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Ölforderung in der NordseeSchmutzige Null-Emission

„So wenig wie möglich“ Öl soll ins Wasser gelangen. Wie viel „wenig“ ist, darüber streiten die Förderländer. Vor allem Norwegen mauert.

Bohrplattform in einem norwegischen Fjord. Bild: ap

STOCKHOLM taz | Mehrere hundert Liter Öl gelangen an jeder Ölbohr- und Förderplattform in Nordsee und Nordatlantik täglich ins Meer. Luftaufnahmen der norwegischen Küstenschutzbehörde Kystverket zeigen die mehrere Kilometer langen und 100 Meter breiten Ölstreifen, die dabei entstehen. Für die Genehmigungs- und Überwachungsbehörden zählt das aber als „Null-Emission“.

Bei der Förderung gilt eine gewisse Kulanz: „So wenig wie möglich, höchstens aber 30 mg/l“ Öl dürfen etwa von norwegischen Plattformen ins Meer gelangen. Technisch wäre beinahe null möglich. Die norwegische Klima- und Verschmutzungsbehörde fordert deshalb schon lange niedrigere Grenzwerte, die die Ölindustrie bislang allerdings verhindern konnte.

Und nicht nur hier zeigt sich, wie mächtig die Öllobby ist. Mit der im Mai vom EU-Parlament verabschiedete Offshore-Sicherheitsdirektive sollten eigentlich Lehren aus der Ölkatastrophe der Plattform „Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko vor drei Jahren gezogen werden. Schließlich wird vor europäischen Küsten ähnlich tief gebohrt. Und Beinahe-Katastrophen gab es in den letzten Jahren genug.

Brüssel fordert aber nur Selbstverständliches: Beispielsweise sollen Bohr-Lizenzen nur noch an Firmen vergeben werden, die nachweisen können, dass sie im Notfall auch eine Ölpest beherrschen. Sie müssen Notfallpläne vorlegen und für alle Schäden haften.

Zahllose Unfälle

Norwegen allerdings geht schon diese „Einmischung“ zu weit. Europas größtes Ölproduktionsland ist über das Abkommen zum Europäischen Wirtschaftsraum auch als Nicht-EU-Mitglied verpflichtet, solche Direktiven zu übernehmen. Ölminister Ola Borten Moe will das aber nicht tun. Alle ölfördernden Länder hätten bereits eigene Vorschriften und Genehmigungsbehörden. Deren Arbeit werde durch eine Überlagerung mit EU-Vorschriften eher behindert und ineffektiver.

Die norwegische Umweltschutzorganisation Bellona verweist jedoch darauf, dass diese bisherigen Regelungen weder haarsträubende Sicherheitsmängel noch Blowouts verhindert hätten. Zahllose Unfälle und Zwischenfälle im norwegischen Sektor von Nordsee und Nordatlantik bewiesen, dass die dortigen Vorschriften eben nicht reichten.

Allerdings sind die neuen Regeln aus Brüssel nicht unbedingt hilfreicher. So heißt es unter anderem: „Die Betreiber sollten das Risiko eines schweren Unfalls auf ein Niveau senken, das so niedrig wie nach billigem Ermessen praktikabel ist; dies sollte als erreicht gelten, wenn die Kosten für eine weitere Senkung des Risikos in einem krassen Missverhältnis zum erzielten Nutzen stehen.“ Und Rebecca Harms, Vorsitzende der grünen EU-Parlamentsfraktion, befürchtet, dass die Neuregelung der Haftung nur dazu führt, dass Unternehmen einfach Insolvenz anmelden, wenn große Schadensersatzleistungen fällig werden. Sie wirbt für einen gemeinsamen Sicherungsfonds.

Schwedens grüner EU-Parlamentarier Carl Schlyter hält den EU-Ansatz insgesamt für verfehlt: Konsequent wäre es, Ölaktivitäten in besonders sensitiven Gewässern und unter extremen Bedingungen einfach ganz zu verbieten.

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1 Kommentar

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  • JD
    Jörg Dürre

    Schön ist auch die 0-Emission von Gas.

    Wenn austretendes Erdgas am Bohrloch verbrannt wird, dann wird das CO2 Abgas daraus nach Recht und Gesetz als klimaneutral behandelt.

     

    Besser verbrennen als direkt in die Luft entweichen lassen ist schon korrekt, da Methan bekanntlich 20 - 35x klimaschädlicher ist als CO2. Diese Darstellung ergibt aber völlig verzerrte Vergleichswerte.

    Durch die geschönten Werte auf Fossiliengewinnungsseite werden die Erfolge von Erneuerbaren Energien geschmälert; z.B. wieviel CO2 pro Liter Benzin eingespart wird.