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Gewalt gegen ObdachloseTritte vor der Unterkunft

Security-Mitarbeiter des Winternotprogramms sollen Obdachlosen zu Boden gebracht und nachgetreten haben. Das Unternehmen dementiert, die Polizei ermittelt.

Hier kommt es schon mal zu Rangeleien: Schlange vor dem Winternotprogramm. Bild: Mauricio Bustamante

Eine tätliche Auseinandersetzung vor der Obdachlosenunterkunft in der Spaldingstraße beschäftigt die Polizei. „Es gibt Anzeigen wegen Körperverletzung sowohl gegen Mitarbeiter der Sicherheitsfirma als auch gegen einen Obdachlosen“, sagt Polizeisprecher Holger Vehren. Mehr könne er nicht sagen: Der Vorfall sei Gegenstand einer kleinen Anfrage der Linksfraktion in der Bürgerschaft. Den Vorwürfen zufolge sollen vier Sicherheitsdienstler des Winternotprogramms einen Obdachlosen zu Boden gebracht und dem am Boden liegenden Mann Tritte versetzt haben.

Der Vorfall ereignete sich am Abend des 23. Januar. Dass es zu Spannungen unter den Obdachlosen kommt, die zur Übernachtung die Unterkunft in der Spaldingstraße aufsuchen, ist den Nachbarn im Münzviertel nicht neu. Im konkreten Fall hörten Anwohner zunächst eine verbale Auseinandersetzung. Dann sei es vor der Tür der Unterkunft zu heftigem Gerangel gekommen, als vier Sicherheitsmitarbeiter versucht hätten, einen Obdachlosen zu überwältigen, der sich tatkräftig wehrte. Die Wachleute hätten den am Boden liegenden Mann getreten – sogar gezielt an den Kopf.

Über den Vorfall berichtete zuerst das Straßenmagazin Hinz & Kunzt in seiner Online-Ausgabe, woraufhin die Security-Firma juristische Schritte einleitete. Der taz liegen mehrere eidesstattliche Versicherungen von Zeugen vor, wonach sich der Vorfall wie beschrieben zutrug.

„Vier Security-Mitarbeiter waren darin involviert, einen schon am Boden liegenden und bereits fixierten Bewohner des Winternotprogramms mit Tritten gegen den Kopf zu traktieren“, erklärte etwa Sabrina Holz*. Zwei Sicherheitsleute hätten „mehrfach“ auf den Obdachlosen eingetreten, berichtete auch Frank Stein*: „Ein Mitarbeiter trat dem am Boden liegenden auch mindestens einmal gezielt mit dem Fuß gegen den Kopf.“ An einen gezielten und heftigen Tritt „gegen den Kopf der fixierten Person durch einen Security-Mitarbeiter“ erinnert sich auch Karl Erde*. „Ebenfalls konnte ich noch einen gezielten und brutalen Faustschlag gegen den Kopf erkennen, obwohl der Kopf der Person auf den Gehwegplatten lag.“ Nach übereinstimmender Aussage aller drei Zeugen zog sich der Obdachlose, dem die Polizei später Handschellen anlegte, Kopfverletzungen zu.

Die Sicherheitsfirma bestreitet diese Darstellung „in vollem Umfang“, so Max Stolzenburg, Geschäftsführer der Stolzenburg Security GmbH, die in der Spaldingstraße eingesetzt ist. Der Obdachlose habe „mehrere Personen im Haus belästigt“. Das bestätigt auch Fördern und Wohnen, Betreiber des Winternotprogramms.

„Der Mann ist im Haus bekannt und hat schon mehrfach Hausverbot bekommen“, ergänzt Stolzenburg. „Es ist oft alkoholisiert und aggressiv.“ So sei es auch an jenem Abend gewesen, weshalb die Unterkunft ihn abgewiesen habe. Das Security-Personal habe den Mann nach draußen begleitet und sei dabei „angriffen worden“, sagt Stolzenburg.

Auch vor der Tür habe er weiter „Widerstand geleistet“, sagt Stolzenburg. Deshalb habe man ihn „zu Boden gebracht und fixiert“. Die polizeilichen Ermittlungen dauern an.

*Namen geändert

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6 Kommentare

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  • W
    widerstand

    Warum bitte sollten die unbeteiligten Zeugen lügen?

     

    Aber den Täter wird vor Gericht bestimmt mehr geglaubt als unbeteiligten Zeugen. Denn das Ofer ist obdachlos und damit für die Verwertungsgesellschaft nichts Wert. Obdachlose stehen wie früher Juden außerhalb des Rechtsstaats.

     

    Man darf ja auch Menschen aus ihrer Wohnung werfen, ohne ihnen übers Amt eine neue zu geben...

     

    Kapitalismus tötet - nicht nur in der 3. Welt.

  • S
    Schlagburg

    "... Mit Freundlichkeit, Fingerspitzengefühl und einer Vielzahl von Deeskalations-Techniken gewährleisten unsere Sicherheitskräfte allen Besuchern eine sichere Nachtruhe...." Statement zum Winternotprogramm Hamburg auf der Website von Stolzenburg Security, abgerufen am 1. Feb. 2013 stolzenburg-security.de/news/nachrichtenanzeige/items/absicherung-winternotprogramm-hamburg.html

  • K
    Karl

    Keiner darf grundlos Opfer von Gewalt werden. ALles klar.

     

    Aber bitte, warum immer diese tendenziösen, populistischen Artikel? Sachlich beschrieben bliebe wohl nicht viel von den Vorwürfen über und es würde nicht für einen Artikel langen.

     

    "Brutale Faustschläge". Wenn ich das schon lese schmerzen mir die Augen. Dem Wesen nach sind Faustschläge und Tritte "brutal", wenn man so will. Faustschläge sollen wehtun. Gibt es denn nicht brutale Faustschläge? Der Zweck dieser Formulierung ist reine Emotionalisierung des Lesers. Mit Sachlichkeit hat das jedoch nichts zutun.

  • P
    Piet

    Viele Polen und Russen,

    die hier Arbeit suchten,

    sind in den letzten Jahren

    auf der Straße gelandet.

     

    Für Sprit reicht die Kohle aber immer.

    4,99.- für eine Flasche Sputnik-Wodka

    sind schnell zusammen...

     

    Und so manche sind schon

    am frühen Nachmittag hackevoll,

    werden dann aggressiv und fangen an

    zu pöbeln und randalieren.

     

    Die heftige Liebe, die die Polen bekanntlich

    für die Russen empfinden, führt in den

    Unterkünften auch gern mal zu Spannungen...

     

    Wer will die unterbezahlten, gestressten Sicherheitsleute verurteilen?

     

    In einer prekären Gesellschaft stehen die ja

    nur eine Sprosse höher auf der sozialen Leiter.

  • WR
    Weiße Rose

    Statt endlich Tausende leerstehende Büros und großräumige Prachtvillen für die Ärmsten der Armen zu öffnen, hetzt die SPD-Stadtregierung Bluthunde auf ihre Schutzbefohlenen!

    Die SPD zeigt täglich von Neuem ihr schäbiges Sarrazin-Antlitz...

  • WB
    Wolfgang Banse

    Wohnungs-und Obdachlose werden als Freiwild gesehen und dem entsprechend verfährt man auch mit dieser Klientel.Der Sicherheitsdienst geht nicht gerade mit Samthandschuhen mit dieser Klientel um.Siehe Berlin S-Bahnhöfe.

    Derv Aufschrei der Anständigen in der Gesellschaft,der Schrei der Kirchendo z.B. was den Landesbischof der Ev.luth. Landeskircher Hannover anbelangt,im Bezug auf seine Toleranz, die er vor kurzen zum Besten gab,im Rahmen einer Predigt(Fernsehgottesdienst)Gewerkschaften,Parteien ist nicht zu hören.