piwik no script img

RepressionAbschiebeknast droht zu bleiben

Eigentlich sollte das marode Gebäude in Grünau geschlossen werden. Nun wird über eine teilweise Weiternutzung nachgedacht.

Viel zu groß: Abschiebeknast Grünau Bild: dpa

Der Abschiebeknast in Grünau wird möglicherweise doch nicht geschlossen. Das teilte ein Sprecher von Innensenator Frank Henkel (CDU) der taz mit. „In unserem Haus wird zurzeit geprüft, welche Möglichkeiten einen wirtschaftlichen Betrieb des Abschiebungsvollzugs zulassen. Nicht alle denkbaren Alternativen stellen dabei auf die Aufgabe der Liegenschaft ab“, heißt es in der Antwort auf eine Anfrage der taz. Geprüft würden ausdrücklich „alle denkbaren Optionen“, also etwa Abriss und Neubau eines kleineren Gebäudes, aber auch eine Beschränkung auf einzelne Teile des Gebäudes.

Seit Jahren ist der ehemalige DDR-Frauenknast als Abschiebegewahrsam viel zu groß. Von den 214 Haftplätzen wurden 2011 wurden durchschnittlich 46 genutzt, im ersten Halbjahr 2012 waren es nur noch 23. Seitdem ist nach Angaben der Innenverwaltung die Belegung nicht signifikant gestiegen – obwohl die Flüchtlingszahlen in Berlin gestiegen sind. Am vergangenen Freitag saßen lediglich vier Personen in Grünau ein.

Schon seit drei Jahren wird darum über einen Umzug des Abschiebeknastes aus dem viel zu teuren und von Grund auf sanierungsbedürftigen Gebäude nachgedacht und eine Zusammenlegung mit der Brandenburger Abschiebehaftanstalt erwogen. Auch eine solche Prüfung ist nach Angaben der Innenverwaltung „noch nicht abgeschlossen“.

Keine Antwort aus Berlin

Dass Brandenburg seinem Nachbarland Berlin angeboten hat, den Abschiebeknast in Eisenhüttenstadt mitzunutzen, bestätigte der Sprecher des Potsdamer Innenministeriums gegenüber der taz. „Das Gebäude ist ausreichend groß, modern und nicht sanierungsbedürftig. Eine Antwort aus Berlin auf unser Angebot steht aus.“ Das Problem: Eisenhüttenstadt liegt im äußersten Südosten Brandenburgs an der Grenze zu Polen. Anwälten und Verwandten vieler Insassen würde es nicht möglich sein, dorthin zu fahren, wenn es nötig ist. Und auch Dolmetscher für Persisch oder seltene afrikanische Sprachen sind in der Neißestadt nicht aufzutreiben. Die Berliner Oppositionsparteien fordern deshalb die Abschaffung der Abschiebehaft oder ein kleines Gebäude in Berlin.

Den gerade erst erbauten und völlig leer stehenden Verwahrbereich auf dem BER-Gelände mit 30 Haftplätzen als Abschiebeknast zu nutzen ist juristisch nicht möglich, solange die Bundesregierung am Flughafenasylverfahren festhält. Denn das setzt voraus, dass sich die Neuankömmlinge in einem Raum aufhalten, der als exterritorial definiert wird. Eine Nutzung dieses Gebäudes für weitere Aufgaben ließe diese fragile rechtliche Konstruktion zerbrechen.

Der Bezirk Treptow-Köpenick hatte schon eine andere Verwendung des Grünauer Knastgebäudes geplant. Nach der Schließung sollten Stacheldraht und Schließeinrichtungen abgebaut und das Gefängnis in eine dringend benötigte Unterkunft für Flüchtlinge verwandelt werden. Wegen der maroden Substanz stand hinter der Realisierung aber ohnehin ein Fragezeichen. Im Falle einer Weiternutzung als Knast lehnt Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD) das ab. „Eine gemeinsame Nutzung an einem Standort, also Flüchtlingsheim und Abschiebegewahrsam, halte ich persönlich für unglücklich. Die einen Flüchtlinge hinter Gittern und Stacheldraht, die anderen im Heim – das passt nicht.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • M
    Mark

    Eine spezielle Abschiebungshaftanstalt wird von Berlin gebraucht, weil Abschiebungshäftlinge grundsätzlich nicht wie Straftäter behandelt werden dürfen und auch nicht mit Straftätern zusammen untergebracht werden dürfen, das regelt die EU-Rückführungsrichtlinie. Die neue Flughafenunterkunft am BER kommt dafür eher nicht in Betracht, weil sie in Brandenburg liegt und auch nicht für eine Haftunterbringung geeignet ist (keine Gitter an den Fenstern, über den Zaun um das Gelände kann man rüberklettern). Rein rechtlich ginge eine Haftunterbringung, Brandenburg könnte auch Asylbewerber aus der überfüllten Unterkunft in Eisenhüttenstadt dort unterbringen. Das Gelände mit der Unterkunft ist nicht exterritorial, es ist bloßß eingezäunt. Die Besonderheit für Asylbewerber im Flughafenverfahren besteht vor allem darin, dass sie das Gelände nur in polizeilicher Begleitung verlassen dürfen, ansonsten gelten sie als eingereist und das Flughafenverfahren ist zu Ende. In der Praxis wird übrigens mehr als 90 % der Asylsuchenden die Einreise gestattet, sie reisen dann ganz legal ein und durchlaufen ein normales Asylverfahren.

  • M
    Magy

    Abschiebehaft ist mit dem Psychoterror eines Asylverfahrens das Schlimmste was man den Leuten antun kann.

     

    Es ist auch nicht nachvollziehbar warum man das so betreibt.

  • I
    Irmi

    Wenn ein Ausländer eine oder mehrere Straftaten begangen hat und die Gefahr besteht abzutauchen, ist Abschiebehaft sinnvoll.

     

    Wenn aber jemand geflüchtet ist aus seinem Land, bereit ist zu arbeiten, sich zu integrieren ist für mich eine Abschiebehaft Freiheitsberaubung und somit nicht zulässig. Die schlimmste Art ist für mich, wenn man sogar Jugendliche bis zu 18 Monate in Haft hält obwohl sie nichts verbrochen haben wie die anderen Flüchtlinge auch in Freiheit zu leben und Geld zu verdienen um ihren Familien weit weg zu helfen wie z.B. Afrikaner.