Petition gegen katholischen Bischof: Der Pharao von Frankfurt
Der Limburger Bischof Tebartz-van Elst hat sich mit seinem autoritären Führungsstil isoliert. Nun begehrt gar die eigene Gemeinde gegen ihn auf.
FRANKFURT AM MAIN taz | Sonntag, Bartholomäusfest im voll besetzten Kaiserdom zu Frankfurt am Main. Nach dem Hochamt tritt ein Laie vor die Gemeinde: Christoph Hefter. Der Vorsitzende der Stadtversammlung der Frankfurter Katholiken verlas einen offenen Brief an Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst vom Bistum Limburg, zu dem auch die Großstadt Frankfurt gehört: „Die Bistumsleitung muss umgehend einen anderen Weg einschlagen, will sie die katholische Kirche in unserem Bistum und darüber hinaus glaubhaft und glaubwürdig vertreten.“
Gefordert wurde „eine umfassende, ehrliche, schonungslose Information über alle in die Kritik geratenen Vorgänge in der Bistumsleitung“.
Neu ist nicht nur, dass sich Katholiken offen gegen einen Bischof empören. Unerhört war bisher auch, was darauf folgte: Applaus. In einer Kirche. Nach wenigen Stunden gab es bereits 500 Unterschriften für die Forderungen, teilweise standen die Gläubigen sogar Schlange, um unterschreiben zu dürfen.
Derzeit hängt der offene Brief in zahlreichen anderen Gemeinden des Bistums aus. Und es scheint, als ginge damit die Tragödie um Tebartz-van Elst in ihren letzten Akt: Seit seinem Amtsantritt vor fünf Jahren hat es der Oberhirte geschafft, mit pharaonischen Bauvorhaben und einem autoriären Führungsstil sein eigentliches Kernkapital aus „Liebe und Vertrauen“ nachhaltig zu verspielen.
Erster Klasse zu den armen Kindern
Dabei geht es nicht nur um einen Fall, in dem die Staatsanwaltschaft Hamburg wegen falscher eidesstattlicher Versicherung ermittelt. Der Bischof war mit seinem Generalvikar erster Klasse nach Indien gereist und hatte dort arme Kinder besucht.
Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel schrieb über den Erste-Klasse-Flug, der Bischof ließ die Berichterstattung anwaltlich verbieten und behauptete, er sei nur Business Class geflogen. Später stellte sich heraus: Der Spiegel hatte Recht.
Sein Vorgänger im Amt, Franz Kamphaus, wohnte bescheiden im zweiten Stock eines Priesterseminars. Mit dem Antritt des bisherigen Münsteraner Weihbischofs Tebartz-van Elst änderte sich dieser Stil. Es wurde der Bau eines luxuriösen Ensembles – neben der Residenz sollte auch eine moderne Privatkapelle entstehen – auf dem Domberg in Angriff genommen.
Ursprünglich waren etwas mehr als 2 Millionen Euro veranschlagt, bei der Fertigstellung der bischöflichen Gemächer im Sommer 2013 hatte das „Diözesane Zentrum Sankt Nikolaus“ mindestens 10 Millionen Euro verschlungen – bezahlt mit Kirchensteuern und aus dem Vermögen des Bischöflichen Stuhls, das sich aus – nicht immer transparenten – Einkünften aus kirchlichen Immobilien und Ländereien speist.
Das Bistum will Fragen zur Finanzierung nicht beantworten und schiebt die Kostenexplosion auf die Denkmalpflege.
Im bischöflichen Teich schwimmen Edelkarpfen
Vor allem im Umland des Bistums ist man über diese Prachtentfaltung mehr als verwundert – weil es dort an jedem Cent fehlt. Unter dem Motto „Sparen und Erneuern“ sind alle Pfarrgemeinden angesichts sinkender Einnahmen aus Kirchensteuern zu teilweise drastischen Kürzungen aufgerufen. Kirchen können nicht mehr saniert werden, mancherorts wird gar über Rückbau oder Abriss beraten – und im Teich der bischöflichen Residenz, so munkelt man, tummeln sich Kois, teure Edelkarpfen.
Auch wenn es sich dabei tatsächlich nur um Goldfische handelt: Es gibt ein enormes Vertrauensproblem mit dem Bischof, der nicht nur in der Liturgie einen streng konservativen Kurs fährt.
Schon 2012 hatten 29 Priester in einem gemeinsamen Brief beklagt, dass „eine Atmosphäre lähmender Furcht auf dem Bistum lastet“. Wer nicht auf Linie liegt, wird gekündigt – wie Patrick Dehm, der Leiter des „Hauses der Begegnung“ in Frankfurt, oder der Bezirksdekan von Wetzlar, Peter Kollas, der ein homosexuelles Paar gesegnet hatte.
Als Seine Exzellenz nun einem seiner Kritiker, dem Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz, indirekt den Rücktritt nahelegte, kam es zu dem oben erwähnten offenen Brief – und damit zu einer offenen Revolte gegen den beratungsresistenten Bischof. Abberufen werden kann der Würdenträger nur vom Papst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke