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Prozess gegen Pfarrer Lothar König„Bella Ciao“ statt „Bullen mit Steinen“

Der Jenaer Jugendpfarrer Lothar König steht wegen besonders schweren Landfriedensbruchs vor Gericht. Die Aussagen der Polizei werden durch Videos widerlegt.

Pfarrer vor Gericht: Lothar König kann noch lächeln. Bild: dpa

DRESDEN taz | Lothar König verfolgt das Geschehen im Gerichtssaal die meiste Zeit still, manchmal rollt er genervt mit dem Stuhl ein Stück zurück gegen die Wand. Plötzlich kann er sich aber nicht mehr halten.

„Frau Staatsanwältin“, ruft er und steht auf. „Da stehen vier Jahr auf dem Spiel, eine ganze Berufskarriere“, sagt er. „Sie wissen nicht, was Sie machen!“

Eben haben König und seine Verteidiger erfahren, dass in den Akten ein Protokoll fehlt – nicht zum ersten Mal in diesem Verfahren. Königs Anwalt Johannes Eisenberg glaubt, dass das Absicht der Staatsanwaltschaft ist. König, Stadtjugendpfarrer von Jena, muss sich wegen besonders schwerem Landfriedensbruch seit April vor dem Amtsgericht Dresden verantwortet. Er soll dort vor zwei Jahren bei der Antinazi-Demo Gegendemonstranten zu Gewalt gegen Polizisten angestachelt haben.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm eine ganze Reihe von Einzeltaten vor. Am Dienstag und Mittwoch geht es um das Geschehen am Nachmittag des 19. Februar 2011. Als Zeugen hat die Staatsanwaltschaft Polizisten aufzubieten. Ihre Aussagen belasten König schwer. Er soll etwa einem anderen Mann seine Mikrofonlage zur Verfügung gestellt haben, damit dieser die Menge auffordern konnte: „Deckt die Bullen mit Steinen ein!“

Alexander E. ist Leiter einer Einsatzhundertschaft der Bundespolizei. Sie hatten ihren Einsatz fast beendet, mit neun Kleinbussen waren sie auf dem Weg ins Hotel, als sich ihr Weg mit Lothar Königs blauen VW-Bus kreuzte. Vor Gericht wiederholt E: Er sei sich sicher, die Aussage so gehört zu haben, aus nächster Nähe.

Die JG Stadtmitte hat zurückgefilmt

Die Verteidigung präsentiert nun aber Polizeivideos und Videos, die die JG Stadtmitte selbst aufgenommen hat. Einer ihrer Leute filmte vom Dach des VW-Busses aus. Die Aufnahmen zeigen ein Bild, das nicht zu den Aussagen der Polizisten passt. Zu der Zeit, als die Durchsage gefallen sein soll, ist der VW-Bus längst an E.s Polizeiauto vorbeigefahren. Und vor allem: Aus dem Lautsprecher erklingt die ganze Zeit Musik: „Bella Ciao“, das italienische Partisanenlied, das unter Nazi-Gegnern zum Hit geworden ist.

Daran können sich angeblich weder E. noch seine Kollegen erinnern. „Ich habe mich in meinen Vernehmungen auf meine Erinnerung berufen“, sagt E. „Wenn Ihr Video etwas anderes zeigt, erinnere ich mich womöglich falsch.“

Auf dem Video ist ebenso zu sehen: Als König angeblich das Polizeiauto rammen will, weicht er einer Person aus, die auf die Straße gelaufen ist. Eine befragte Polizistin kann sich plötzlich nicht mehr genau erinnern, wie die Situation genau abgelaufen ist. Und im nun aufgetauchten Protokoll sprach ein Polizist davon, dass König gebremst habe. Eine Aussage also, die den Angeklagten eher entlastet.

Lautsprecher oder Megafon?

Vor Gericht drängt sich ein Verdacht auf: Haben sich die Polizisten abgesprochen? Im März 2011 sprach E. noch von „einem Lautsprecher oder einem Megafon“, von dem die Gewaltaufruf gekommen sein soll. Ein halbes Jahr später ist er sich sicher, dass es aus Königs Lautsprecher kam. Alexander E. erzählt ganz offen, dass er und seine Kollegen sich zusammengesetzt hätten, als klar war, dass es zu einem Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs kommt.

Man habe „Erinnerungen zusammengetragen“, so E. Einen Polizisten, der später befragt wird, ertappen die Verteidiger bei einer offenkundigen Lüge. Erst behauptet er, er habe seine damalige dienstliche Erklärung selbst verfasst. Dann kommt heraus: Sie stimmt zu einem Großteil wortgleich mit der überein, die vorher ein Kollege verfasst hatte.

Laut Anklageschrift soll König eine gewaltbereite Menge angeführt haben. Doch davon ist in den Videos nichts zu sehen. Zwar kann man erkennen, dass vereinzelt Gegenstände auf Polizeiautos geworfen werden. Aber der blaue VW-Bus ist da nicht in der Nähe. Und auch von der großen Menge an vermummten Demonstranten, von der die Polizisten berichten: keine Spur.

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41 Kommentare

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  • W
    wauz

    Ein Pastor als Linksextremist

     

    Klar doch, wer gegen Nazis protestiert, ist Linksextremist. Aus Sicht eines Nazis und der Staatsanwältin Ute Schmerler-Kreuzer. Ja, so heißt die gute Frau, Spiegel-online traut sich, den Namen zu nennen. Aus gutem Grund übrigens, denn diese Leute behaupten ja, das deutsche Volk zu vertreten.

    Der Richter heißt übrigens nicht Freisler. Auch seinen Namen werde ich noch herauskriegen. Es scheint in Deutschland Tradition zu sein, dass Richter anonym bleiben. Wahrscheinlich fürchten sie eine ähnliche Peinlichkeit wie einst beim Reichstagsbrand-Prozess, bei dem Georgi Dimitrow sich so wacker verteidigten, dass selbst die Nazis ihn freisprechen mussten.

    Im Übrigen: es ist Aufgabe der Presse, das Volk darüber zu informieren, was in seinem Namen geschieht.

    Hallo taz! Aufwachen! Vollständig berichten!

  • P
    Pink

    Dieser angeklagte Jugendpfarrer hat einen Orden verdient, der Justiz vor Ort sollte man den Goldenen Klappspaten verleihen !

  • PS
    Peter S.

    Ein Pastor, welcher mit Linksextremisten kumpaniert, ist eine Schande für das demokratische Deutschland.

  • E
    Egal

    Nur mal so am Rande Selbst wenn Polizisten Vereidigt werden und Lügen. Heißt das nicht Automatisch das sie ihren Job los sind. es Wird ermittelt. dann wird geschaut wie Lange lag das ereignis zurück und meistens wird die ermittlung eingestellt weil sich der Beamte einfach geiirt hat. Selber erlebt am eigenen Leib auch Bullen Lügen vor gericht oft auch ganz bewusst. Doch es glaubt kaum ein Richter oder ein Staatsanwalt das ein Staatsdiener seine Karriere gefährdet

  • T
    thor.online

    Wie sagte ein deutscher Geschichtsprofessor kürzlich so treffen: "In Sachsen lauf Dinge ab, die sich nicht einmal George Orwell hätte vorstellen können." Nun ja, Sachsen - ein Bundesland, in das ich bestimmt nicht freiwillig umziehen würde ... Repression, Klüngel und brauner Sumpf bis hoch in die Regierungsetagen ... Wer möchte da schon leben?

  • NM
    Nestor Machno

    Der Angeklagte - Anhänger der christlichen Sekte - wird wegen Feigheit vor dem Feind verurteilt - zusätzlich wird der antifaschistische "Widerstand" verurteilt, weil er es unterlassen hat von allen vier Dresdner Kirchtürmen aus die Maschinengewehre rattern zu lassen als sich 6000 Nazis versammelten. Dadurch wurde der antifaschistische Widerstand in Lächerliche gezogen und die Möglichkeit vertan mit dem Problem anständig aufzuräumen. Das Urteil lautet lebenslänglich vegane Bananen pellen.

  • H
    holger

    Es geht wie ein anderer Kommentar auch schon schreibt auch um massive Einschüchterung von Demonstranten. Wir erleben das hier in Stuttgart massiv. Es gibt hier ein paar Jungs die fast jede Demo live ins Netz streamen. Was passiert kurz darauf? Es kommt früh morgens zu Hausdurchsungen bei völlig harmlosen Bürgern und zur Beschlagnahmung des Filmmaterials. Das so öffentlich auf cams21.de sowieso zugänglich war. Zudem gibt es knapp 5000 Verfahren gegen S21 Gegner wo noch jede kleinste Regung bei einer Demo einem vorgeworfen werden kann. Das hat in Stuttgart auch mit Staatsanwalt Häussler zu tun, den aber die grün-rote Regierung wie unter Mappus Zeiten weiter wüten lässt. So wurde zum Beispiel auch das sich passive anbinden an einen Baum vor Gericht als Akt der Gewalt ausgelegt und so bestraft. Das widerspricht jeder bisherigen echtsprechung in Deutschland. Klar das Ziel ist die Demonstranten einzuschüchtern damit wieder Ruhe einkehrt und die Investoren ihre Gewinne machen können. Mit Demokratie hat das nichts mehr zu tun, was beängstigend ist, wenn man das alles nüchtern betrachtet.

  • V
    Vereidigen

    Die Verteidiger Königs sollten einfach grundsätzlich bei allen Zeugenaussagen auf Vereidigung bestehen. Wer von den Beamten dann beim Lügen erwischt wird, ist immerhin wg Meineid seinen Job für immer los und somit unschädlich gemacht

  • AD
    Avanti Dilettanti

    @tazitus

     

    "Videos können gefälscht werden. Polizeiaussagen nicht."

     

    Wollen sie damit andeuten, dass Videos wenigstens im Original "wahrhaftig" sein können, Polizeiaussagen hingegen nicht? Da bin ich ganz bei ihnen, zumindest was diesen Freisler-Gedenk-Schauprozess anbetrifft.

     

    Aber sie müssten dann schon noch erklären, warum die olizei ihre eigenen Videos fälscht um damit den von ihnen Beschuldigten zu entlasten und gleichzeitig sich selbst als dilettantische Lügner zu demaskieren. Die Vermutung eines "schlechten Gewissens" als Motiv würde ich dabei allerdings ausschliessen - setzt diese Theorie doch die Anwesenheit eines Gewissens vorraus.

  • J
    Jürgen

    Die Staatsanwältin Schmerler-Kreuzer scheint eine sehr zielorientiert arbeitende Staatsanwätin im Bereich Staatsschutz zu sein.

     

    Wenn diese Staatsanwältin tatsächlich entlastendes Material nicht dem Gericht vorlegt oder nicht schon im Rahmen der Anklageerhebung entsprechend würdigt, macht diese Staatsanwältin sich dann nicht strafbar?

     

    Erhält die Staatsanwältin bei der Bewertung ihrer Arbeit durch ihren Dienstherrn für ein solches Vorgehen Punkte abgezogen oder gibt es dafür in Sachsen Zusatzpunkte (es geht ja gegen Bürger, die die Ruhe im Land durch ihre ständigen Verweise auf den in Sachsen besonders breit verankerten Ausländerhass stören).

  • A
    anke

    Noch deutlich mehr als davor, sich bundesweit bis auf die (vobn hier aus recht morsch wirkenden) Knochen zu blamieren, fürchtet die Staatsanwältin offensichtlich etwas oder jemanden, das oder der lieber nicht öffentlich auftreten möchte. Damals, als es noch einen so called investigativen Journalismus gab und nicht nur selber Abgeschriebenes, hätten die taz-Leser womöglich auch erfahren, wer oder was der oder das große Unbekannte ist. Aber heute ist ja nicht früher. Heute ist Fortschritt. Und vom NSU-Prozess berichtet die Brigitte. Macht ja auch nichts.

  • U
    Ungläubiger

    @ jenseits von böse: schön gesagt und auf den Punkt gebracht, vor allem der dritte Absatz.

     

    Wenn das ganze nicht so gruselig und bedenklich wäre, man würde nicht mehr aus dem lachen herauskommen, ob dieser farce. Unser Staat macht sich doch seit Jahren nur noch lächerlich. Hier werden hunderte Millionen euros verbrannt für überflüssigen scheiß und Menschen, die sich gegen rechtes pack wehren sollen mundtot und diskreditiert werden. Das ist doch alles nicht mehr wahr!

     

    Ich glaube niemand würde mehr auf die straße gehen, hätte das Verteidigungsministerium die 600 mio Euro für Euro hawk unter allen Bürgern verteilt. Selbst wenn jeder nur 1 Million erhalten hätte, inklusive aller Kinder, bis zu den Säuglingen, warten immer noch über 500 Millionen übrig um damit zum Beispiel Straßen zu sanieren oder Kindergarten zu finanzieren. Und was das die so oft angebetete Binnennachfrage angekurbelt hätte! Ich wurde mir erstmal ein auto kaufen und einen pornösen Computer, mit einer obszön leistungsfähigen Grafikkarte. Das ist auch total überflüssig, macht aber wenigstens Spaß!

     

    Wir leben in einer seltsamen Welt, in der das eine gepredigt und verlangt wird, von seiten der Politiker und immer, immer, immer wieder nur bis zur Schulter in die Scheiße gegriffen wird!

  • L
    lowandorder

    mailmotten ? - oder was? 2.0

     

     

    @von Supi:

    1."Man sollte meinen, dass die meisten Hundertschaftler zu jung seien, um ihr Handwerk noch unter dem alten Regime gelernt zu haben."

    2."Könnten solche Prozesse also genauso auch in anderen Bundesländern ablaufen?"

     

    zu 1. Die Frage des Alters stellt sich so nicht;

    weil - organisationssoziologisch bekannt ist,

    daß sich bestimmte Verhaltensabläufe strukturell

    über " Generationen" perpetuieren, also sich als " gängig " halten

    und tradieren. Je stärker ausgebildet der Korpsgeist,

    umso wetterfester die inneren Abläufe.

    Extrembeispiel die Schlapphüte - nahezu wasse- und sauerstoffdicht abgeschottet.

    zu 2. also kann und - ist solches nicht nur in Dunkeldeutschland

    möglich und passiert.

    Beispiel: " Hamburger Kessel" - so viele Balken hatten die Gerichte

    gar nicht, die da gebogen worden sind; dreist und abgesprochen

    gelogen:" die schwarzen Streifen an den Autos ( Gummiknüppel)?

    da sind wohl Blumentöpfe von den Balkonen gefallen!!"

    usw usf.

     

    Als mit 20 Jahren Dienstrecht gesegneter verwundert mich, was jetzt

    zu Tage tritt kein bißchen; vielmehr ist genau das erwartet,

    weil es meiner beruflichen Erfahrung entspricht.

    Es verwundert lediglich - aber zum Glück von König -

    wie dilettantisch hier die Polizei, die einzelnen Polizisten sich

    verhält/ verhalten( ironisch gesprochen - das wirkt noch ungeübt).

     

    Beispiel - verschwundenes Protokoll;

    ja eine der Standardspielchen

    - nur, Aktenfrisieren will gekonnt sein;

    zumal in Zeiten der digitalen Technik.

    Das mußte schon Markus Wolff erfahren,

    daß Datenschrott über Bänder

    die Maulwürfe im Endeffekt nicht deckt.

     

    Und schließlich - der Zeugenbeweis!

    Bekanntlich ohnehin der schlechteste Beweis.

    Hier noch gesteigert durch nachträgliche Absprachen.

    Das führt oft und so auch hier zu subjektiv für

    wahr gehaltene Angaben, die mit den wirklichen

    Anläufen am Ende nichts, aber auch gar nichts

    mehr gemein haben; im Gegenteil - und noch anders.

    Ein kluger Richter nagelt deswegen die Beamten eher

    nicht fest, sondern baut Auswege.

    In der Sache aber befindet er kühl,

    daß die Angaben nicht verwertbar sind;

    was sie objektiv in einer solchen Konstellation

    auch nicht sind.

    Der StA bleibt dann nur noch, ebenfalls Freispruch

    zu beantragen,

     

    Und - schön ist doch die musikalische Palette:

    von nicht erkannten Stones zu " unna mattina…"

    des Bella Ciao.

  • QI
    "Ermittlungspannen" im NSU Verfahren

    @ ober_spiesser:"Wie anders wären denn sonst z.B. die ganze Flut an Ermittlungspannen im NSU-Verfahren zu erklären."

     

    DIE 68er REDETEN GROSSARTIG VOM MARSCH DURCH DIE INSTITUTIONEN UND DIE NAZIS HABEN'S DANN GEMACHT!!!

     

    So eine Burschenschaft z.B. ist nix anderes, als eine Seilschaft zwischen Generationen. Alte Nazis bringen junge Nazis in's Amt. Sowas wie der Radikalenerlass galt immer nur für links, niemals für rechts-sympathisierende Staatsanwälte, Polizisten oder gar Geheimdienstler. Schon als der Verfassungsschutz gegründet wurde fanden die Deutschen es toll, einen bekannten, "bewährten" SS-Nazi als Chef der "Behörde" einzusetzen. Was soll aus so einer Denke denn schon rauskommen, auf lange Sicht? Eine nazifreie Exekutive jedenfalls nicht.

  • J
    Jappie

    @Bitbändiger: *Mir scheint, die Staatsanwaltschaft Dresden hätte ... eine Überprüfung in diese Richtung redlich vedient.* - und was soll da rauskommen, in Sachsen?!? Wo selbst minderjährige Zwangsprostituierte noch zu Tätern gemacht werden (Stichwort: Sachsensumpf)?!?

    Erleben Sie einfach mal Sächsische Gerechtigkeit *Made in Dresden 2013* - Bajuwarische Klüngeleien wird Ihnen wie der Hort der Demokratie erscheinen. Willkommen in der Realität!

     

    :(

  • B
    Bitbändiger

    Nur am Rande erwähnt der Artikel ein "nun aufgetauchtes Protokoll". In anderen Medien ist deutlicher zu lesen, dass offenbar mehrere frühere den Angeklagten entlastende Zeugenaussagen keinen Eingang in die Prozessakten gefunden haben.

     

    Für einen "Amtsträger" (hier: Staatsanwalt), "der zur Mitwirkung an einem Strafverfahren [...] berufen ist, absichtlich oder wissentlich einen Unschuldigen [...] strafrechtlich verfolgt oder auf eine solche Verfolgung hinwirkt", sieht unser Strafgesetzbuch in § 344 eine Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren vor. Mir scheint, die Staatsanwaltschaft Dresden hätte - nicht erst mit diesem Fall - eine Überprüfung in diese Richtung redlich vedient.

  • L
    lui

    soll da ein exempel statuiert werden? warum? was sind die beweggründe einen demokratiefreundlichen zu verurteilen? was geht da vor? muss ich mich jetzt auch mit einer ständig laufenden videokamera bestücken, um nicht von staatsbedienstetn - die die demokratie schützen sollen - um meine grundrechte gebracht zu werden? mir ist das wirklich unheimlich, was ich da lese.

  • JV
    Jenseits von Böse

    @ Supi:

     

    Mach dir keine Illusionen: die spezielle Dresdner Rechtspflege verstrahlt zwar ein gewisses Lokalkolorit, um nicht von "odeur" zu reden, aber die Geisteshaltung ist gesamtdeutsch. Es braucht keine DDR-Vergangenheit, um rechtes staatliches Denken zu verkörpern. Der unheilvolle Korpsgeist von Bereitschaftspolizisten, eine obrigkeitshörige Justiz und unser mit Rechts fraternisierender Verfassungsschutz sind nur die hässliche Kehrseite einer Gesellschaft, die sich nicht entschlossen wehrt.

     

    Solange das Merkel satte Mehrheiten einfährt, solange Friede Springer und Liz Mohn ihrer Regierungsmarionette ungestört von der Tribüne des Bundestags zuwinken können, solange wir mit dem Finger auf Minderheiten zeigen, die noch ärmer dran sind als wir, statt uns zu solidarisieren, solange wird uns jener staatsgewaltige Polizist im Dresdner Prozess, 5. Verhandlungstag, weiter ungestraft als Mob bezeichnen können.

     

    Nein, der meinte damit nicht die braunen Horden, sondern die Zivilgesellschaft, die sich gegen diese Heimsuchung der Demokratie gewehrt hat. Wird höchste Zeit, ihm seinen obersten Dienstherrn vorzustellen: Wir sind's, der Mob! Steht jedenfalls so in unserer Verfassung. Da heissen wir allerdings nicht "Mob", sondern "Souverän". Jetzt müssen wir diesen Anspruch nur noch vom Papier auf die Straße bringen: Dresden ist überall.

  • A
    as140

    @ Supi: Vielleicht ist er unschuldig, aber mit irgendeinem "Regime" hat das nichts zu tun. Offensichtlich wurden die Polizisten mit Steinen beworfen, was ein klarer Gewaltakt ist. Derjenige, der dazu aufgehetzt hat, sollte sich auch vor Gericht dafür zu verantworten haben.

  • WF
    Was fehlt in diesem Artikel

    1) Der Hauptzeuge der Polizei, "E.", hat offensichtlich gelogen. Der Richter lehnte es trotzdem, (oder gerade deshalb?) mehrfach ab, den Zeugen "E." zu vereidigen.

     

    2) Pfarrer König braucht dringend Spenden zur Deckung der Prozesskosten! Da die TAZ vermutlich nicht mutig genug ist, einen entsprechenden Link zu posten, wird Spendern empfohlen per Google die Seite der JG-Stadtmitte in Jena zu finden.

    • @Was fehlt in diesem Artikel:

      Wenn ein Richter vermutet, dass ein Zeuge lügt, darf er ihn nicht vereidigen. Auch Richter sollen nicht auf einen Meineid hinwirken. Doch auch die uneidliche Falschaussage vor Gericht ist strafbar. Wenn die Staatsanwaltschaft wollte, hätte sie also die Falschaussagen ahnden können. Nur sitzt die Staatsanwaltschaft hier mit im Boot der Falschbeschuldigung und ist zudem politisch weisungsgebunden und verfolgt daher nur diejenigen, die verfolgt werden sollen.

  • A
    achojo

    "Könnten solche Prozesse also genauso auch in anderen Bundesländern ablaufen?"

     

    Sie könnten es nicht nur Sie tun es auch. Beispielsweise seien hier die Prozesse rund um Stuttgart 21 genannt. Ich empfehle, einfach mal nach Bernhard Häußler zu googlen. Auch dort gab es Verfahren, die erst eingestellt wurden, als Filme von Seiten der Demonstranten gezeigt wurden. Ein anderes Beispiel ist Gustl Mollath. Ich persönlich glaube nicht mehr, dass Deutschland ein Rechtsstaat ist.

  • H
    highks

    Man sollte bei diesem Fall wohl davon ausgehen können, dass ein Großteil der Polizeieinsatzkräfte sowie auch die Staatsanwaltschaft ideologisch dem rechten Rand angehören.

     

    Anders kann man sich diese an den Haaren herbeigezogene Anklage nicht erklären.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Wir Sachsen haben es nicht verdient auf diese Weise von der eigenen Polizei und der Dresdner Staatsanwaltschaft derart lächerlich gemacht zu werden. Diesen Justiz- Blödsinn werden wir mit unserem Charme und dem überaus edlen Wohlklanges unseres Dialektes nicht mehr ausgleichen können. Und das schmerzt! Wenn das so weiter geht, hören weder die die Sachsen- noch die Polizeiwitze auf. Als Wähler habe ich meine Schlussfolgerungen freilich gezogen. So kann es ja wirklich nicht mehr weiter gehen. Dieser Prozess ist eine Schande für unseren Freistaat. Müssen wir Bürger jetzt überall Videokameras mitschleppen, um zu erwartende Falschaussagen der Polizei wiederlegen zu können? Wenn ein Polizist beim Einsatz Brille und Hörgerät vergisst, sieht und hört er was er will? Das kann uns doch nicht egal sein! Das Sachsenland gehört uns Demokraten. Das sich eine Staatsanwaltschaft sich ungehindert so verrennen kann, wird doch hoffentlich nicht noch zur Witzgrundlage für die ganze sächsische Justiz? Dann müssen wir uns wohl mit noch hochdeutsch tarnen, wenn wir mal in demokratische Länder kommen? Or, Neeee!

  • I
    igc

    Im Artikel bei SPIEGELonline werden Aussagen von Polizisten während des Prozesses zitiert, die den Pfarrer grundsätzlich entlasten. Und das nicht erst im Nachhinein, sondern bereits als sie von der Staatsanwaltschaft dazu befragt wurden. Nur, diese Aussagen fehlen jetzt in den Ermittlungsakten.

     

    Ich denke also, dass eher die Handlungen der Staatsanwaltschaft zu hinterfragen sind. Die trägt die schließlich die Ermittlungsergebnisse zusammen und erhebt die Anklage.

  • B
    Benj

    ja unsere gute Exekutive Gewalt, und die Justiz,

     

    wie war das nochmal mit der NSU,

     

    ist es nicht vielleicht logisch, dass jemand der offen gegen Rechtsextremismus Stellung bezieht ein schwerer Landfriedensbrecher ist, wenn eine rechte Terrorzelle über ein Jahrzehnt vermutlich gedeckt und unterstützt wird?

     

    Hasta la victoria!

  • A
    autocrator

    dass der ganze prozeß eine einzige farce ist und dies auch von vorneherein klar war, und wenn jetzt noch die ganzen "handwerklichen" fehler (abgesprochene aussagen, fehlende protokolle, "erinnerungs"schwierigkeiten etc.) stellt sich schon die frage: warum wird dieses schmierentheater überhaupt noch weiter durchgezogen?

     

    um die sache selbst kann es nicht gehen: am ende wird die staatsanwaltschaft selbst den freispruch beantragen. Ich vermute, es soll eine drohkulisse aufgebaut werden: auch wenn wir verlieren, wir verwickeln euch in zeitintensive, nervenaufreibende, euch von anderen tätigkeiten abhaltende prozesse, bei denen man ja auch nie weiss, was so alles rauskommt, wenn man nur lange genug bohrt, bzw. wenn lange genug mit dreck geworfen wird, bleibt schon irgendwas kleben.

     

    In anderen zusammenhängen würde man wohl von mobbing reden - und zwar von gezieltem und ganz bewusst durchgezogenem mobbing. Platt: man verbreitet angst. - und beschneidet damit die demokratischen grundrechte:

    denn wer traut sich schon, auf eine demo zu gehen oder eine solche gar zu organisieren, wenn ihm hinterher eine jahrelanger prozeß an den hals gehängt wird?

  • G
    Geräusch

    Die Bereitschaftspolizisten sind ganz offensichtlich zu jung um noch bei der StaSi gelernt zu haben. Sonst wären sie wohl nicht nur deutlich subtiler, sondern vor allem erfolgreicher vorgegangen. Für Herrn König ein Glück, für Deutschland allerdings ein weiteres Armutszeugnis, denn diese Inkompetenz kommt ja leider besonders gegenüber rechten Gewalttätern zum Tragen, wo fehlendes Können auch noch auf mangelnde Motivation trifft...

  • S
    Sontag

    Mittlerweile wird aus politischen Gründen gelogen, dass sich die Balken biegen: Im NSU-Ausschuss stellen sich die Leute vom Verfassungsschutz lieber als inkompetent und dusselig dar, als dass sie die Wahrheit sagen. Im Fall Molath ist von haarsträubenden Versehen die Rede (der Richter hatte die Schriftsätze der Verteidigung angeblich aus Zeitgründen nicht gelesen, bevor er ein Urteil fällte) und hier: dasselbe Bild. Es ist langsam ekelerregend. Schämt sich denn da keiner?

  • O
    ober_spiesser

    Das war in den 1920er und 30er Jahren bereits ganz ähnlich: Rechtsextreme Gewalt blieb meist ungeahndet, Gewalt von links wurde immer geahndet, nicht selten mit Zuchthaus oder schlimmer.

    Die Geschichte wiederholt sich. Wir müssen uns eingestehen: das braune Bewusstsein ist nicht nur noch lange nicht aus dem Bewusstsein verschwunden, sondern es ist immer noch so, dass Gewalt von rechts mit wesentlich breiterer Unterstützung rechnen kann als die von links (nur mal zur Klarstellung: ich verabscheue JEDE Art von Gewalt, egal von welcher Seite). Wie anders wären denn sonst z.B. die ganze Flut an Ermittlungspannen im NSU-Verfahren zu erklären. Es riecht nach Bananenrepublik: Die Linke als Extrem-Terroristen hinstellen und jede zweite Nazi-Straftat verschwindet in Reißwölfen.Macht sich mal irgendwann einer Gedanken um unsere Außenwirkung im Ausland? Irgendwann muss man wieder anfangen, sich für unser Land zu schmen.

  • W
    wernerinitaly

    ab wann ist eigentlich die Schwelle zur kriminellen Vereinigung erreicht?

     

    ich meine Absprache und Planung von Verbrechen ec.?

     

    und ich denke dabei an die Polizei, im Verein mit der Staatsanwaltschaft ...

     

     

    und wer bringt sowas dann wo zur Anzeige?

  • UM
    Ullrich Mies

    Prozesse wie in Militärdiktaturen scheinen in Sachsen nicht selten zu sein.

    ...und Staatsanwaltschaften sind auf Grund ihrer Weisungsgebundenheit in Deutschland nichts anderes als der juristische Herrschaftsarm der Exekutive.

  • D
    drui

    Mehrere lügende und ihre "Augenzeugenberichte" plagiierende Polizisten/ Polizistinnen, eine Staatsanwältin, die massenweise und wiederholt Beweismaterial unterdrückt, ein Richter, der trotz Aufforderung die offenkundig und erbärmlich schlecht lügende "Staatsmacht" nicht vereidigen lässt: Willkommen im Reich der sächsischen Justiz!

  • DW
    damals wars

    Die Staatsanwaltschaft hat ganze Arbeit geleistet.

    Nichts gesehen, nichts gehört und das gesagte besteht nur aus Lügen.

    Ciao Ciao, egal, wie das Urteil ausfällt, es wird sowieso kassiert.

  • W
    wütend!

    König und Tim H. werden angeklagt, die NAzis lässt man morden und stattet sie mit Waffen aus.

    Toller Staat

    tolles Land

    tolle Staatsanwaltschaft Dresden.

  • T
    tazitus

    Videos können gefälscht werden. Polizeiaussagen nicht.

  • B
    Ben

    Ich wünsche Herrn König sehr, dass er das bald hinter sich hat. Das ist unerträglich.

     

    @supi

    Solche Prozesse laufen z.B. auch in Stuttgart gegen S21 Gegner ab. Auch hier wurden vor kurzem bei einem Prozess erst durch ein selbstgedrehtes Video die Aussagen der Polizisten klar widerlegt. Zudem kam sogar noch heraus, dass die Polizei selbst entlastendes Material gefilmt hatte, das sie aber bewusst nicht im Prozess erwähnt hat. Am Ende kam es zu keiner Anklage, der Richter hat der Polizei trotz deren betrügerischeren Absicht aber keinen Vorwurf gemacht. Die decken sich gegenseitig.

    Das ist nur ein Fall. Es gibt weitere Fälle, die sogar bis zum Vorwurf schwerer Körperverletzung bei einem Zivilpolizisten gehen, obwohl es auch da Video-Material gibt das was anderes zeigt, das aber im Prozess nicht gezeigt werden darf.

     

    Man kann nur empfehlen jede Demo mit soviel wie möglichen Kameras zu dokumentieren. Denn die Welt, die Welt die sich die Polizisten und Staatsanwaltschaften zusammen dichten beruht oft mehr auf deren voreingenommenen Weltsicht als auf der Realität.

  • S
    sebst

    Ich möchte gerne noch einmal auf die Seite http://soligruppe.jg-stadtmitte.de/ verweisen. Hier kann man das gesamte "Verfahren" aus Sicht der jg nachlesen. Wenn es nicht um so viel ginge könnte man kotzen, bei Polizisten die sich nicht mehr oder immer wieder anders erinnern, die lächeln wenn ein Video gezeigt wird, bei dem ein Mann mit Schlagstöcken am Kopf getroffen wird, einer Staatsanwaltschaft die sich zur Aktenlage nicht äußern möchte usw.

    aber lest am besten selbst.

  • MT
    Martin Tschernig

    Sachsen gleitet, in Sachen Demokratie, in ein gefährliches Fahrwasser! Unser Ministerpräsident Wladimir Tillich oder Stanislaw Putin ... oder so, lebt die Arroganz der Macht vor und seine Bediensteten tun ihm einfach nur nach. Das sächsische Versammlungsgesetz ist eine Katastrophe! Aber der Sachse protestiert nicht und duckt ab. Ich als Preuße in Sachsen, muß das so feststellen.

    Ich habe Angst davor mein schönes Bundesland in Aufzählungen von Ländern wie die Ukraine, Russland oder Ungarn wiederzufinden.

     

    Martin Tschernig

  • RB
    Rainer B.

    In anderen Bundesländern wäre eine solche Anklage gar nicht erst zur Verhandlung zugelassen worden. Hier wirft eine ultrarechte Staatsanwaltschaft verzweifelt mit dem Dreck, in dem sie selbst bis zum Halse steckt.

  • S
    Supi

    Man sollte meinen, dass die meisten Hundertschaftler zu jung seien, um ihr Handwerk noch unter dem alten Regime gelernt zu haben. Könnten solche Prozesse also genauso auch in anderen Bundesländern ablaufen?

     

    Und nochmal zum Thema Kameraüberwachung: Gäbe es keine Videoaufzeichnungen, würde König wohl aufgrund der Aussagen der Polizisten verurteilt werden! Ich fühle mich sehr an den Vorfall in Berlin mit dem "Mann in Blau" erinnert.