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Pädagoge über GrundschulenRent a Lehrer (männlich)

Das Lehramtsstudium für Grundschulen ist unattraktiv für Männer. Mehrere Projekte an Universitäten bemühen sich, das zu ändern. Christoph Fantini macht in Bremen mit.

Immerhin gibt es noch männliche Kinder in den Grundschulen. : dpa
Interview von Thomas Gesterkamp

taz: Herr Fantini, an mehreren Universitäten laufen Projekte, die mehr Männer für das Lehramtsstudium in der Grundschule gewinnen wollen. In Bremen gibt es die Initiative „Rent a teacherman“ – zu Deutsch: „Leihe dir einen männlichen Lehrer!“ Wie funktioniert das in der Praxis

Christoph Fantini: Bei unseren Vorrecherchen im Rahmen des Projekts „Männer in die Grundschule“ am Fachbereich Erziehungs- und Bildungswissenschaften haben wir festgestellt, dass im Bremer Durchschnitt 1,3 männliche Lehrer pro Grundschule unterrichten.

Wie verteilt sich das?

Sehr unterschiedlich. Es gibt Grundschulen mit fünf männlichen Lehrkräften, allein in Bremen finden sich aber auch 15 Grundschulen, wo kein einziger Mann unterrichtet.

Ist das so schlimm?

Ja, das ist ein zentrales Problem! Denn weder Jungen noch Mädchen sollten in Kindergarten und Grundschule den Eindruck bekommen, dass es ausschließlich Frauensache ist, sich um kleinere Kinder professionell zu kümmern. Deswegen habe ich durch meine Kontakte zu Studierenden die Idee entwickelt, männliche Studierende in solche männerfreien Grundschulen zu schicken.

Im Interview2Inews: 

ist Lektor im Arbeitsgebiet „Interkulturelle Bildung“ an der Bremer Universität und Leiter des Projektes „Männer in die Grundschulen“/„Rent-a-Teacherman“.

Wie läuft das Projekt?

„Rent a teacherman“ ist seit Herbst 2011 sehr erfolgreich. Acht Lehramtsstudenten sind derzeit an männerfreie Grundschulen „ausgeliehen“. Finanziert wird das über Honorarmittel der Bremer Senatorin für Bildung und Wissenschaft.

Lehrerschwund

Nur noch 12,6 Prozent der Lehrenden an Grundschulen waren 2012 Männer. In den letzten Jahren haben sich die Zahlen auf niedrigem Niveau eingependelt, vor drei Jahrzehnten aber lag der Männeranteil noch bei rund 40 Prozent. Einer der Gründe ist die Bezahlung: Pädagogen an weiterführenden Schulen verdienen bis zu 700 Euro mehr im Monat. Entsprechend liegt der Anteil männlicher Lehrkräfte an manchen Gymnasien immer noch bei über 50 Prozent.

Noch schlechter als in der Grundschule sieht es in den Kindertagesstätten aus. Trotz der millionenschweren Kampagne „Männer in Kitas“ des Bundesfamilienministeriums ist die Beteiligung männlicher Pädagogen bisher nur geringfügig gestiegen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes betrug sie 2012 maximal 4,24 Prozent - wenn man Aushilfskräfte und Praktikanten mitzählt. (tg)

Welche Erfahrungen machen die männlichen Lehramtsstudenten an den Schulen?

Das ist sehr spannend, was die erzählen. Wenn ein junger Student einsteigt und mit der Schulleiterin durch die Grundschule geht, dann – so hat mir einer berichtet – wird er schon bei diesem ersten Rundgang von den Kindern angesprochen: „Was machst du denn hier? Wenn er daraufhin erzählt, er wolle hier unterrichten, kommt die Reaktion: „Oh, endlich mal ein Mann! Spannend auch der Fall eines Gymnasial-Lehramtsstudenten, der in unser Projekt nur durch persönliche Anwerbung eingestiegen ist und am Anfang immer sagte: „Grundschule ist nichts für mich, nur Einmaleins und Pipapo!“ Der ist jetzt seit anderthalb Jahren konsequent dabei und begeistert davon. Er erlebt, dass es in der Primarstufe darum geht, Jungen und Mädchen Lust aufs Lernen zu machen. Das Fachliche rückt eher in den Hintergrund, doch die Fachdidaktik ist eine tolle Herausforderung.

Manche feministisch orientierte Forscherinnen sprechen beim Thema Männermangel von einer „Dramatisierung des Geschlechts.“ Sie bestreiten zum Beispiel, dass männliche Vorbilder überhaupt notwendig sind – und warnen vor Rollenstereotypen.

Ich bin durch dieses Projekt viel in Grundschulen unterwegs und halte das für eine sehr akademische Debatte. In den Schulen treffen wir auf junge Lehrerinnen und Schulleiterinnen, die begeistert darauf reagieren, dass wir ihnen nette, ausgesuchte männliche Studenten anbieten.

Was heißt das?

Die finden das toll, die sagen: „Der muss aber jetzt hierbleiben! Kann der nicht noch mehr Stunden machen?“ Da merkt man, dass das Gender-Thema theoretisch doch etwas anders debattiert wird, als es dann in der Praxis umgesetzt wird. Ich kann aus meiner durchaus auch theoretisch entwickelten Überzeugung nur sagen: „Gott sei Dank!“

Vor drei Jahrzehnten betrug der Anteil der männlichen Lehrer an Grundschulen vierzig Prozent, inzwischen liegt er nur noch bei gut zwölf Prozent. Was haben Sie neben Ihrem konkreten Projekt für Ideen, diese Zahl wieder zu steigern?

In der Tat, seit Mitte der 1980er Jahre gehen die Zahlen drastisch runter. Eine wichtige Handlungsebene wäre eine Imagekampagne. Man muss die Vielfältigkeit und auch die fachliche Herausforderung der pädagogischen Arbeit in der Grundschule viel mehr an die Öffentlichkeit bringen. Leider ist gerade bei jungen Männern in der Phase der Berufsorientierung immer noch ein verqueres Bild von Grundschule im Kopf.

Welches?

Dass es in der Primarstufe nur um Einmaleins, Singen und Basteln geht. Dabei werden auch unter dem Aspekt der Bildungsgerechtigkeit die entscheidenden Impulse in der Grundschule gesetzt. Überspitzt ausgedrückt, tüfteln die weiterführenden Schulen eigentlich nur noch an dem herum, was an der Grundschule geklappt hat und was nicht. Diese Profilierung der Grundschule, wie sie derzeit arbeitet, wenn sie gut ist, muss bekannt gemacht werden.

Was erhoffen Sie sich davon?

Hoffentlich werden dann Männer, gerade Männer, die politisch engagiert und vielleicht auch noch mutig sind, sagen: Das ist eine Herausforderung als Mann, das ist eben kein Kinderkram oder Ähnliches.

Im Feld der Frühpädagogik gibt es die vom Bundesfamilienministerium unterstützte Kampagne „Mehr Männer in Kitas“, die für den Erzieherberuf wirbt. Für die Schulen und den Lehrerberuf ist nichts Vergleichbares in Sicht. Warum eigentlich nicht?

Das liegt wohl am föderalen System in Deutschland, die Länder wollen im Bildungsbereich sehr autark sein. Zum Teil wird dieses Argument vonseiten der Bundespolitik aber auch vorgeschoben, um hier nichts zu investieren. Ich würde mich über eine bundesweite Kampagne freuen. In meinem eigenen Projekt merke ich, wie müßig und nervig es ist, immer wieder neuen Projektmittelchen hinterherzulaufen, um solche spannenden Sachen überhaupt machen zu können. Das ist eigentlich ein Unding und ich wünsche mir deshalb genau dasselbe wie im Kita-Bereich: eine Initiative, die in Berlin mit großem Stab koordiniert wird. So etwas brauchen wir unbedingt auch für das Grundschullehramt.

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