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Kommentar Britischer GeheimdienstNeue Dimension der Überwachung

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Dem „Guardian“ zufolge überwacht der britische Geheimdienst fast flächendeckend den transatlantischen Datenverkehr. Übertreibt die Zeitung?

GCHQ-Anlage in Cornwall: Alles wird zentral gespeichert Bild: reuters

S ie wollen alles prüfen, alles speichern, alles auswerten. Wer Geheimdienste und Geheimpolizeien einfach machen lässt, der muss damit rechnen, dass sie einen Überwachungsstaat aufbauen. Das zeigen auch die neuen Enthüllungen der britischen Zeitung Guardian.

Dem Guardian zufolge überwacht der britische Geheimdienst GCHQ fast flächendeckend den transatlantischen Telefon- und Internetverkehr. Dabei speichert er alle erfassten Kommunikationsinhalte drei Tage lang und die Verkehrsdaten („Wer kommuniziert wo mit wem wie lange?“) sogar für 30 Tage. Dass Großbritannien hier in eine neue Dimension der Überwachung vorstößt, zeigt ein Vergleich mit der Vorratsdatenspeicherung in der Telekommunikation, wie sie in Europa (außer Deutschland) seit 2008 praktiziert wird.

Der GCHQ speichert auch die Inhalte der Kommunikation, nicht nur Verkehrsdaten. Der GCHQ speichert die Daten zentral, während sie bei der Vorratsspeicherung dezentral bei den Telekom-Firmen bleiben. Der GCHQ wertet alle Daten aktiv aus, während die Polizei die Daten aus der Vorratsspeicherung nur im Verdachtsfall nutzen kann.

Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.

Leider teilen der Guardian und sein Informant Edward Snowden nicht mit, was der englische Geheimdienst mit den Daten anfängt. Werden sie nur auf Suchworte und verdächtige Kommunikationsteilnehmer hin gescannt, so wie es der deutsche Bundesnachrichtendienst schon seit Jahrzehnten praktiziert? Oder werden die gespeicherten Daten miteinander verknüpft, um Bewegungsbilder, Kommunikationsprofile und andere Erkenntnisse zu gewinnen? Die Analyse solch gewaltiger Datenmengen („Big Data“) ist eine neuere Entwicklung und würde erklären, warum es das enthüllte GCHQ-Programm Tempora erst seit 18 Monaten gibt.

Etwas seltsam mutet allerdings an, dass die britische Zeitung zunächst einmal das Ausspähprogramm Prism der US-Geheimdienste enthüllte (angeblich das größte bisher gekannte), um dann zwei Wochen später Informationen über das heimisch-britische Pendant Tempora zu veröffentlichen, das nun noch gewaltiger als Prism sein soll. Möglicherweise hat der Guardian bei der Darstellung des US-Überwachungsprogramms doch etwas übertrieben. Auch Journalisten und Whistleblowern sollte nicht blind vertraut werden.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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4 Kommentare

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  • V
    Volksverdummung

    @Jean

    1. Darauf muss man erst mal kommen: ...die Komplettüberwachung des Telefon- und Datenverkehrs, seitens britischer und US-amerikanischer "Freaks", nachträglich ausgerechnet mit dem Terrorpotential brauner Kameradschaften und diverser germanischer Verfassungsschutzbehörden zu begründen...

     

    Wo haben Sie das gelesen?

    Zitat: "...Es bleibt bei den Briten vermutlich der Verdacht, dass relevante Teile deutscher Behörden durch Neonazis unterwandert sind. Wenn man diese Szene auch von ausländischer Seite aufzuklären versucht, hat das auch ihr Gutes..."

     

    Wie soll man sich das konkret vorstellen? Wem würden diesbezüglich erlauschte Erkenntnisse nutzen, wenn "vermutlich...relevante Teile deutscher Behörden" unterwandert sind?

    "Wenn man...von ausländischer Seite aufzuklären versucht...", dann hat das bisher auch nichts zur Aufdeckung brauner Untaten geholfen, weder in der Vergangenheit, noch in der Gegenwart.

    Nicht nur die Akten "unserer" sich selbst kontrollierenden VS-behörden, sondern auch "Erkenntnisse" ausländischer Dienste werden Aussenstehenden, gewiss aber der Öffentlichkeit -hier wie dort-, vorenthalten.

    .

    2. Wer irgendeine "Szene", "Karnevalsverein", oder Kegelclub nachrichtendienstlich aufklären will (oder eventuell auch muss), braucht dafür keine Totalüberwachung aller Bürger; aber wenn jemand behauptet, dass eine Totalüberwachung unverzichtbar ist, um Polizeiarbeit zu leisten (spezielle Verbrechens- und Terrorismusverfolgung), dann ist davon auszugehen, dass nicht die Kriminalitätsbekämpfung, sondern die lückenlose Überwachung Aller das Hauptziel ist.

    .

    HESSE

    .

  • J
    Jean

    In der nun bekannt geworden Abhöraktion deutscher Kommunikation durch Britische Geheimdienste offenbart sich ein tiefes Misstrauen der Briten gegenüber den Deutschen. Leider ist dieses Misstrauen durch das Auftreten mancher (Landes-) Verfassungsschützer im NSU-Untersuchungsausschuss eher befeuert worden. In die gleiche Richtung wirkt das völlige Versagen deutscher Ermittlungsbehörden im bei der Aufdeckung der NSU-Mordserie. Es bleibt bei den Briten vermutlich der Verdacht, dass relevante Teile deutscher Behörden durch Neonazis unterwandert sind. Wenn man diese Szene auch von ausländischer Seite aufzuklären versucht, hat das auch ihr Gutes.

  • A
    ajf

    Wie kommt Herr Rath den darauf, dass nur weil der Guardian jetzt in manchen Aspekten noch weitergehende Ueberwachung aufdeckt, die Enthuellungen davor uebertrieben waren? Wer die Totalueberwachung aller Telefon- und Internetverbindungen verharmlosen will, sollte wenigstens so tun, als haetter er ein Argument.

  • V
    Volksverdummung

    Übertätern auf der Spur? - oder: "Neue Dimension der Überwachung".

    Sollte man nicht wenigstens die richtigen Fragen stellen?

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    1. Glaubwürdigkeit...?

    Während Teile der Medien ausführlich, investigativ-aufklärerisch, über illegitime Überwachungsprogramme von Regierungen, Geheimdiensten und "kooperierenden" Unternehmen berichten, sind subtiler arbeitende Mitarbeiter bemüht, geheimdienstkritische Informanten als "Spione", "Terrorhelfer" u. "Nestbeschmutzer" in Verruf zu bringen.

    Durchsichtiges Operationsziel: Die Glaubwürdigkeit der Enthüller (whistleblower) öffentlich in Zweifel zu ziehen!

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    2. Ahnungslosigkeit...?

    Der "guardian" hat einen guten Job gemacht, und er wird erst dann beendet sein, wenn auch in Ländern wie Deutschland endlich damit begonnen wird, ernsthafte Fragen zu stellen, anstatt sich ahnungslos zu geben...

    Das Internet ist weder "Neuland" (A. Merkel), noch ist die "Analyse solch gewaltiger Datenmengen („Big Data“)" wirklich "eine neuere Entwicklung" (Chr. Rath).

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    3. Dimension der Überwachung: "blindes Vertrauen"...?

    • (zit.) "Der GCHQ speichert die Daten zentral, während sie bei der Vorratsspeicherung dezentral bei den Telekom-Firmen bleiben."

    • (zit.) "Der GCHQ wertet alle Daten aktiv aus, während die Polizei die Daten aus der Vorratsspeicherung nur im Verdachtsfall nutzen kann."

    (der "guardian" berichtete, dass der GCHQ die gesammelten Daten mittels "Big Data-analyse" auswertet und speichert...).

    • (zit.) "Werden sie nur auf Suchworte und verdächtige Kommunikationsteilnehmer hin gescannt, so wie es der deutsche Bundesnachrichtendienst schon seit Jahrzehnten praktiziert?"

     

    Kritik: Methodisch verkürzende u. den Sachverhalt verzerrende Gegenüberstellung unterschiedlicher Überwachungstechniken und -programme, deren Nutzen-/Schadenspotential überhaupt nicht reflektiert wird.

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    Am Ende legt Rath seine Karten auf den Tisch:

    (zit.) "Auch Journalisten und Whistleblowern sollte nicht blind vertraut werden."

    Wie recht er doch hat.

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    HESSE

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