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Rechtsanspruch auf Kita-PlatzDutzende Klagen in Köln

Eine Tagesmutter ersetzt keinen Kita-Platz: So sehen es zumindest Eltern in Köln und ziehen gegen die Stadt vor Gericht.

Kita-Platz schlägt Tagespflege in der Elterngunst. Bild: dpa

KÖLN taz | In Köln bahnt sich die befürchtete Klagewelle im Zusammenhang mit dem Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für unter Dreijährige an. Die Stadt spricht von rund 25 Klagen. Aber allein die Kanzlei Advogereon vertritt laut Anwalt Christoph Krosch bereits 45 Eltern wegen des Anspruchs, vor einer Woche waren es noch 30. „Und wir sind nicht die Einzigen, die Eltern in dieser Sache vertreten“, sagt Krosch.

Befeuert wird die Klagebereitschaft vieler Eltern durch zwei Eilentscheidungen, die der Anwalt vor dem Verwaltungsgericht erstritten hat. Die Richter entschieden, dass die Stadt Köln Mütter und Väter nicht auf eine Tagesmutter verweisen darf, wenn sie einen Kindergartenplatz haben wollen. Außerdem darf der Weg zur Kita nicht länger als 5 Kilometer sein.

In NRW stehen laut Landesregierung im laufenden Kindergartenjahr 144.880 Betreuungsplätze für unter Dreijährige zur Verfügung, davon 38.320 bei Tagesmüttern. Aus Sicht von Land und Kommunen sind diese Plätze gleichwertig. Viele Eltern wollen aber einen Kitaplatz, weil ihnen die Ausbildung der Tageseltern und die vorhandene Ausstattung nicht genügen oder sie ein ernsthaftes Problem bekommen, wenn eine Tagesmutter wegen Krankheit ausfällt.

Außerdem ist die Betreuung bei Tagesmüttern mancherorts teurer: In Köln kostet sie bis zu 4 Euro pro Stunde mehr. Anders in Essen. Dort müssen Normalverdiener mit einem Jahresbruttogehalt von bis zu 37.000 Euro je nach Betreuungslänge zwischen 88 und 159 Euro für einen Kitaplatz zahlen – für Tageseltern sind dagegen nur 44 bis 139 Euro fällig.

Auch wenn die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln nicht rechtskräftig ist, ist sie für die Kommune bindend. Die Stadt Köln hat eine aufschiebende Wirkung der Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Münster beantragt. „Das ist abgelehnt worden“, räumt eine Sprecherin der Stadt Köln ein. Bislang haben die Familien trotzdem keinen neuen Kitaplatz zugewiesen bekommen. Sie könnten zwar eine Vollstreckung der Entscheidung beantragen, sagt Anwalt Krosch, doch sie warteten lieber ab, ob das OVG Münster die Beschwerde der Stadt zur Eilentscheidung annimmt.

„Untätigkeitsklage“ eingereicht

Anders als in Köln zog in Düsseldorf, Essen, Bochum und Dortmund erst eine Mutter vor Gericht, weil Betreuungsplätze für ihre Kinder fehlen. Vom Dortmunder Jugendamt sei die Frau „telefonisch immer wieder vertröstet“ worden, klagt ihr Anwalt David Meyer. Eine schriftliche Zusage gab es nicht.

Vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat Meyer deshalb eine „Untätigkeitsklage“ eingereicht – und schon die zeitigt Wirkung: Ein zweites Verfahren auf Zuweisung der Kitaplätze und Schadenersatz will die Dortmunder Verwaltung offenbar umgehen.

„Wir sind zuversichtlich, dass wir in Kürze Angebote für beide Kinder machen können“, beruhigt Stadtsprecherin Anke Widow. Wie viele Dortmunder Kinder derzeit trotz Rechtsanspruch noch unversorgt sind, kann Widow nicht sagen: Wegen Urlaubs und weil viele Kitas derzeit geschlossen sind, fehlen noch „rund 70 Rückmeldungen“.

Die Klagewelle in Köln macht aber auch anderen Stadtverwaltungen im Ballungsraum Ruhr Sorge. Gerade die Tagespflege stoße auf Akzeptanzprobleme, so Essens Bildungsdezernent Peter Renzel: „Viele Eltern sehen die Betreuung in einer Privatwohnung skeptisch, fürchten die Krankheit der Tagesmutter.“ Aktuell sind in Essen noch 194 unter Dreijährige ohne Betreuungsangebot – dem gegenüber stehen 190 freie Plätze, zwei Drittel davon bei Tageseltern.

Wie die Dortmunder Stadtsprecherin lobt auch Renzel die Qualität der Tagespflege: Die Tageseltern hätten mindestens 160 Stunden Qualifizierung durchlaufen und arbeiteten immer öfter zusammen: „Im Krankheitsfall gibt es so bessere Vertretungsmöglichkeiten.“ Die Tagespflege ähnele immer mehr der Kitabetreuung, wirbt der Christdemokrat – und ergänzt: „Der Gesetzgeber sieht Kitas und Tagespflege als gleichwertige Angebote.“

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