Arte-Serie „Injustice“: Naiv im Nebel
Artes neue Krimireihe „Injustice – Unrecht“ macht es dem Zuschauer nicht leicht: Der Plot ist schwierig, das Verständnis vom Rechtsstaat merkwürdig.
Gleich mal vorab: Der englische Krimi-Fünfteiler „Injustice – Unrecht!“ hat ein Problem. Nämlich Spannung immer wieder über den Informationsrückstand des Zuschauers erzeugen zu wollen – was damit ein bisschen so wirkt, als schalte man sich etwa bei Folge 150 in eine Soap ein und müsste nun das Beziehungsgeflecht der Figuren nach und nach rekonstruieren.
Da ist also dieser clevere Anwalt William Travers (James Purefoy) in der englischen Provinz, der mal ein wahnsinnig erfolgreicher Anwalt in London war. Da sind seine Ehefrau (Dervla Kirwan) und der neue Mandant (Nathaniel Parker) unter Mordverdacht und irgendein Dreiecksverhältnis, in das die drei vor 20 Jahren verstrickt waren. Da sind ein explodierendes Auto, ein zweiter Mord an einem Tierschützer und dann auch noch dieser kleine Junge, der dem Anwalt immer wieder erscheint, der aber wohl tot ist.
So viel Exposition, so viel Nebel, das braucht Zeit. Der Zuschauer erfährt nicht vor dem Ende der ersten Folge, dass es der Anwalt war, der den Tierschützer getötet hat, aber es dauert bis zum Ende der dritten Folge, bis man den ziemlich absurden Grund dafür wissen darf. Und der kann hier, um der Spannung willen, auch nicht verschwiegen werden. Denn er hängt unmittelbar mit einem zweiten Problem dieser Miniserie zusammen.
Was ist Recht? Was Unrecht?
Der Tierschützer war einmal Mandant des Anwalts. Er hatte sich von dem Anwalt rauspauken lassen und ihm dann gesagt, dass er den kleinen Jungen doch umgebracht hat. Der Anwalt hatte sich deshalb auf den Mandanten gestürzt und einen Nervenzusammenbruch erlitten – und der Zusammenbruch, erfährt der Zuschauer endlich, ist denn auch der Grund für Travers’ Flucht in die beschauliche Provinz .
„Injustice“ stellt nicht nur die Frage nach Recht und Gerechtigkeit – die Serie inszeniert das Dilemma, in dem sich Travers befindet. Denn „Wie können Sie mit Sicherheit wissen, ob ihr Mandant Ihnen die Wahrheit sagt?“, fragt Arte in der Pressemappe. Nur: Was für ein bestenfalls naives Verständnis von einem rechtsstaatlichen Strafverfahren kommt denn da zum Ausdruck?
Das Dilemma des Strafverteidigers
Das englische System des Common Law mag sich vom hiesigen Recht deutlich unterscheiden. Doch hier wie dort hängt das Recht auf eine qualifizierte Verteidigung natürlich nicht von der Unschuld des Beschuldigten ab; verdient auch der vom Anwalt als schuldig erkannte Mandant die beste Verteidigung. Und der Angeklagte kann vor Gericht ungestraft lügen – der Verteidiger darf die Wahrheitsfindung nicht erschweren.
Das beschworene „Dilemma“ des Verteidigers ist damit ungefähr so fiktiv wie der Erfolgsanwalt im Film.
7.2.2012, 20.15 Uhr, Arte: „Injustice - Unrecht“ (Folgen 1 bis 3)
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