. Der Schlussspurt von Obama und Romney wird nach der Zwangspause hektischer.
WASHINGTON taz | Es sind die letzten paar Tage vor der US-Präsidentschaftswahl am Dienstag, und die Wahlkampfmaschinen beider Seiten laufen mit überhitzten Motoren. Für die Republikaner sind die letzten Tage nicht sehr gut gelaufen: Nach dem Hurrikan „Sandy“ zeigte nicht nur New Jerseys republikanischer Gouverneur Chris Christie große Bewunderung für Obamas Krisenmanagement.
Am Donnerstag rief auch noch New Yorks unabhängiger – ehemals republikanischer – Bürgermeister Michael Bloomberg zur Wiederwahl Barack Obamas auf. Das sind für diesen gute Nachrichten, obwohl seine Chancen gegen den republikanischen Herausforderer Mitt Romney weiter auf Messers Schneide stehen.
Die neuesten Arbeitslosenzahlen vom Freitag dürften daran nicht mehr viel ändern. Zwar konnten im Oktober 171.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden – das ist mehr als in den Monaten zuvor –, doch die Arbeitslosenquote stieg von 7,8 auf 7,9 Prozent, weil die Zahl der Arbeitssuchenden schneller wächst als die der Arbeitsplätze. Das ist für Obama zwar besser, als wenn die Zahl wieder über die 8-Prozent-Marke geklettert wäre – doch ein Zeichen dafür, dass sich die Wirtschaft jetzt mit Riesenschritten erholt, ist es nicht.
Wieder einmal steht Ohio, der Swing State mit seinen 18 Wahlmännern, im Mittelpunkt des hektischen Wahlkampfs. Seit John F. Kennedy ist niemand mehr Präsident der USA geworden, der in Ohio verloren hat, und die Bewohner des Staates sind sich mittlerweile des Mitleids der Nation sicher: Über 300 Wahlspots sieht ein Fernsehzuschauer in Ohio jeden Tag, 91 Prozent davon sind „negative ads“, Spots also, die den Gegenkandidaten schlechtmachen. Obama führt in Ohio, aber nur mit knappen 2,3 Prozent.
Romney führt in Florida
In Florida, der mit 29 zu vergebenden Wahlmännern dickste Brocken unter den Swing States, führt wiederum Romney mit 2,3 Prozent. Hier treten in einem an die lateinamerikanische Community gerichteten Romney-Spot Venezuelas Präsident Hugo Chávez und Fidel Castros Enkelin Mariela Castro auf, die erklären, sie würden Obama wählen. Das soll zum Gruseln reichen.
Alle derzeitigen Umfragen zusammen ergeben: Präsident Obama hätte eine Mehrheit im Wahlmännergremium und würde als Präsident bestätigt – Romney könnte landesweit mehr Stimmen einsammeln.
An der US-Ostküste ist die Zahl der Todesopfer von Hurrikan „Sandy“ unterdessen auf 98 gestiegen, darunter sind 40 in New York. Allein im New Yorker Stadtteil Staten Island, der am Montag von einer Flutwelle überrollt worden war, kamen 20 Menschen ums Leben. Rund 4,5 Millionen Haushalte in 15 US-Bundesstaaten waren am Freitagmorgen noch ohne Elektrizität. Man ging davon aus, dass es in einigen Gegenden noch länger als eine Woche dauern könnte, bis der Strom wieder fließt.
Aufgebrachte New Yorker
Bei den Bürgern machte sich Ärger über die mancherorts zu langsam anlaufende Hilfe für Betroffene breit. Heimatschutzministerin Janet Napolitano wollte Staten Island am Freitag besuchen. Bilder von aufgebrachten Bürgern könnten kurz vor den Wahlen die Pläne so mancher Politiker durchkreuzen.
In von der Stromversorgung abgeschnittenen Vierteln New Yorks wurde die geringe Präsenz der Polizei kritisiert. Einwohner äußerten sich besorgt über die Sicherheit auf den Straßen und in den U-Bahnen. Auf den Straßen Manhattans patrouillierten Mitglieder der Freiwilligentruppe Guardian Angels.
An Tankstellen in New York, New Jersey und Connecticut bildeten sich bereits in den frühen Morgenstunden lange Schlangen. Vielerorts waren Polizisten im Einsatz, um Streit zwischen Autofahrern zu schlichten. Einige Bürger äußerten ihren Unmut über die Pläne, trotz „Sandy“ am New-York-Marathon am Sonntag festzuhalten. (mit rtr)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!