Die Wahrheit: Helden der Hausmitteilung

Seit 50 Jahren betreibt der „Spiegel“ auf seiner Seite drei Eigenwerbung. Jetzt gibt es in der Hausmitteilung eine kleine Neuerung.

In der Hausmitteilung feiern sich die Spesenritter des „Spiegel“ selbst. Bild: Foto: dpa

Sie wussten, was sie tun. Und deshalb gaben sie sich auch so betont bescheiden. Als das Nachrichtenmagazin Der Spiegel vor 50 Jahren seine berüchtigte Angeber-Rubrik „Hausmitteilung“ startete, klang das so: „Mit diesem Bericht über einen Bericht öffnet der Spiegel ein Türchen, das offen bleiben soll und durch das dem Spiegel bei der Arbeit zuschauen kann, wer will. Die Hausmitteilung des Spiegel-Verlags wird künftig in jedem Heft veröffentlicht.“

Seit dem Juli 1963 steht da wöchentlich auf Seite 3, was die Redakteure des Magazins so alles unternehmen, um auf Augenhöhe mit den Großen und Mächtigen der Welt zu kommen. Oder auch mal mit dem Mann auf der Straße.

Die Rubrik ist eine wahre Feier des Spesenrittertums, hier wird der Journalistenalltag zum Reiseabenteuer wie bei „Tim und Struppi“. Spiegel-Redakteure trinken Schnaps und spielen Karten, sie essen Zwiebelrostbraten und kotzen bei hohem Seegang. Sie gehen auf Demonstrationen, ins Museum und auf Toilette. Sie fahren in Panzern mit, schauen in Badezimmerschränke, schlafen auch mal auf dem Sofa. Unermüdlich sind sie unterwegs zwischen Rotlicht und Blaulicht, zwischen Hütten und Palästen. Und wenn es gefährlich wird, dann haben sie eine schusssichere Weste oder eine Gasmaske dabei.

Der Journalist wird zum Menschen in der Hausmitteilung, darf zeigen, was er noch so tut und lässt, während er den Ölstand des Planeten misst, Rebellen im Nebel beobachtet oder sich abarbeitet am Mythos des Alten Fritz. Und wenn die Spiegel-Leute wieder zu Hause sind, dann sondern sie für die Hausmitteilung noch so manche Binsenweisheit ab.

Da heißt es zu einer Story über Flüchtlinge: „Der Treck nach Europa ist unaufhaltsam.“ Ein anderes Mal geht es um die Geschlechterfrage: „Frauen kommen mit dem Alleinsein besser klar.“ Und wenn die Sexualisierung der Gesellschaft ins Heft drängt, dann lautet die Moral von der Titelgeschicht: „Die Vergesellschaftung des Orgasmus interessiert mehr als der Schrecken der Globalisierung.“

Ein flotter Werkstattbericht

Oben steht immer das typische „Betr.:“, es folgen zwei bis drei Absätze, zur Auflockerung durchaus mal mit Details zu Familienstand, Hobbys oder Bildungshintergrund der Spiegel-Redakteure. Seit Ende der neunziger Jahre wurde in der Hausmitteilung regelmäßig auch ihr Alter genannt. Und zwar in Kommata, so wie es seit der Frühzeit des Nachrichtenmagazins bei den in Artikeln genannten Personen üblich ist („gehört zur Charakteristik der Person“). Inzwischen treten die eigenen Leute in der Hausmitteilung jedoch meist alterslos auf. Seit Mitte 2012 fehlt die Angabe in Kommata. Warum das? Eine politisch voll korrekte Maßnahme gegen Altersdiskriminierung? Eitelkeit?

Weder noch. Offiziell heißt es, dass man die Altersangaben in der Hausmitteilung „wegen der Lesbarkeit“ abgeschafft beziehungsweise stark eingeschränkt habe. „Wir stellen oft Autoren-Teams vor, da wirkt es etwas seltsam, wenn fünf oder acht Namen mit Altersangaben hintereinander erscheinen. In besonderen Fällen wollen wir das Alter aber nach wie vor nennen – das wird nicht dogmatisch gehandhabt.“

Ein flotter Werkstattbericht, der der PR dient. Das ist die Spiegel-Hausmitteilung seit fünf Jahrzehnten. Sie täuscht Transparenz nur vor, weshalb auch Selbstkritik eigentlich nie vorkommt. Richtig Asche auf das Haupt streute sich die Redaktion nur ein einziges Mal. Im Jahr 2008, als der langjährige und umstrittene Chefredakteur Stefan Aust unelegant gefeuert worden war. Da hieß es: „Bei den Umständen der Beurlaubung von Chefredakteur Stefan Aust, 61, hat der Spiegel nicht immer geschickt agiert – das hätten wir besser machen können.“

Selbst zu einem kleinen Skandal geworden ist die Rubrik übrigens im Jahr 2009. Da war eine Toyota-Anzeige genauso aufgemacht wie eine Hausmitteilung („Betr.: Träume, Toyota, Verso“). Die echte Hausmitteilung stand erst auf der nächsten Seite. Diese Art Schleichwerbung wurde von vielen Lesern kritisiert und erhielt eine Missbilligung des Presserats. Der Spiegel schwor, das nie wieder zu machen.

Und was ist aus der aktuellen Hausmitteilung des Magazins von diesem Montag zu erfahren? Italien-Korrespondentin Fiona Ehlers hat dem Papst die Hand gedrückt: „Das war ein fröhlicher, ein sehr schöner Moment.“

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kari

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