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Ausbeutung in der TextilindustrieKircheninstitut kritisiert Adidas

Geringe Löhne, Überstunden, entwürdigende Behandlung – so soll der Alltag bei Sportartikel-Zulieferern in Indonesien aussehen. Der Konzern weist das zurück.

Sie lächeln, aber das muss nichts bedeuten: Textilarbeiterinnen in Indonesien. Bild: TURC/LIPS

BERLIN taz | Schicke Produkte, miese Arbeitsverhältnisse: Seit 20 Jahren streiten Menschenrechtler mit Markenkonzernen wie Adidas über die vermeintliche Ausbeutung der Arbeiter in den weltweiten Zulieferfirmen.

In einer neuen Studie hat das kirchliche Südwind-Institut nun untersucht, ob sich die Zustände seitdem gebessert haben. Autorin Antje Schneeweiß zieht die Bilanz, dass die Beschäftigten in Entwicklungsländern durchaus von Fortschritten profitieren, manche Missstände aber nach wie vor vorhanden sind.

In Indonesien lassen Adidas und andere Markenfirmen Schuhe und Textilien fertigen. Partnerorganisationen von Südwind haben dort deshalb in den vergangenen Monaten mehrere Zulieferfabriken untersucht. Der Studie „Arbeitsrechtsverstöße in Indonesien. Was können Investoren tun?“ liegen die Aussagen von 85 Beschäftigten zugrunde, die meisten von ihnen weiblich und unter 30 Jahre alt.

Mehr Infos

Im Netz: inkota.de, suedwind-institut.de

Im taz-Café: Veranstaltung mit dem indonesischen Arbeitsrechtsexperten Ari Lazuardi Pratama am Dienstag, 13. 11., 19 Uhr. Rudi-Dutschke-Str. 23 in Berlin.

Laut Südwind zahlen die Zulieferer ihren Beschäftigten meist zwar den gesetzlichen Mindestlohn. Der reiche aber oft nicht aus, um die Grundbedürfnisse zu decken. Die Arbeiterinnen seien deshalb gezwungen, zahlreiche Überstunden zu leisten. Die Höchstzahl der gesetzlichen erlaubten 14 Überstunden pro Woche werde nicht selten überschritten, erfuhren die Rechercheure. Hinzu kämen zahlreiche weitere Missstände: unter anderem erniedrigende Behandlung durch Vorgesetzte, sexuelle Übergriffe und mangelhafte sanitäre Einrichtungen.

Adidas weist die Vorwürfe „vehement zurück“. „Seit vielen Jahren betreibt die Adidas-Gruppe ein ausgereiftes Programm, um die Einhaltung fairer, sicherer und gesunder Arbeitsbedingungen in unserer Lieferkette zu gewährleisten“, erklärte eine Sprecherin. „Wir haben ein engagiertes Team von Experten in Indonesien, die eng mit unseren Lieferanten zusammenarbeiten.“

Der Konzern forderte Südwind auf, die Rechercheergebnisse im Detail offenzulegen, um sie überprüfen zu können. Südwind-Autorin Schneeweiß sagte: „Wir begrüßen das Angebot der Kooperation, es wird zu Gesprächen kommen.“

Einiges ist besser geworden

Das kirchliche Institut erkennt an, dass die Markenunternehmen in den vergangenen Jahren einiges unternommen haben, um die Arbeitsbedingungen in der Produktionskette zu verbessern. Man gab sich eigene Verhaltensregeln und schloss Branchenvereinbarungen ab. Formuliert sind darin beispielsweise Mindeststandards für die Bezahlung, ein Verbot gesetzwidriger Überstunden und von Kinderarbeit.

Trotzdem liege noch vieles im Argen, heißt es bei Südwind. Die Frage ist, warum? Antje Schneeweiß und andere kritische Experten hegen einen Verdacht: Die Markenunternehmen würden einerseits schöne Standards aufstellen, andererseits ihren Zulieferern eine zu geringe Gewinnmarge einräumen, als dass diese die wohlklingenden Ziele auch umsetzen könnten.

Um aus diesem Dilemma herauszukommen, fordert Südwind institutionelle Investoren wie Pensionsfonds auf, stärker auf die Beziehungen zwischen den Markenunternehmen und ihren Zulieferern zu achten.

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7 Kommentare

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  • P
    preacher

    Kann bernie nur zustimmen. Bevor hier wieder blind losgemobbt wird, erstmal informieren, bitte. "Südwind" ist nicht irgendeine bischöfliche PR-Abteilung, sondern ein sehr engagierte und langlebig-zähe Initiative. Dass sie von Christen ausgeht, macht sie nicht schlechter, es erklärt vielmehr die unermüdliche Motivation der Leute von Südwind. Diejenigen, die was dagegen haben, sollen dann bitte selber die Aktion gegen/mit Adidas fortsetzen, um ihre moralische Integrität mal unter Beweis zu stellen. Posten und Sesselpupsen ist noch keine revolutionäre Handlung!

  • WB
    Wolfgang Banse

    Bevor sich die Kirche zu Wort meldet und moralisch die Keule schwingt,sollte sie erst einmal bei sich schauen,ob bei ihr alles in Ordnung ist.Hier z.B. was die Anstellung von gehandicapten Mitarbeitern anbetrifft,beziehungsweise dass Meinungsfreiheit unterdrückt wird,in dem man Mißstände und Fehlverhalten beanstandet ,was Ralf Meister Landesbischof der Ev.luth. Landeskirche Hannovers betrifft,im Bezug auf die Kritik,dass er in seiner Predigt anlässlich des 100 jährigen Bestehens es Posaunenchores Ohrdorf nicht mit einem Wort auf den Jubiläumsbläserchor eingegangen ist.weil dies den Hochwürdigen Herrn Landesbischof,seine Exelenz Ralf Meistetr und seiner ReferentinMustert nicht gefiel,wurde diese Beanstandung was die Wümsche an den Landesbischof betrifft,gelöscht.Demokratie lässt zu wünschen.Ebenso die Nachfrage,warum es keine Beauftragte,keinen Beauftragten für Behinderte in Der Ev.luth. Landeskirche Hannover gibt

    Kirchenglieder sind der heutigen kirchlichen Obrigkeit nicht mehr Untertan und deren Leibeigene.

  • BW
    bernie w.

    SÜDWIND ist zwar eine 'kirchen-nahe' Initiative, aber "Kircheninstitut" ist evtl. (unbeabsichtigt)irreführend, wie etliche Kommentare auch zeigen (weil schlechte Bedingungen in kirchlichen Einrichtungen entgegengehalten werden).

     

    Meines Wissens ist Südwind eine unabhängige Initiative, auch wenn sie quasi 'christl.links' geprägt ist (so ähnlich wie etwa auch Pax Christi oder die Christliche Initiative Romero und andere, aber evtl. sogar weltanschaulich neutraler, als diese beiden anderen von mir genannten Beispiele)

  • I
    ich

    Wer im Glashaus sitzt ... "Geringe Löhne, Überstunden, entwürdigende Behandlung", das sollte kirchlichen Angestellten bekannt vorkommen.

     

    Die Kirche ist nicht nur ein Ausbeuter, sie fordert von ihren Mitarbeitern auch Dinge ein, für die man jeden anderen Arbeitgeber verklagen könnte. Stichwort "Gesinnungsbetieb".

     

    Liebe Kirche, STFU!

  • R
    reblek

    "Seit 20 Jahren streiten Menschenrechtler mit Markenkonzernen wie Adidas über die vermeintliche Ausbeutung der Arbeiter in den weltweiten Zulieferfirmen." - So dämlich, von "vermeintlicher" Ausbeutung zu schreiben, wird "Südwind" wohl nicht sein, denn dann würde das Institut erklären, es gebe diese nicht wirklich. Für "vermeintlich" scheint Herr Koch die Ausbeutung zu halten, obwohl nicht nur "Südwind", sondern, zum Beispiel, auch die Christliche Initiative Romero und andere seit vielen Jahren nachweisen, wie schrecklich die Arbeitsbedingungen in Firmen, die für Adidas etc. arbeiten, sind.

    "In einer neuen Studie hat das kirchliche Südwind-Institut nun untersucht, ob sich die Zustände seitdem gebessert haben." - "Südwind" hat gar nichts "in einer Studie untersucht", sondern etwas untersucht und dann in einer Studie niedergeschrieben.

  • M
    Michael

    Will die Kirche von der eigenen Ausbeutung ablenken? Es wäre jedenfalls naheliegender erstmal die Ausbeutung im eigenen Land in der eigenen Institution zu beseitigen, bevor das nicht geschieht, ist ein kirchennahes Institut unglaubwürdig. Da lese ich lieber die Gewerkschaftszeitung und unterstütze deren Aktionen.

  • H
    Horst

    Geringe Löhne, Überstunden, entwürdigende Behandlung

     

    so geht es auch Kinderpflegerinnen und Erzieherinnen in kirchlichen Tagesstätten.

     

    Und das, obwohl die öff Hand 55%, die Eltern 40% und die kirchlichen Träger nur 5% der KITA-Kosten tragen. Trotzdem diktiert die Kirche (Caritas) Niedriglöhne.