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Urteil im AltpapierstreitPunktsieg für private Sammler

Private Abfallsammler dürfen Altpapier in drei Städten im Rhein-Kreis Neuss einsammeln. Zahlreiche dieser Prozesse beschäftigen gerade die Gerichte

Kartons geben Recyclingpapier einen Braunstich und sind bei Papierfabriken daher unbeliebt. Bild: ap

Private Entsorgungsunternehmen dürfen Altpapier in den drei Städten Neuss, Kaarst und Jüchen einsammeln, das hat das Oberverwaltungsgericht Münster am Donnerstagnachmittag entschieden.

Damit ist der Rhein-Kreis Neuss damit gescheitert, die gewerbliche Sammlung im Kreisgebiet zu unterbinden. Die drei Städte hatten darauf gepocht, ihren Abfall auch von gewerblichen Entsorgern einsammeln lassen zu dürfen. Der Landrat des Kreises, Hans-Jürgen Petrauschke, kritisierte das Urteil. Erlöse in der Abfallwirtschaft – hier Erlöse aus dem Altpapier - sollen auch zur Senkung der Müllgebühren eingesetzt werden, teilte er mit. „Als Kreis haben wir die Erlöse aus der Altpapierverwertung vollständig an die kreisangehörigen Kommunen weitergeleitet, damit diese die Gebühren im Interesse der Gebührenzahler senken können.“

Das Urteil ist deshalb von Bedeutung, weil sich ähnliche Prozesse häufen, seitdem im Juni 2012 das neue Abfallrecht - das Kreislaufwirtschaftsgesetz - in Kraft trat. Wie aktuell in Münster, haben die Verwaltungsrichter die Kommunen schon verdonnert, das Kreislaufwirtschaftsgesetz weniger selbstherrlich anzuwenden. "Es ist gut, dass die Gerichte das Ungleichgewicht zwischen Kommunen und privater Entsorgungswirtschaft gerade rücken", sagt Peter Kurth, Präsident des Bundesverbandes der Entsorgungswirtschaft (BDE).

In den vergangenen Jahren hatten das Bundesverwaltungsgericht und der Gesetzgeber den Streit zwischen Kommunen und Privatwirtschaft zugunsten der öffentlichen Hand entschieden. Das Leipziger Gericht urteilte 2009, für den Müll aus privaten Haushalten seien die Kommunen zuständig und daher auch für den lukrativen Altpapiermarkt. Der Gesetzgeber folgte diesem Argument nach langem hin und her, als er das neue Abfallgesetz verabschiedete. Seit Juni 2012 ist geltendes Recht, das zuallererst die Kommunen zuständig sind, wenn es ums Einsammeln von Abfällen aus privaten Haushalten geht. Nur wenn die privaten Unternehmen ein deutlich besseres Angebot machen als die Kommunen - etwa im Service - dürfen sie aktiv werden. Außerdem können die Kommunen Schrott-, Alttextil- oder eben Altpapierhändlern untersagen, Abfall einzusammeln.

Wie viele Kommunen von diesem Recht bislang Gebrauch gemacht haben, ist noch nicht ganz klar. Laut Deutschem Städtetag sind etwa fünf Prozent der gewerblichen Sammlungen untersagt worden; eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages DIHK hingegen hat eine Verbotsquote von bis zu 25 Prozent ergeben. Vor allem in Rheinland-Pfalz, Bayern und Baden-Württemberg würden private Sammler, vornehmlich von Alttextilien und Schrott, von den Kommunen vom Markt gefegt. Das Problem: Altpapier sammeln spezialisierte Anbieter oft besser, als Kommunen dies können. Und bei Alttextilien und Schrott werden häufig kleine Selbständige ihrer Existenz beraubt.

Private Unternehmen protestieren

Der Prostest aus der Wirtschaft gegen das Gesetz der schwarz-gelben Bundesregierung ist auch nach einem Jahr noch laut. „Das Kreislaufwirtschaftsgesetz habe sich als Steigbügelhalter von kommunalen Monopolen erwiesen“, wettert Bernhard Reiling, Präsident des Bundesverbandes Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse). Das Gesetz an sich sei schon schlimm, heißt es aus dem Verband, der vor allem kleine und mittelständische Unternehmen vertritt. Doch noch schlimmer sei sein Vollzug durch viele Kommunen. Sie nutzten die Spielräume zugunsten der privaten Unternehmen nicht aus, sondern berücksichtigten sie im Gegenteil gar nicht. Investitionen, Eigenkapital, Zahl der Beschäftigten, alles befinde sich in der privaten Entsorgungswirtschaft im Sinkflug.

Daher erhoffen sich die Unternehmen eine Kurskorrektur der kommunalen Praxis durch die Gerichte. Die Kommunen sehen die Sache naturgemäß anders. „Dem Kreislaufwirtschaftsgesetz liegt der Gedanke zu Grunde, dass die Kommune nicht nur für den teuren Restmüll, sondern auch für die erlösträchtigen Wertstoffe aus dem Hausmüll zuständig sein soll“, sagt Hans-Joachim Reck, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Kommunalen Unternehmen (VKU). „Es wäre unfair, wenn sich gewerbliche Sammler nur die Rosinen herauspicken könnten und die Kommune auf den Abfällen sitzen bleibt, deren Entsorgung viel Geld kostet“, so Reck. Außerdem würden viele unseriöse Altkleidersammlungen von den Kommunen zu recht unterbunden. Zum Urteil der Münsteraner Richter wollte sich der Verband nicht äußern.

Das Bundesumweltministerium überprüft das Gesetz derzeit und erwägt Kurskorrekturen. Ein „Ruhmesblatt der Gesetzgebung sei es wahrlich nicht“, sagt Kurth. Zwar würden sich die Bürger wenig dafür interessieren, wer ihren Abfall einsammelt, solange der Verkehr nicht gestört werde und die Müllgebühren nicht weiter steigen. Doch der Streit um Schrott und Altpapier sei längst nicht mehr nur eine Sache zwischen kommunalen und privaten Entsorgungsunternehmen. „In Deutschland entwickelt sich gerade eine Sekundärrohstoffwirtschaft“, sagt Kurth, „die im industriellen Maßstab zum Beispiel das Recycling von Elektrogeräten betreibt“. Solche Unternehmen bräuchten stabile Rahmenbedingungen, unter anderem auch eine stabile Versorgung mit Rohstoffen. „Wir müssen lernen, in Wertschöpfungsketten zu denken“, fordert Kurth. Eine interessante Aufgabe für den nächsten Umweltminister.

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