piwik no script img

Fluch und Segen der HeimarbeitAb ins Büro – aber wo?

Maik Söhler
Kommentar von Maik Söhler und Lukas Abegg

Yahoo-Chefin Marissa Mayer ordnet in ihrer Firma das Ende der Heimarbeit an. Ist das ein großer Fehler oder hat sie Recht? Ein Pro und Kontra.

Voller Schwung zur Arbeit, aber wohin? In die Firma oder nach Hause? Bild: photocase / kallejipp

Ja zum Home Office!

D as Home Office soll der Vergangenheit angehören! Die Firmenchefin von Yahoo, Marissa Mayer, will ein klares Zeichen setzen und beordert ihre Mitarbeiter zurück ins Büro. Ab Juni gilt Anwesenheitspflicht für alle. Ein Trend, der zu denken gibt.

Es ist ein Schritt zurück im Zeitalter der mobilen Arbeitswelt. Die Vorraussetzungen für mobile Heimarbeitsplätze sind besser denn je. Egal ob Telefonkonferenz, E-Mail-Verkehr oder Datenzugriff ins Firmennetz – die EDV macht alles möglich. Einzige Vorraussetzung: Internetanschluss und Computer. Der Mitarbeiter kann zu Hause sitzen und arbeiten, als sei er direkt in der Firma. Er ist viel flexibler und spart Zeit.

Der lange Arbeitsweg, die verstopften Straßen und öffentlichen Verkehrsmittel rauben viel Zeit und auch Nerven. Genervt und abgekämpft erscheint der Mitarbeiter im Büro. Arbeitet er von zu Hause, beginnt er seinen Arbeitstag motiviert und entspannt mit einer Tasse Kaffee in der Hand vor dem heimischen Computer. Großraumbüros sind vielerorts Trend. Sie sind jedoch sehr laut und bieten wenig Platz für kreative Phasen und konzentriertes Arbeiten. Einen ruhigen Arbeitsplatz zu finden ist ein seltener Luxus.

Dieser Mitarbeiter könnte genau so gut zu Hause sitzen. In seiner gewohnten Umgebung seine Arbeiten konzentriert erledigen und trotzdem für Fragen oder Diskussionen zur Verfügung stehen. Auch Pausen sind wichtig und zu Hause entspannt man einfach am besten. Die Kosten für Essen und Kaffee an der Arbeit sind nicht zu unterschätzen. Viele kommen zu Hause günstiger weg. Kleine Alltagsdinge wie Wäsche waschen, Elektrikerbesuch oder Einkaufen können nebenbei erledigt werden und fordern keinen frühzeitigen Feierabend oder stressigen Einkauf in der Stoßzeit.

Die Autoren

Lukas Abegg ist derzeit Praktikant bei taz.de. Ansonsten arbeitet er lieber von zu Hause aus.

Maik Söhler ist Chef vom Dienst bei taz.de, trägt immer Ärmelschoner und lässt sich gerne ablenken.

Home Office bedeutet auch nicht, dass der Arbeitsplatz in der Firma vollkommen gemieden wird. Er soll als Ergänzung dienen. Persönliches Erscheinen bei Meetings und die Kontaktpflege mit anderen Mitarbeitern ist wichtig. Es ist alles eine Frage der Organisation und Selbstkontrolle. Das Home Office mindert nicht die Qualität und Leistung der Arbeit, sondern es fördert sie.

Entspannt sitze ich gerade zu Hause und tippe die letzten Worte dieses Artikels ein. Danach kann ich meinen Laptop schließen und der Weg zum Bier im Kühlschrank ist kurz. Feierabend! LUKAS ABEGG

***

Home Office, geh sterben!

Manchmal erkennt man erst an der Kritik, wie gut oder schlecht ein Vorschlag ist. Marissa Mayer, die Chefin von Yahoo, untersagt die Arbeit im Home Office und beordert alle Mitarbeiter zurück in die Firma. Mayers Ton ist rüde, ihre Anordnung klingt befremdlich, weil sie Selbstbestimmung und Freiheit beschränkt, und doch hat sie zweifellos Recht.

Schon sind die Apologeten der totalen Arbeit auf der Palme: „Mayer hat einen gewaltigen Sprung rückwärts gemacht. Statt große Talente bei der Stange zu halten, wird sie sich in einem Großraumbüro wiederfinden, wo alle Leute brav anwesend sein und ihre Zeit absitzen werden“, sagte die Wirtschaftsberaterin Jody Thompson. „Es ist beunruhigend, dass es eine Technologie-Firma nicht schafft, Fern-Arbeit zu koordinieren“, kritisierte Kate Lister, Präsidentin des Telework-Forschungszentrums in Kalifornien. „Das läuft dem weltweiten Trend zu mehr Auslagerung von Arbeit zuwider.“

„Rückwärts“, „Talente“, „Trend“ – das Home Office wird uns hier als Avantgarde der allein glückselig machenden Arbeit vorgestellt. Dabei steht es oft für das exakte Gegenteil. Arbeiten im Home Office bedeutet für viele: dem Fluch ständiger Erreichbarkeit zu unterliegen, eine unendliche Vermischung von Beruflichem und Privatem – fast immer zugunsten der Arbeit – zu erfahren, mit dienstlichen Problemen alleine zu Hause fertig werden zu müssen, mangelnder Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, fehlende Solidarität in Konflikten. Auch wenn Mayer vermutlich nur mehr Effizienz für ihr Unternehmen im Blick hat, so ist der Kollateralnutzen ihrer Anordnung für die Mitarbeiter groß.

Dem entgegen stehen die Argumente, die das Heer der Home-Office-„Kreativen“ selbst anführt, um ihre selbstverschuldete Unmündigkeit zu rechtfertigen: Mittagsschlaf! Flexibilität! Arbeiten im Schlafanzug! All das ist gut und schön. Schöner aber wird der Mittagsschlaf, wenn er von keinem dienstlichen Anruf unterbrochen wird. Gemütlicher ist der Schlafanzug auf dem Sofa als auf dem Bürostuhl. Flexibilität ist gut, wenn sie darin besteht zu entscheiden, ob zuerst ein Buch zu Ende gelesen wird und dann gefrühstückt oder umgekehrt.

Die Bereiche Arbeit und Freizeit gehören getrennt. Und eine 30-Stunden-Woche für alle ist möglich. Dieser Beitrag wurde nicht zu Hause geschrieben. MAIK SÖHLER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Maik Söhler
Journalist
Jahrgang 1969, Leitender Redakteur des Amnesty Journals. War zwischen 2010 und 2020 Chef vom Dienst bei taz.de. Kartoffeldruck, Print und Online seit 1997.
Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • T
    Torsten

    Wenn Frau Mayer nicht weiß, woran einige ihrer EntwicklerInnen arbeiten, dann ist es nicht das Mittel der Wahl, Präsenzpflicht für alle 12 000 MitarbeiterInnen zu verfügen.

     

    Präsenzpflicht lähmt genau jene Kreativität, die EntwicklerInnen brauchen, um produktiv zu sein. Ein 9-5 Job mag im Finanzamt funktionieren, in R&D definitiv nicht.

     

    Dazu kommt, dass in der IT-Branche die Teams oft tagtäglich weltweit zusammenarbeiten. Das bringt so einige Probleme mit sich und macht zeitliche Flexibilität notwendig. Präsenzpflicht erschwert diese Form der Zusammenarbeit künstlich und das ohne erkenntbaren Wert.

     

    Letztlich fürhrt es dazu, dass einige "präsent" tagträumend verblöden, während andere 12h "präsent" sind ... aber das ist dann so gewollt vom Arbeitgeber.

  • O
    ohno

    @27.02.2013 13:06 Uhr "anke":

     

    Mädel, wenn wir Dich nicht hätten, wüssten wir jetzt gar nicht, dass das auch wieder ein Männer-, äh Jungsproblem ist.

     

    Frauen^wMädchen machen ja kein Home-Office.

     

    Oder nur.

     

    Oder wie?

  • TE
    Tomas Ehmann

    Aus Sicht des Unternehmers kann "Home Office" das Todesurteil werden - Er weiß es aber erst, wenn es passiert ist :-). Aus Sicht des Mitarbeiters gibt es im Homeoffice mehr Möglichkeiten seinem Arbeitgeber zu schaden und sich selbst zu profilieren. Home Office funktioniert - wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer im selben "Home Office" bewegen und sich vertrauen. Vertrauen ist gut - Kontrolle ist besser und das geht im gemeinsamen "Home Office" leichter.

     

    Ich denke die Yahoo "Chefin" hat das erkannt und handelt entsprechend.

  • PU
    pro und contra

    ach nee, die sache hat sowohl vor- als auch nachteile? wenn ich euch nicht hätte...

     

    Aber im Ernst, ich hab einen Bürojob ohne heimarbeit und ich wünsche mir das wie verrückt. Was man da alleine an Arbeitsweg spart! In meinem Fall wären das zwei volle Stunden selbstbestimte Lebenszeit mehr pro Tag.

     

    Die Vermischung von Arbeit und Privaten hat zudem nichts mit dem Ort zu tun. Bei uns gibt es wie gesagt überhaupt kein HOmeoffice, trotzdem gibt es KollegInnen, die lesen ihre Arbeitsemails vor der Arbeit, nach der Arbeit UND am Sonntag UND sie antworten auch UND sie finden überhaupt nichts dabei.

    Könnte mir nicht passieren. Ich bin zu Bürozeiten unter meiner dienstlichen E-Mail-Adresse erreichbar und wenn ich nicht im Büro bin, dann rufe ich die auch nicht ab.

    Wenn der Orstfaktor wegfiele, dann lautete der Satz eben

    "Ich bin zu Bürozeiten ..."

     

    Am Contratext gefällt mir das Wort "Collateralnutzen".

    Für die 30h-Woche bin ich auch. Aber was haben die beiden Themen miteinander zu tun? Jede beliebige Stundenzahl kann man sowohl zuhause als auch im Büro leisten.

     

    Und um auf Vor- und Nachteile zurückzukommen: Beide Texte tun so, als kennten sie die allein seligmachende Methode. Warum nicht die Leute wählen lassen? Wer sich Homeoffice wünscht, solls dürfen, wers scheiße findet, soll es nicht müssen.

  • K
    Kommentator

    Home Office hat tatsächlich Vor- und Nachteile.

    Wenn ich im HO bin, kann ich die Mittagspause so ausdehnen, dass ich für meine Kinder Pfannkuchen machen kann. Aber ich muss Strom, Telefon, Schreibtisch selbst bezahlen.

    Ich habe keinen irre langen Arbeitsweg, sondern schalte den Rechner direkt nach dem Frühstück an. Aber ich kann nur sehr viel schwerer mit einem Kollegen aus der Nachbarabteilung etwas besprechen.

    Ich kann mit einer 'Extrapause' einen Behördengang machen oder einen Handwerker ins Haus lassen, ohne dafür einen Urlaubstag zu nehmen. Aber mein Arbeitgeber stellt mir keinen festen Arbeitsplatz mehr, sondern ein Shared Desk, wenn ich nur noch zwei oder weniger Tage im Office bin.

     

    Fazit: Für meinen Job in der IT-Branche, für meine Wohnsituation, für meinen Arbeitsweg passen zwei bis drei Tage Home Office pro Woche sehr gut.

  • F
    FranKee

    Einfache Rechnung:

     

    Pendele ich jeden Tag 45min je Weg in die Firma habe ich eine 47,5h Woche. Und bekomme 40h bezahlt.

     

    Arbeite ich zu Hause 47,5h, bekomme ich 47,5h bezahlt.

     

    1-2x die Woche (und vermehrt in Einarbeitungsphasen) dort aufschlagen ist natürlich o.k. ...

     

    gez.

     

    ein erfahrener Freelancer...

  • A
    anke

    Brave Jungs! Habt ihr euch also mal wieder dazu verdonnern lassen, dafür bzw. dagegen zu sein. So, wie sich das für echte Helden gehört. Vielleicht ist es an dieser Stelle ja ganz gut, wenn mal eine im "Beinahe-Multitasking" erfahrene Frau was sagt. Ich finde nämlich, man muss das Kind nicht unbedingt gleich mit dem Bade ausschütten. Auch dann nicht, wenn man es nicht umgehend darin ertränken will.

     

    Leider wurde bisher nirgendwo erwähnt, welche Gründe Frau Mayer für ihre "rüde" Anordnung angibt. Auch, welche Verbesserungen sie sich davon verspricht, habe ich noch nicht erfahren. Eine Beurteilung des Einzelfalls ist also schwierig. Grundsätzlich allerdings wäre ich sehr verwundert, würde ich erfahren, dass ausgerechnet die Arbeit vom heimischen Sofa aus nur Nachteile oder nur Vorteile hätte. Eine Führungskraft, deren erstes Ziel nicht darin besteht, sich in einer Welt konservativer Männer als Sitzen-Konservative zu präsentieren, hätte also gewiss einen Weg gefunden, die jeweiligen Vorteile der beiden Prinzipien sinnvoll mit einander zu kombinieren. In einer Welt, die besser ist als unsere, wäre der positive Effekt dieser Kombination dann umgehend in Freizeit umgewandelt worden, nicht in Dividende. 30 Stunden für alle statt Marktmacht für Yahoo-Investoren – das wäre es doch gewesen, das Erfolgs-Modell mit Zukunft. Oder was meint ihr?

  • M
    mütze

    die erfahrung zeigt, dass einige ohne kontrolle weniger arbeiten – letztlich auf kosten anderer. home office ist nur gerecht, wenn es relativ exakt abrechenbar ist. ansonsten fördert es parasitäres verhalten.

  • S
    sonika

    die frage ob home-office oder nicht mit einem derart subjektiven geschmäckle und darüber hinaus im modus entweder/oder zu beantworten, ist wirklich dünn. es dünkt mir, als wäre es nicht ausschließlich eine frage von vereinbarkeit oder praktikabilität, sondern eine POLITISCHE! die kapitalismuskritische keule könnt ihr euch dazu denken.

     

    cheers

  • T
    Tom

    Der Satz

     

    "Ich mach heute Home-Office"

     

    bedeutet:

     

    "Ich hab heute keinen Bock, aber ihr könnt mich anrufen wenn ihr wollt."

  • M
    Mensch

    "Die Bereiche Arbeit und Freizeit gehören getrennt."

    Schizophren.

     

    Ich bin EIN Mensch, alles was ich tue bin ICH.

    Arbeit/Freizeit ist alles dasselbe. Ich tue Dinge.

    Manchmal bekomme ich Geld, manchmal zahle ich Geld.

    Es gibt Freunde/Kollegen. Alles gleich. Ich fi##e auch Kolleg(inn)en.

     

    Das WO, ist dann egal. Ich kann auch in der Firma uebernachten. :P Officehome statt Homeoffice.

     

    Ach, und was yahoo, etc. angeht:

    Die Kuendigung ist IMMER eine Option.

  • HR
    H.J. Reich

    (…) Der lange Arbeitsweg, die verstopften Straßen und öffentlichen Verkehrsmittel rauben viel Zeit und auch Nerven. Genervt und abgekämpft erscheint der Mitarbeiter im Büro.(…)

    (…) Großraumbüros sind vielerorts Trend. Sie sind jedoch sehr laut und bieten wenig Platz für kreative Phasen und konzentriertes Arbeiten. Einen ruhigen Arbeitsplatz zu finden ist ein seltener Luxus. (…)

    Arme, arme Kreativtäter, arme arme Schreibtischhengste........wieder gezwungen, sich den Ärger-, und Wirrnissen der realen Welt zu stellen. Wo wird das enden......

  • JS
    Jens Scholz

    Was echt ermüdet? Dass es immer nur entweder-oder sein darf. Es gibt Arbeitssituationen, in denen man zu Hause die nötige Ruhe hat, die es in einem Büro nicht gibt. Es gibt andere Situationen, in denen Austausch und Abstimmung wichtig ist. Das einzige, was hier zu lernen ist, ist zur richtigen Zeit ins Homeoffice zu gehen und zur richtigen Zeit im Büro zu sein. Und wer im Homeoffice gar nicht arbeiten kann oder will muss das ja nicht tun. Aber er braucht denen, die damit entspannter und leistungsfähiger sind auch nicht erzählen, dass sie einen Vorteil davon hätten, wenn man ihnen das Homeoffice verbietet.

  • K
    Kombinator

    Warum so scharf trennen? Homeworking und der Arbeitsplatz im Büro haben beide seine Berechtigung. Für manche Jobs eignet sich das (Großraum-)Büro besser als die Arbeit von zu Hause. Bei anderen Jobs sieht es wiederum genau anders aus. Ich selbst schätze Homeworking sehr, habe das eine zeitlang auch gemacht, und bin nun wieder in einen regulären Bürojob zurückgekehrt. Und ich muss sagen, dass ich das flexible Arbeiten doch stärker vermisse als gedacht. Einfach mal länger schlafen, einfach mal an die frische Luft, wenn einem danach ist. Eine Kombination wäre oft sinnvoll, wie etwa 20 Stunden pro Woche im Büro, 20 Stunden von daheim. Ja, und das muss auch gesagt werden: Es gehört eine Menge Disziplin dazu, beim Home-Office Job und Privatleben auseinanderzuhalten, Termine einzuhalten und motiviert an die Arbeit heranzugehen. Wer das nicht gut kann, sollte die Finger davon lassen, und auch Chefs müssen einen Blick darauf werfen, ob Homeworking ihren Mitarbeitern gut tut oder nicht.