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NGO-Mitarbeiterin über Russland„Man nimmt uns als Bedrohung wahr“

Das Vorstandsmitglied der Menschenrechtsorganisation Memorial, Swetlana Gannuschkina, über die Folgen staatlicher Kontrolle uns was sie vom Westen erwartet.

Mit auf der Liste der russischen Behörden: Die NGO Memorial in Moskau. Bild: ap
Bernhard Clasen
Interview von Bernhard Clasen

taz: Frau Gannuschkina, haben Sie die Überprüfungen erwartet?

Swetlana Gannuschkina: Ja, ist doch Memorial eine von elf Organisationen, die sich an den Europäischen Menschengerichtshof gewendet haben mit der Forderung, uns als potenzielle Opfer des sogenannten Gesetzes zu ausländischen Agenten anzuerkennen. Gleichzeitig sind wir als eine der führenden Menschenrechtsorganisation schon lange im Blickfeld der Behörden.

Wie sind diese Überprüfungen abgelaufen?

Die Behörden sagen, diese Überprüfungen seien vorab geplant. Das sind ja schöne Pläne: Im ganzen Land werden innerhalb eines Monats viele Nichtregierungsorganisationen von diesen Kontrolleuren, die wie Überfallkommandos auftreten, aufgesucht. Eine konstruktive Zusammenarbeit von Behörden und NGOs sieht anders aus.

Was bedeuten diese Überprüfungen für Memorial?

Dem Staat gefällt nicht, dass wir so leben und handeln, wie wir es für richtig halten, und dass wir mit unserer Arbeit Einfluss auf die Gesellschaft und die Machthaber nehmen. Offensichtlich nimmt man uns als Bedrohung wahr. Die Machthaber registrieren die wachsende Unzufriedenheit in der Gesellschaft und versuchen, uns für die Missstände verantwortlich zu machen. Unser Ansehen leidet unter diesen Überprüfungen. Viele nehmen uns nun als seltsame Organisation wahr, in der Hausdurchsuchungen stattfinden, die ihr Geld aus dem Westen bezieht. Immer häufiger wird die Vermutung geäußert, wir würden für die CIA arbeiten.

Bernhard Clasen
Im Interview: Swetlana Gannuschkina

Die 71-Jährige ist Vorstandsmitglied von Memorial International und Vorsitzende der Moskauer Organisation Komitee Bürgerbeteiligung.

Wie reagiert ihr unmittelbares Umfeld?

Kürzlich wollte ein Anwalt von seinem Kollegen wissen, warum er eigentlich noch für Memorial arbeite. Angesichts der jüngsten Hausdurchsuchungen, so der Anwalt, müsse man doch nun davon ausgehen, dass diese Organisation in der nächsten Zeit geschlossen werde. Das Gesetz zu ausländischen Agenten hat doch nur eine Funktion: Es ist Propaganda gegen uns. Und mit den Überprüfungen hat man der Stimmung gegen uns weiteren Vorschub geleistet.

Was soll der Westen tun?

Vom Westen erwarte ich mir Solidarität. Doch das ist wahrscheinlich vergeblich. Denn der Westen zeigt schon lange, dass ihm seine Interessen wichtiger sind als seine Werte. Durch sein Nichreagieren ist er mit dafür verantwortlich, was hier abläuft. Dabei müsste der Westen doch begriffen haben, dass er von einer großen Nähe zu Putin nichts hat.

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7 Kommentare

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  • B
    Benz

    @Denis

    Das möchte ich auch gerne wissen. Ich hätte nämlich nichts dagegen, meine Meinung sagen zu dürfen und dafür auch noch Geld zu bekommen.

     

    Sollten Sie herausfinden, dass man da Geld verdienen kann, lassen Sie es mich unbedingt wissen wo ich mich melden kann, ok?

  • D
    Denis

    Mal 'ne andere Frage: Wer bezahlt die pro-Putin Kommentare in deutschen Onlineforen ?

  • W
    wessinger

    CIA Agentin wird vom Interviewer nicht nach Ihren Geldgebern gefragt/ Schwaches Interview.

  • V
    Volker

    Ein wenig Bildung und über dem Tellerrand schauen reicht um festzustellen, dasd NGOs nicht immer neutral sind...kann sein das viele nicht mal merken wenn sie von Washington vor den Karren gespannt werden!

     

    Wikipedia: Farbrevolutionen

     

    besonders interessant der Absatz

     

    US-Gründungen und Unterstützung......

     

    Putin wurde von einer überagenden Mehrheit gewählt, mag sein das viele damit im Westen ein Problem haben....., eine Schnappnase die alles vor die Hunde gehen lässt und Russland an amerikanische Investoren verschachert das wäre einigen lieber!

     

    Die Pussys werden deshalb auch vom Westen gestützt....reine Geheimdienstposse....

     

    Die Gelder kommen von CIA Tarn Fa., George Soros und Stiftungen die in Washington sitzen.....

     

    http://www.antikrieg.com/aktuell/2012_08_20_pussyriot.htm

  • BG
    Bernd Goldammer

    Die USA,GB und Frankreich sollen ähnliche Selbstschutzmaßnahmen per Gesetz für ihre Länder geregelt haben. Stimmt das? Von der Hand zu weisen war das Problem ausländischer Einflussnahme natürlich noch nie.Im zurückliegenden Präsidentenwahlkampf in Russland war es nicht zu übersehen. Warum müssen wir Deutsche dafür Steuergelder geben? Ich hatte oft den Eindruck, dass deutsche Medien ihre Schlagzeilen mit eigenen Inszenierungen und bezahlten Angestellten auf russischem Boden machten. Sie wir die, die damit aufs Glatteis gelockt werden sollen?

    Wieso hängen sich Ausländer in die innerrussische Politik rein? Die perverse Einmischung ging schief. Der Präsident ist von seinem Volk mit großer, sauberer Mehrheit gewählt worden! Aber Putin hat gemerkt, was los ist und sichert Russland nun ab. So wie es westliche Länder längst getan haben. Ich halte das für legitim.

  • B
    Benz

    Wenn sich eine Gruppe hartnäckig weigert, ihre Hintermänner und Geldgeber offenzulegen, macht das einen wenig vertrauenserweckenden Eindruck. Dass solche Gruppen als bedrohlich empfunden werden, erstaunt mich nicht.

     

    Leider konnte auch Frau Gannuschkina nicht sagen, warum sie nicht schlicht und einfach offenlegt, wer ihre Geldgeber sind.

  • M
    menschenfreund

    Zunächst meine Hochachtung vor derart mutigen Menschen, die durchaus - wie schon allzu häufig passiert - ihr Leben einsetzen. Sie verdienen unsere volle Solidarität und Verachtung für jene, die dreist und frech von "lupenreinen Demokraten" schwafeln.

    Swetlana Gannuschkina, Politkovskaja und die vielen anderen Menschen sind beispielhaft, auch wenn ich weis, daß nicht ein/e jede/r zum/r Heden/in taugt.

    Sie heben sich meilenweit von Foristen in diversen Foren hier in Deutschland ab, die im warmen Zimmer und auf weichen Sesseln ihren Hirngespinsten freien Lauf lassen.

    Ohne Radau, dafür mit geeigneten diplomatischen Mitteln erwarte ich den vollen Einsatz unserer Politiker/innen.