Stimmen zum neuen NSU-Prozesstermin: Eine „mittlere Katastrophe“
NSU-Prozess: Politiker aller Parteien begrüßen das neue Akkreditierungsverfahren. Auf türkischer Seite dominieren aber Sarkasmus und Kritik.
Auf Facebook reagierte die Schriftstellerin und Journalistin Hatice Akyün mit Sarkasmus: „NSU-Prozess verschoben! Verfassungsschutz ist noch nicht fertig mit dem Schreddern!“ Wenig später reichte sie die zynische Vermutung nach: „Vielleicht arbeitet das OLG aber auch auf eine Verjährung hin.“
Nicht viele nahmen die Ankündigung des Münchner Oberlandesgerichts, den Auftakt des Prozesses gegen Beate Zschäpe und die Unterstützer ihrer Zwickauer Zelle auf den 6. Mai zu verschieben, mit so viel Humor. Als „mittlere Katastrophe“ bezeichnete die Ombudsfrau der Bundesregierung für die NSU-Opfer und deren Angehörige, Barbara John, die Verschiebung.
Viele Angehörige hätten sich emotional auf den Prozessbeginn eingestellt, Fahrkarten gekauft, eine Unterkunft gebucht oder sich Urlaub genommen. Nun sei es bei vielen unsicher, ob sie überhaupt am neuen Prozessbeginn teilnehmen könnten.
„Dass wir in so eine peinliche Situation geraten sind, ist auf das skandalöse Verhalten des Oberlandesgerichts zurückzuführen“, sagte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, der taz. Jetzt stelle sich die Frage, was aus den Kosten werde, die dadurch für die Hinterbliebenen und die Nebenkläger entstünden. „Die Justizminister sind jetzt gefordert, eine praktikable Lösung zu finden, damit diese Menschen nicht noch mehr leiden müssen“, findet Kolat.
Verschiebung in letzter Sekunde
„Ich hoffe, das Gericht wird aus seinen Fehlern lernen“, sagte Aiman Mazyek, Sprecher des Koordinierungsrats der Muslime. „Die Richter sind hier nicht nur Vertreter des Rechts, sondern auch Botschafter deutscher Rechtsstaatlichkeit in der Welt.“ Die gemeinnützige Amadeu-Antonio-Stiftung erklärte, durch die Verschiebung in letzter Sekunde reihe sich der NSU-Prozess in das „unerträgliche Staatsversagen im Umgang mit dem NSU“ ein.
Politiker aller Parteien hingegen begrüßten die Entscheidung des Münchner Gerichts, ein völlig neues Akkreditierungsverfahren zu starten, darunter auch die Mitglieder des NSU-Untersuchungsausschusses in Berlin. Der CDU-Vertreter im Ausschuss, Clemens Binninger, und der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland regten aber an, die Verhandlung zusätzlich in einen benachbarten Raum des Gerichts zu übertragen, um mehr Journalisten die Möglichkeit zu geben, den Prozess zu verfolgen.
Auch der Deutsche Journalisten-Verband zeigte sich erfreut. „Das ist die richtige Konsequenz aus der viel diskutierten Pannenserie der letzten Wochen“, sagte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken am Montag. Die türkische Zeitung Sabah hingegen bedauerte die Entscheidung. „Aus unserer Sicht ist das nur die zweitbeste Lösung“, sagte ihr Anwalt Ralf Höcker.
„Wichtig ist, dass jetzt auch den ausländischen Medien ausreichend Plätze zur Verfügung gestellt werden“, sagte die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Grünen-Chef Cem Özdemir nannte die Verschiebung des NSU-Prozesses eine zusätzliche Belastung für die Angehörigen. „Sie dürfen jetzt auf eventuellen Mehrkosten nicht sitzen bleiben“, mahnte er.
In München gab der Vorsitzende Richter im NSU-Prozess, Manfred Götzl, in einem Vermerk, der Pressestelle des Gerichts eine Mitschuld an der Verschiebung des Verfahrens. Die Pressestelle habe „einzelnen Medienvertretern bereits vorab die voraussichtliche Berücksichtigung der Akkreditierung nach der Reihenfolge der Eingänge mitgeteilt“. Zudem sei in einer E-Mail an Journalisten auf eine falsche Stelle der Verfügung zur Akkreditierung hingewiesen worden, schreibt der Senatsvorsitzende. (mit dpa)
Leser*innenkommentare
@jochen
Gast
Deutsche Richter/Justiz sind keinsewegs neutral. Weder innerdeutsch noch global.
Thailand und der Aufstand, die FDP und CSUCDU lieben Monarchen, vor allem tatkräftig und bewaffnete.
Die Konrad-Adenauer-Stiftung lud die thailändische Militärgerichtsbarkeit ein und bildete sie an der Richterakademie Wustrau aus. Der Delegationsleiter, Ackaratorn Chularat.
Erinnert an Pinochet, allgemein an die CDA und andere königstreu vaterländische Bünde die ebenfalls noch zu Verzögerung führen können. Befangeneheit der Richter!
Bsp.
http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1520
John
Gast
@ Timur
Sehr guter Kommentar!
Jared21
Gast
Die Türkei hat sich mit dem Prozess gegen den armenischen Journalisten Hrant Dink eine Peinlichkeit geleistet, die dem in München wirklich in nichts nachsteht.
Peinliche Ermittlungsfehler, Mord an einem Armenier aus rassistischen und politischen Motiven durch Rechtsextremisten.
Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine Mitschuld des Staates durch Tatenlosigkeit beanstandet.
Die gleiche Palette!
Der Hrant-Dink-Prozess war kein Ruhmesblatt weder für den türkischen Staat noch für die türkische Justiz.
Insofern ist hier Zurückhaltung von türkischer Seite durchaus angebracht.
jochen
Gast
„Die Richter sind hier nicht nur Vertreter des Rechts, sondern auch Botschafter deutscher Rechtsstaatlichkeit in der Welt.“
Falsch!!!!!
Die Richter sind ausschließlich für die Wahrheitsfindung und Anwendung bestehender
Gesetze zuständig mit einem gebotenen
Ermessensspielraum.
Wir führen keine Schauprozesse, an Gerichten
wird RECHT gesprochen!
Es kann nicht sein, dass Religonsvereine den
Gerichten drohen wollen oder hier die Marschrichtung
diktieren möchten.
Bei Strafgerichtsprozessen haben alle Religionen
sich herauszuhalten!!! Was fällt denen eigentlich
ein in ihrer Verantwortungsposition gegenüber
ihren Gläubigen die Gerichte herabzusetzen
und den säkularen Rechtsstaat in Frage zu stellen??!! Wem es nicht passt, soll gehen!
Wollen die Religionsvereine ihrerseits nun
potentiellen Terroristen Aufmunterung bieten??!
Die müssen wohl spinnen!
Dieses Verhalten, als auch die angedrohten
Terroranschläge lassen einen Prozess an
den RAF-Gerichtshof vernünftig erscheinen.
In Münschen gibt es offenbar zuviel Leute, die
Anschläge mit Unschuldigen wollen. Zumindest
treten viele als öffentliche Brandstifter auf
und schlachten das Leid der Opfer kompromißlos aus.
Jeder hat den Rechtsweg einzuhalten.
Das Prozedere der Beweismittelvernichtung durch
den Verfassungsschutz gehört dabei aufgedeckt.
Wann darf so etwas durchgeführt werden?
Auch im Bereich der von den Behörden aufgedeckten
Organisierten Kriminalität mit Netzwerken
zur Politik, behalten die Geheimdienste und die Polizei freundliches Stillschweigen. Das nützt ihnen nichts, dennoch werden sie sicherheitshalber
totgespart und mit Fussballhooligans
und Diebesbanden mit Arbeit so überbelastet, dass
komplexe Ermittlungskompetenzen nicht mehr zugelegt
werden können und viele Kapitalverbrechen unterhalb
der Wahrnehmungsschwelle stattfinden.
Fazit: Es gibt nichts besseres, um die Ermittlungs-
bemühungen zu vernichten, als ein Klima des Radikalismuses, der dann natürlich die Geheimdienste bestätigt, dass die öffentliche
Sicherheit bei Transparenz doch zu sehr gefährdet
wäre.
Radikalimus tötet, nicht heute, nicht morgen, aber mit Sicherheit irgendwann. Wer in diese Hetzspirale
mit einsteigt, macht sich mit schuldig!
Jeder der Amtsanmaßung und Volksverhetzung betreibt,
gehört angeklagt und abgeurteilt.
Wer zur Mißachtung der deutschen Justiz und zu
Terror bei Gerichtsprozessen ermuntert, gehört
von den Gerichtshäusern verbannt, gegebenenfalls
ausgewiesen und ohne Wiedereinreiseerlaubnis
für 10 Jahre belegt. Deutschland soll nicht Aufmarschgebiet für Extremisten gleich welcher Coleur werden!
Teermaschine
Gast
Grundgütiger, nur eine "mittlere" Katastrophe?
Es waren doch schon die Zimmer gebucht, viele Angehörige der Opfer haben doch schon Urlaub genommen(Für die gesamte Dauer des Prozesses, Herr Bax? Wie lange dauert denn wohl ein Prozess mit 600 Zeugen?). - Man stelle sich vor, das Verfahren wäre aufgrund einer akuten Erkrankung eines Prozessbeteiligten verschoben worden. Wie groß wäre die "Katastrophe" denn dann?
spiritofbee
Gast
Einfach nur unfähig, wie das Gericht, oder besser die Richter, mit dieser Verantwortung umgehen.
Rechtssicherheit verkommt immer mehr zu einer Farce.
Irren ist menschlich, eine öffentliche Entschuldigung wäre eher angebracht, als Schuldzuweisungen nach unten......
Muppelmaus
Gast
Den Türken kann man es nicht recht machen. Das ist gar nicht gewollt. Denn nur so kann man schön auf der Klaviatur der ewigen Opferrolle herumklimpern - und die Deutschen machen auch noch willig mit. Das Deutsche Schaf hat seinen türkischen Schlachter gefunden.
Hans Klein
Gast
Auch wenn es den Schreiberlingen der Systemmedien nicht passt: Es interessiert sich niemand fuer die Sitzplatzvergabe und fuer die Verzoegerung dieses Schauprozesses. Man soll erst mal klaeren, wer eigentlich die Morde veruebt hat und warum sich die Uwes auf mysterioese Weise selbst getoetet haben sollen. Das passt alles so nicht zusammen. Ich glaube nicht, dass das Trio unschuldig ist, aber da steckt weit mehr dahinter. Deshalb werden Details ja auch nicht mehr berichtet. Sie passen eben nicht ins Bild. Fuer mich sieht es danach aus, also ob der Verfassungsschutz da bis ueber beide Ohren drin steckt und es jetzt peinlich wird, wenn in einem offenen und fairen Prozess mit unabhaengigen Richtern wirklich die Wahrheit ans Licht kommen wuerde. Man muss die Typen festnageln und mal fragen wie Beweismittel wie Memorysticks auf einmal aus einem verheerenden Feuer geborgen werden koennen, usw. Wer war der Mann, der das Wohnmobil kurz vor der Explosion verlassen hat? Alles nicht mehr wichtig. Einen Schauprozess soll es geben. Aber das Thema umschiffen die Regierung und die Staatsmedien ja gekonnt. Waere eigentlich mal Zeit fuer kritischen, investigativen Journalismus. Aber das gibt es ja nicht mehr. In D schon gleich mal gar nicht.
vic
Gast
Mein erster Gedanke war- wenn dieser Prozess irgendwann stattfindet, kann Zschäpe aus Verjährungsgründen nicht mehr belangt werden.
Mal sehen.
zensiert
Gast
Tja, jetzt kommt das nächste Problem ins Haus. Es gibt nun mal einen eklatanten Alltagsrassismus in D. Und der lässt sich nun mal nicht so einfach mit einem Prozess wegwischen. Das dauert noch Jahrzehnte, bis so etwas in dem Maße eventuell nicht mehr vorkommt. Jeder sollte sich selbst hinterfragen, wo er/sie Vorurteile unbedacht übernimmt und verallgemeinert. Und da auch Menschen in hohen politischen Positionen und Ämtern genauso wenig von diesem Alltagsrassismus ausgeschlossen sind wie Normalsterbliche, ist es kein Wunder, dass sich das bewusste Wegsehen des Verfassungsschutzes in dieser völlig misslungenen Prozessorganisation widerspiegelt.
Munster
Gast
An der erneuten Kritik und dem Sarkasmus sieht man doch deutlich, dass das OLG machen kann was es will; es gibt Leute den kann man es einfach nicht recht machen kann, weil sie sich einfach empören WOLLEN.
Hannes Schinder
Gast
das riecht , nein, das stinkt nach Indoktrination
Zirve
Gast
Nur mal so zum Spaß gefragt:
Seit wie vielen Jahren wird der Prozess um die Ermordung von Tilmann Geske, Necati Aydın und Uğur Yüksel verschleppt?
Ach so, erst seit 2008!
Na, die türkische Justiz ist aber echt fix.
Da kann man schon mal zynisch werden.
Timur
Gast
Zitat:
Auf Facebook reagierte die Schriftstellerin und Journalistin Hatice Akyün mit Sarkasmus: „NSU-Prozess verschoben! Verfassungsschutz ist noch nicht fertig mit dem Schreddern!“ Wenig später reichte sie die zynische Vermutung nach: „Vielleicht arbeitet das OLG aber auch auf eine Verjährung hin.“
Einigen Leuten ist wohl schon vor Prozessbeginn jedes Maß an Anstand und guter Sitte abhanden gekommen.
Peinlicher als die deutsche Justiz, die hier in unsäglicher Weise beschimpft wird, ist diese sich „Journalistin“ nennende Dame.
Das was da auf Facebook hingekritzelt wurde, ist für mich nicht Sarkasmus, sondern eine bodenlose Unverschämtheit.
Kann es der türkischen Community und ihren medialen Wasserträgern überhaupt irgendwie recht gemacht werden?
Sie kommen zu spät zur Akkreditierung, schuld sind die anderen.
Ein türkisches Medium klagt vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Nichtakkreditierung, bekommt im Eilverfahren (wohlgemerkt, nicht in der Sache!) recht und das OLG München geht zurück auf Anfang, um eine für alle befriedigende Lösung zu erreichen.
Und wieder wird unqualifiziert herumgezetert, nun sei die dazu notwendige Verschiebung des Eröffnungstermins „unerträglich“.
Unerträglich ist hier vor allem das Verhalten türkischer Meinungsmacher und der Kotau deutscher Politiker und Medien vor diesen ständigen Anmaßungen!
pressewolf
Gast
Zyniker könten sich fragen warum der Prozess ausgerechnet in einem bayrischen Landgericht durchgeführt und momentan geradezu die Weg bereitet wird durch Verfahrensfehler das Verfahren zu behindern und so bis zum Bundesgerichtshof zu ziehen. Die Bemerkung des Verteidigers zur Verlegung des Prozesses spricht Bände. Fragt sich außer mir eigentlich niemand wieso die Ermordung der Polizistin so aus dem Rahmen fällt? Wem stand sie möglicherweise im Weg? Neben all den anderen furchtbaren Morden wirft Ihre Ermordung doch wichtige Fragen auf, so auch das fragwürdige Dementi ausländischer Dienste vor Ort ...