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Kolumne WortklaubereiNicht von schlechteren Eltern

Kolumne
von Josef Winkler

Die Kleinen in den Kindergarten oder vor den Fernseher setzen? Kindergarten nur, wenn wir dafür auch positiv diskriminiert werden!

Kinder, hört auf zu jammern! Im Kindergarten lernt man fürs Leben. Bild: dpa

N ich Tinnedatn gehn“, sagt meine Tochter des Morgens, als wir ihr mit geballter Charmeoffensive die Zusage abzuringen versuchen, sie aus ihrem Schlafsack schälen zu dürfen. Ach komm, die schöne Kinderkrippe, das wird doch lustig, die paar Stunden am Vormittag, ein bisschen basteln und singen, und deine ganze Spezln sind auch da … „Nich Tinnedatn gehn! Heim bleiben!“

Herrgott, wenn du jetzt auch noch damit anfängst, dann reicht’s aber bald. Dann melden wir dich da ab (wobei es in München ohnehin ein paar Tausender Provision geben müsste, wenn man freiwillig einen Krippenplatz freimacht), ziehen uns dann schön das Betreuungsgeld rein, Papa kauft sich einen Kasten Biermixgetränk, Mama stellt sich an den Herd, und du kannst den ganzen Tag DVDs glotzen. Dann ist Schluss mit den besseren Eltern.

Wie, „bessere Eltern“? Ja, wie. Der Patrick Döring hat’s gesagt nach der Verabschiedung des Betreuungsgeldes – wobei „Verabschiedung“ sich ja immer angenehmerweise so anhört, wie wenn etwas mit Glück über den Jordan geschickt worden ist, „und tschüss!“ quasi, resp. „guad weider!“; und zum Beispiel bei der Verabschiedung eines Politikers aus dem Amt stimmt das ja auch, aber abgesehen davon heißt der Ausdruck oft, dass wir etwas jetzt erst so richtig an der Backe haben –, der Patrick Döring also hat’s gesagt: Diejenigen Eltern, hat er gesagt, die ihre Kinder in eine Einrichtung geben, seien „nicht die schlechteren Eltern. Ganz im Gegenteil“.

Bild: privat
Josef Winkler

ist Kolumnist der taz.

Klar, das „ganz im Gegenteil“ hätte er sich im Sinne einer Entemotionalisierung der Debatte mal verkneifen können, aber man weiß eh nicht, wie weit der FDP in ihrer Randlage daran gelegen ist, irgendwo mal nicht auf die Kacke zu hauen. Und abgesehen davon musste da wohl einfach noch irgendeine Laberfloskel dran, irgendeine Bekräftigung des Statements.

Kein Schmarrn auf der Goldwaage

Vielleicht wollte Döring ja etwas sagen wie „beileibe nicht“ oder „das behauptet niemand“. „Ganz im Gegenteil“ freilich dreht die Aussage in ihr, nun, Gegenteil. Und man muss ja nicht jeden Schmarrn auf die Goldwaage legen, den ein Politiker sagt, zumal einer von der FDP.

Andererseits nimmt man jeden Zuspruch, den man kriegen kann, vor allem, wenn die Krippe so viel kostet, wie wenn man noch eine mittelgroße Wohnung zumietet, und wir hauen uns hier bloß noch auf die Schultern, was wir für geile Eltern sind. Jetzt hat sogar das Kind ein Einsehen: „Ich Jacke holen.“ Na also.

Draußen auf der Straße hat jemand „Nie wieder Miete!“ an ein Haus gesprüht. Ja, wir haben hier in München-Haidhausen Leute, die, damit das Viertel nicht ganz so bürgerlich-herausgefressen rüberkommt, immer mal schick brachiallinke Parolen („destroy capitalism“, „Alle für alle!“ etc.) in die Gegend schreiben.

Gestern sah ich eine Gruppe junger Typen an dem Spruch vorbeigehen und kam nicht umhin, ihr Gelaber zu belauschen. „Nie wieder Miete!“ – „Nie wieder Arbeit, oder wie?“ – „Arbeit macht frei“, blubberte einer hervor und erzählte dann, wie er letztens angemacht worden sei wegen dieses Satzes. „Woher soll ich ’n wissen, dass das so ’n Nazispruch ist?“ Ja, woher nur? Tinnedatn gehn.

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2 Kommentare

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  • B
    bndberlin

    vielen danke fuers artikel. - kriech mich gaanich ein: so angnehm zu lesen.

    danke danke danke! haett ich nur geld. ikke wuerde winkler kaufen. oda mindestens die taz.

  • JH
    J. Hubertus

    Ich laufe auch jeden Tag an dem Wandspruch, -banner... was auch immer vorbei und weiß nicht, was der Autor meint mit 'Nie wieder Miete!' Vielleicht hat er sich ja eine Wohnung gekauft. Wenn dem so ist freue ich mich für Ihn, wenn nicht... dann weiß ich es halt auch nicht.