piwik no script img

Kolumne DarumSchule gesucht, Preußen gefunden

Maik Söhler
Kolumne
von Maik Söhler

Wer Kinder hat, kennt das: Endlosdebatten um die richtige Schule. Wer keine Kinder hat, sollte wissen: Die Schulsuche fördert das Schlimmste in uns zutage.

Helmpflicht für Schulkinder? Auch keine schlechte Idee. Bild: imago / paul von stroheim

W etten, dass ... ich mit verbundenen Augen sämtliche Westberliner Oberschulen am Kuchenbüffet ihrer Fördervereine unterscheiden kann? Wetten, dass ... ich nur mit dem Gehör erkenne, zu welchem Gymnasium in Berlin-Schöneberg der in Physik von Schülern selbst gebastelte Lego-Roboter gehört? Wetten, dass ... ich nur am Geruch feststellen kann, welcher Chemie-Klassenraum in Berlin-Tempelhof zu welcher weiterführenden Schule gehört?

Ein Kind wird im Sommer die Superschule verlassen. Eine neue Superschule muss her, noch superer als die erste, schließlich soll hier das Super-Abitur gemacht werden. Seit Wochen drängeln wir uns also zusammen mit Hunderten Eltern zu Tagen der offenen Tür, in Infoveranstaltungen und Schnupperunterrichtseinheiten. Wir stehen am Elternbüffet, durchwandern Klassenräume, prüfen Pausenhöfe, inspizieren Cafeterias und tun so, als ob wir mal müssten, um auch den Zustand der Schultoiletten in Augenschein zu nehmen.

Wir sprechen mit Lehrern, Schülern, Eltern, holen Informationen vom Rektor, dem Sekretariat und dem Hausmeister ein, und zuhause debattieren wir dann auf dieser Grundlage weiter. Mal mit Kind, mal ohne. Mal zielführend, mal abschweifend. Die letzten Sätze am Abend kreisen um Leistungskursangebote, die ersten am Morgen um die zweite Fremdsprache, in der Mittagspause wird schnell noch ein Intensivkurs im Berliner Schulrecht gemacht.

taz
Maik Söhler

ist Chef vom Dienst von taz.de und hat zwei Kinder, die gelegentlich in der „taz“ zu Wort kommen. Maik Söhler auf Twitter.

Es nervt. Aber es muss sein. Unser familiärer Mikrokosmos wird noch enger. Aber es muss sein. Ein monothematischer Sog entsteht. Aber es muss sein. Anmeldetermine müssen eingehalten, Listen ausgefüllt, Fristen beachtet werden. Zwänge sind scheiße. Aber es muss sein. Der Mandarinen-Käsekuchen in einer bestimmten Oberschule ist grandios. Einer geht noch rein. Auch das, gerade das muss sein.

Denn die Schulsuche fördert das Schlimmste in uns zutage: Pünktlichkeit, Ordnung, Disziplin, Fokussierung ohne Ausweg, Wagenburg-Mentalität. Die Schulsuche ist das Preußen unter den Suchen, der Pietismus unter den Anstrengungen. Sie verwandelt weltoffene Menschen mit vielfältigen Interessen in gehetzte Neidbeißer, die nur noch ein Thema haben. Wer hier cool bleibt, hat schachtelweise Diazepam dort, wo andere Nervenbahnen haben.

Kinder haben es da besser. Sie nehmen die Dinge wie sie kommen. Ein guter Schnupperunterricht und die Sache ist entschieden. Eine zweite Fremdsprache? Wird am Tag der Anmeldung geregelt. Aber wird denn in der Oberstufe das Leistungskursangebot den eigenen Wünschen gerecht? Sehen wir dann. Tage der Hektik prallen auf ein Kind, das sie gleichmütig abwehrt. Gut gelaunt hopst es durchs Treppenhaus einer Schule. So fallen Entscheidungen. Wer diese Hopserei sieht, weiß sofort: Da ist jemand glücklich. Diese Schule muss es sein.

Dabei können wir viel lernen. Beim nächsten Bewerbungsgespräch einfach mal wild durch die Flure des neuen Arbeitgebers hüpfen. Wieder mal Beziehungskrach? Schnupperunterricht schafft Abhilfe. Midlifecrisis? Wird am Tag der Anmeldung entschieden! Wetten, dass ... ich alle künftigen Herausforderungen trotzdem nicht gleichmütig meistern werde?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Maik Söhler
Journalist
Jahrgang 1969, Leitender Redakteur des Amnesty Journals. War zwischen 2010 und 2020 Chef vom Dienst bei taz.de. Kartoffeldruck, Print und Online seit 1997.
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • B
    bullshit

    @Marco

     

     

    Missbrauch von Kindern geht meisten von Männern aus.

     

    Schütz die Kinder: Verbietet Männer!

     

    Missbrauch von Kindern geht meisten von Erwachsenen aus.

     

    Schütz die Kinder: Verbietet Erwachsene!

     

    Missbrauch von Kindern geht meisten von Menschen aus.

     

    Schütz die Kinder: Verbietet Menschen!

  • M
    Marco

    Missbrauch von Kindern geht meisten von den Eltern aus.

     

    Schütz die Kinder: Verbietet Eltern!

  • H
    hobbychirurg

    Haben Sie Kinder?

    Dann tun Sie den ersten Schritt und schicken Ihr Kind an eine Schule mit möglichst vielen muslimischen Kindern. Die Gesellschaft wird es Ihnen danken - ihr Kind evtl. nicht, aber Opfer müssen gebracht werden.

  • DG
    Dumm gelaufen

    Die meisten deutschen Eltern suchen vor allem Schulen mit möglchs wenig muslimischen Kindern.

     

    Da könnte die taz doch ein schönes Nazieltern-Rassisten-Ding basteln - wenn nicht de Leser der taz de Schulen auch so auswählen würden...