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Kommentar Vertreibung ObdachloserDie besseren Hardliner

Kommentar von Kai von Appen

Obdachlose haben ein Recht sich vor dem und im Hauptbahnhof aufzuhalten.

D ie Vertreibung von Obdachlosen am Hamburger Hauptbahnhof ist im vollen Gange. Die Tinte unter dem Überlassungsvertrag für das Hausrecht am Bahnhofsvorplatz war noch nicht trocken, da marschierte die „DB Sicherheit“-Armee auf und verwies ungebetene Gäste des Platzes.

Hamburgs Sozialdemokraten zeigen mal wieder, dass sie die besseren Hardliner sind, was das Vertreiben von Randgruppen betrifft, die das chice Bild einer gentrifizierten Stadt stören könnten – gerade am Bahnhofsvorplatz, wo viele Touristen in ihre Hotels pilgern. Die Sozis nehmen bewusst in Kauf, dass sie rechtswidrig vorgehen. Motto: Erstens klagt schon keiner, und wenn doch, was schert’s, wenn in zehn Jahren ein Urteil fällt. Arbeit getan!

Dabei ist die Rechtslage schon heute jedem klar, der nur einen Blick in das Verfassungsgerichts-Urteil zum Frankfurter Flughafen wirft. Denn auch ein Bahnhof des Staatsunternehmens Deutsche Bahn ist öffentlicher Raum.

Und wenn der neue Chef des zuständigen Bezirksamtes, Andy Grote (SPD), der sich beim Netzwerk „Recht auf Stadt“ als „Andy G., kämpfender Mieter“ präsentierte, ernst genommen werde will, sorgt er dafür, dass die Obdachlosen einen Raum in der warmen Wandelhalle des Bahnhofs erhalten. Dann könnte draußen die nervtötende Klassikmusik, durch die sie abgeschreckt werden sollten, endlich abgeschaltet werden.

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Hamburg-Redakteur
Jahrgang 1956, Seit 1983 bei der taz – zuerst bei der taz.hamburg und jetzt bei der taz.nord in Hamburg. Ressorts: Polizei, Justiz, Betrieb und Gewerkschaft. Schwerpunkte: Repression, progressive Bewegungen und Widerstand gegen Gentrifizierung
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5 Kommentare

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  • WB
    Wolfgang Banse

    Wo bleibt in der Hansestadt Hamburg der Hanseatische Geist,im Bezug was den Umgang mit Wohnungs-und Obdachlosen betrifft.Eine Stadt ,ein Staat kann sich nur dann als human bezeichnen,wenn sie auch Humanität zeigt,was den Umgang wit Wohnungs-und Obdachlosen betrifft.

    Selbst gebürtige Hamburger,hierRalf Meister(Landesbischof der Ev.luth. Landeskirche Hannover) erhebt nicht seine Stimme was seine Vaterstadt,die Stadt der Pfeffersäcke Hamburg betrifft,im Bezug was Ausgrenzung,Stigmatisierung und Diskriminierung von Wohnungs-und Obdachlosen anbelangt.Hinschauen,zuschauen und wegschauen dies kennzeichnet unsere Gesellschaft.

  • AM
    asoziale mit anzug und krawatte

    wer hat die obdachlosen verraten... sozialdemokraten!

     

    die angeblich sozialdemokratischen ziele der spd, sind nur noch ein deckmäntelchen der kapitalismusverliebten leistungswilligen in anzug und krawatte von der basis bis in den vorstand. obdachtlose, die durch ihre situation das gegenteil von leistung, unterwerfung und wohlstand verkörpern, können nach der ideologie von sarrazinisten wohl kaum ein anrecht auf ein bischen wärme der öffentlichen räume und soziale nähe zu anderen menschen erhalten. sie sollen sich den vorbildlichen reisenden anpassen: kommen - kaufen - gehen! sagen wir doch wie es ist: obdachlose lassen sich nicht verwerten sondern verursachen kosten durch imageschäden und aufwendungen durch behörden und deswegen müssen sie weg... alles andere ist schönfärberei in partei-sprech. vergessen schon richter gnadenlos? spd gnadenlos schlägt in die gleiche kerbe!

     

    spdlerInnen, es ist leider wahr: ihr seid eine schande für die sozialdemokratie und gehört aus dem parlamenten vertrieben! schreibt bücher, aber lasst das regieren!

  • S
    soso

    Die nach vielen Jahren nun erfolgte Reaktion ist doch dem Verhalten einer deutlichen Anzahl der Obdachlosen- und Trinker-Szene gerschuldet! Spätestens ab dem Nachmittag wird man doch regelmäßig angeschnorrt, angepöbelt, durch Geschrei, Konflikte untereinander und Gerüche und eine Menge unschöner Ausscheidungen als Passant oder Fahrgast belästigt. Dieses Verhalten ist asozial (im Sinne von nicht gesellschaftlich akzeptabel / nicht im Sinne Schimpfwort).

    Und dass ein deutlicher Teil des oft lautstarken Gepöbels der "armen Opfer" rassistisch, sexistisch, frauenfeindlich, schwulenfeindlich, manchmal neonazistisch und insgesamt einfach widerwärtig ist, wird hier mal unter dem redaktionellen Empörungsmantel geflissentlich verschwiegen.

    Ich bin ein schwuler Linker - aber ich bin froh, dass ich an dieser Stelle auf dem täglichen Arbeitsweg jetzt eindeutig weniger Belästigung erfahre!

    Toleranz - ja, na klar. Aber Toleranz hat ja wohl auch Grenzen beim Verhalten der Trinker und Obdachlosen!

  • L
    Lenix

    Ehm.. ich geniesse die Klassik jedes Mal wenn ich am HBF unterwegs bin.. und die Punks dort sorgen in der Regel eher dafür dass ich mich dort nicht sehr wohl fühle, schon allein durch die Geruchskulisse wenn man aus der UBahn kommt..

  • HL
    Hauke Laging

    "Dabei ist die Rechtslage schon heute jedem klar, der nur einen Blick in das Verfassungsgerichts-Urteil zum Frankfurter Flughafen wirft."

     

    Das hätte der Autor besser mal selber getan, dann hätte er mit etwas Glück verstanden, dass es sich natürlich nicht um öffentlichen Raum handelt, sondern um einen Raum, in dem die Öffentlichkeit gewisse Rechte analog zum öffentlichen Raum ausüben kann.

     

    Aber wenn man nur korrekt genug ist, dann sieht man wahrscheinlich schon in der schieren Existenz von Obdachlosen eine Demonstration. Meine Güte.