Asian-HipHop aus London: Verzinkte Täuschungsmanöver
Triad God wirft alles durcheinander. Der Rapper verschmilzt auf seinem Debütalbum kantonesische und englische Texte mit alptraumhafter Ambientmusik.
Wer ist dieser selbst ernannte „New Cross Boy“ Triad God? Ein in London lebender Brite mit chinesisch-vietnamesischen Wurzeln, so viel scheint sicher. Sein Debütalbum ist der erste Anwärter für das nächste Ambientfestival: blumig im Sound, verträumt und atmosphärisch dicht und voller Assoziationen. Das Ganze in Einklang mit reichlich HipHop-Attitüde.
Aber Triad God rappt auf Kantonesisch und Englisch. Musik und Texte stehen ungeordnet nebeneinander, und so ist „New Cross Boy“, kurz „NXB“, ein Sammelsurium aus kreativen Liederlichkeiten.
Zunächst geisterte das Album als Mixtape für lau durchs Netz, mittlerweile ist es in überarbeiteter Fassung beim kalifornischem Label Hippos in Tanks erschienen. Inspiriert vom gemeinsamen Erstlingswerk der Beatnikhelden Kerouac/Burroughs benennt sich die in Los Angeles betriebene unabhängige Plattenfirma nach deren Roman „And the Hippos were boiled in their Tanks“: Beatniks sind bekannterweise Jazzliebhaber, Triad God spielt zwar mit allerlei Genres, doch mit Jazz hat sein Debütalbum nichts zu schaffen.
Rüpelhaftigkeit und Tradition
Vinh „Triad God“ Ngan verbindet englische Rüpelhaftigkeit mit kantonesischer Tradition. Und dennoch ist „NXB“ alles andere als eine Verschmelzung dieser beiden Faktoren: Triad God schafft etwas Eigenes, indem er zwar klischeebehaftete und markante Elemente bedient, aber er setzt sie subtil um, und das wirkt dann doch überraschend.
Bereits mit der Singleauskopplung „Remand“ gelang Triad God ein kryptisches Täuschungsmanöver: Versprengte HipHop-Ausrufe lockten die Hörer auf eine falsche Fährte, denn ansonsten ist dieser Track vollkommen elektronisches Klingklang.
In täuschend-echter Rapper-Manier blickt Triad God auch auf Promofotos aufsässig mit geöffnetem Mund in die Kamera. Dabei ist er stets mit Goldschmuck behangen. Auf einschlägigen Musikportalen wird sein Album ebenfalls unter HipHop einsortiert.
Verzagt, kleinmütig und schmachtend
Was sich jedoch offenbart, wenn die ersten Takte seines Albums ertönen, ist etwas ganz anderes: Bei dem Stück „I never told you“ flötet er schmachtend mit schiefer Stimme „I wanna hold you / I never told you.“ Das klingt eher nach glatt gebügeltem Teenpop. Zu seiner zur Schau getragenen Unsicherheit passt es, dass Triad God die Reime nicht machistisch, sondern geradezu verzagt und kleinmütig vorträgt. Wobei an dieser Stelle von singen oder rappen zu schreiben eine Übertreibung, ja fast eine Satire für die Interpretation der Texte ist.
Denn Triad Gods Stimme klingt monoton, fast emotionslos. Um aber das Zusammenspiel erfassen zu können und die Ironie als eine solche, sollte „NXB“ insgesamt betrachtet werden. Der vietnamesisch-chinesisch-britische Künstler spielt mit Attributen aus der Gangsterwelt, seine Texte behandeln die unerfüllte Liebe zu einer Prostituierten, und sie sind voller Obszönitäten und Kraftausdrücke. Würde man die Texte ohne die Musik hören, sie wären reiner Schrott.
Aber eben, man muss sie im Zusammenhang mit der seltsamen Musik hören. Kaum einer der Songs dauert länger als zwei Minuten, das entspricht genauso wenig dem gängigen Mainstream-HipHop-Muster wie die Vielzahl von Geräuschen und Klängen, die in den 14 Tracks arrangiert werden. Die wirken ganz so, als würde Vinh Ngan tatsächlich im Alltag Erlebtes Revue passieren lassen. Und man fragt sich: Ist das chinesische Zupfinstrument beim Titel „Bland dat tumm my joe ter ruler“ ein Beleg der Wurzeln oder Ausdruck des Alltagslebens in London?
Unterwegs in den Pachinko-Hallen
Die zahlreichen instrumentalen Tonkünste arrangierte der Londoner Produzent Palmistry. Triad God und Palmistry trafen sich 2011. Palmistry war in Chinatown in Pachinko-Hallen unterwegs auf der Suche nach geeigneten Drehplätzen für ein Musikvideo. Gemeinsam erarbeiteten sie bereits die EP „Aym Gs for Lyte“. Wie Triad God dem Magazin Dazed Digital – auch hier nicht ohne Widerspruch – erzählte, widmet sich seine Musik den Jungs aus der Hood. Seinen Texten verleiht er aber lieber anhand kantonesischer Sprache Ausdruck.
Triad God und „NXB“ sind voller Gegensätze: Was zunächst plump, unanständig und klischeebehaftet erscheint und partiell bestätigt wird, entpuppt sich bei näherer Betrachtung dann doch facettenreicher als vermutet. Da scheint jemand mit den Stereotypen zu spielen, bis sie sich selbst nicht mehr ähnlich sehen.
Triad God, „New Cross Boy“ (Hippos in Tanks/A-Musik)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!