Sportliche Verwerfungen

Team der Woche: Die Füchse Berlin aus Reinickendorf planen eigentlich, im Jahr 2007 aus der zweiten in die erste Handball-Bundesliga aufzusteigen. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen stimmen. Sportlich hapert es dagegen

Zehn Sekunden mehr hätten den Füchsen Berlin vielleicht schon genügt, die 31:32-Niederlage gegen HC Empor Rostock zu verhindern. Doch da ertönte in der mit 1.214 Zuschauern spärlich besetzten Max-Schmeling-Halle die Schlusssirene. Bei solch knappen Entscheidungen fangen die Verlierer oft an, mit dem Schiedsrichter zu hadern, Pfosten und Lattenschüsse aufzuzählen, Wenns und Abers anzuführen. Kurz, es beginnt die Suche nach Erklärungen außerhalb des eigenen Einflussbereiches.

Die Verantwortlichen des Berliner Handball-Zweitligisten waren aber am Samstagabend gar nicht gewillt, ihr unglücklich unterlegenes Team zu schonen. Im Gegenteil: Trainer Jörn-Uwe Lommel drohte, er habe lang genug zugeschaut. Nun müsse seine Stammformation mit Konsequenzen rechnen. Der Geschäftsführer Bob Hanning kündigte erbost an: „Wir werden mit der Mannschaft klären, ob wir mit allen Spielern die Rückrunde antreten.“

Die Vereinsführung wird nervös. Nur zwei Punkte trennen die Füchse von einem Abstiegsplatz. „Solide durchspielen“, so bescheiden formulierten die Vereinsvertreter im Sommer das Saisonziel. Sie hätten dem Team auch sagen können: Lasst uns in Ruhe unsere Arbeit machen, um euch kümmern wir uns später.

Denn die Füchse verfolgen einen großen Plan: 2007 will man in die 1. Bundesliga aufsteigen. Dazu sollen in dieser Saison die ökonomischen und strukturellen Rahmenbedingungen geschaffen werden, in der nächsten möchte man für das sportliche Wohl sorgen. Mit der Verpflichtung von vier bundesligaerfahrenen Spielern glaubt Hanning, dann den Aufstieg realisieren zu können. Doch die jüngsten Leistungen geben Anlass zur Sorge, dass alle Planspiele durch einen Abstieg über den Haufen geworfen werden. Von den letzten sechs Spielen gewannen die Füchse nur eines.

Ein Abstieg aus der Zweiten Liga Nord wäre geradezu tragisch, denn Bob Hanning ist mit großem Erfolg dabei, die ökonomischen Voraussetzungen für die 1. Liga zu schaffen. Als er im Juli aus Hamburg kam, ging es noch darum, den Verein vor dem Lizenzentzug zu retten. Heute zeigt Hanning mit Stolz die Sponsorenliste vor. Ein gutes Dutzend Geldgeber ist da aufgeführt. Darunter drei so genannte „Gold-Partner“, die den Club mit sechsstelligen Beträgen unterstützen. Entsprechend weltmännisch gibt sich der frühere Stadtteilverein aus Reinickendorf. Pressekonferenzen werden neuerdings im noblen InterContinental-Hotel oder symbolträchtig an höchster Stelle, auf dem Fernsehturm am Alex, abgehalten.

Die Mannschaft aber hat größte Probleme, mit der rasanten Entwicklung Schritt zu halten. Trainer Lommel muss feststellen: „Sie kommt mit der Erwartungshaltung nicht zurecht.“ Gerade die Spieler, die älter als 30 Jahre seien, hätten Schwierigkeiten, sich auf die neue Situation einzustellen.

Den Amateursportlern ist das nicht zu verdenken. Sind sie doch nur Statthalter für die Profis auf Hannings Wunschzettel. Der für diese Spielzeit neu verpflichtete Nationalspieler Christian Rose und der Tscheche Pavel Prokopec sind die einzigen Berufshandballer im Team. Sollte es im Abstiegskampf eng werden, erklärt augenzwinkernd der frühere Co-Nationaltrainer Bob Hanning, werde er weitere sieben ehemalige Nationalspieler holen. Hinter dem Scherz steckt eine ernste Drohung: Der Erfolg steht bei den Füchsen über allem. JOHANNES KOPP