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Alleinerziehende und SteuergerechtigkeitDie Rechnung ohne die Kinder

Alleinerziehende werden steuerlich behandelt wie Alleinlebende. Das ist ungerecht, sagen Experten und fordern mehr Geld für Betroffene.

2,7 Millionen Alleinerziehende gibt es in Deutschland. Bild: dpa

BERLIN taz | Alleinerziehende dürfen nicht länger steuerlich benachteiligt werden, kritisiert der Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV). Und fordert, die Steuerfreibeträge in der für Alleinerziehende vorgesehenen Steuerklasse II zu erhöhen und an den Grundfreibetrag zu koppeln.

Einfach ausgedrückt: Derzeit haben Alleinerziehende eine zusätzliche steuerliche Entlastung von 1.308 Euro im Jahr. Das ist zu wenig, findet der Verband, und will diese Summe anheben auf 8.137 Euro – den Grundfreibetrag für Erwachsene.

„Alleinerziehende werden derzeit steuerlich behandelt wie Alleinstehende“, sagt Verbandschefin und Anwältin für Familienrecht Edith Schwab: „Sie sind aber nicht allein.“ Der Lobbyverband startet dazu eine Kampagne, die am Donnerstag vorgestellt wurde.

Der VAMV rechnet vor, was seinen Vorstellungen zufolge gerecht wäre: Momentan haben Alleinerziehende bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 20.000 Euro eine jährliche Steuerentlastung von 398 Euro. Ein Ehepaar mit dem gleichen Einkommen hingegen kommt in den Genuss von 2.405 Euro Steuerersparnis – dank des Ehegattensplittings. Nach dem VAMV-Modell würden Alleinerziehende 2.335 Euro im Jahr sparen. „Damit werden Alleinerziehende stärker finanziell entlastet“, kommentiert VAMV-Geschäftsführerin Miriam Hoheisel: „Aber sie sind immer noch schlechter gestellt als Ehepaare, die vom Ehegattensplitting profitieren.“

Viele Alleinerziehende leben in Armut

Der erhöhte Alleinerziehendenfreibetrag soll unabhängig von der Zahl der Kinder im Haushalt sein. Es ist also egal, ob Einelternfamilien ein Kind haben oder fünf Kinder – die Steuerentlastung soll gleich bleiben. Für Kinder gibt es zusätzlich Kinderfreibeträge.

2,7 Millionen Eltern in Deutschland ziehen ihre Kinder allein groß. 90 Prozent von ihnen sind Frauen. Alleinerziehende haben mit 43 Prozent das höchste Armutsrisiko, weiß der VAMV. Ein Drittel der Betroffenen verdient jährlich unter 12.000 Euro Brutto, ein weiteres Drittel zwischen 12.000 und 24.000 Euro. Knapp ein Fünftel erwirtschaftet zwischen 24.000 und 36.000 Euro im Jahr, 8 Prozent bis zu 48.000 Euro. Die steuerliche Besserstellung für Alleinerziehende sei rasch umzusetzen, glaubt der Verband. Langfristig plädiert er jedoch für ein Individualsplitting und eine Kindergrundsicherung.

Als Botschafterin für seine Kampagne konnte der Verband Désirée Nick gewinnen. Die Entertainerin, die aus dem RTL-„Dschungelcamp“ und durch Kabarettprogramme wie „Hängetitten Deluxe“ und „VollklimaKtisiert“ bekannt wurde, hat ihren heute 17-jährigen Sohn allein groß gezogen. Vater des Kindes ist der Verleger Heinrich Julius Christian Otto Friedrich Franz Anton Günter Prinz von Hannover.

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7 Kommentare

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  • MK
    Michael Kruse

    @ Questor

     

    Ein Ehepaar mit Kind(ern) bekommt doch auch Kindergeld.

     

    Also quasi eine monatliche Erstattung zuviel bezahlter Steuern.

    • GW
      Grün wie der Neid
      @Michael Kruse:

      richtig, Eltern bekommen Kindergeld und verheiratete Eltern können, da sie zu zweit sind, splitten. Alleinerziehende können nicht splitten haben aber mit Steuerklasse 2 einen Sonderfreibetrag.

      Den meisten Alleineziehenden würde eine Steuererleichterung kaum etwas bringen - da sie oft wenig verdienen.

      Eine kleine gutverdienende Alleinerziehendeschicht kocht hier ihr Egosüppchen.

      Was Alleinerziehnde mehr nützen würde wäre ein großzügigeres Kindergeld oder eine negative Einkommensbesteueung mit einer tatsächlich ausreichenden Berücksichtigung des Existminimums. Aber dies würde den Egosüppchenkocherinnen nicht schmecken. Sie fordern Privilegierung und hoffen auf Abschaffung der Ehe als Gütergemeinschaft.

  • Mal wieder eine „(Ex)pertenrunde“ zu Gast bei Frau Schmollack. Diesmal mit Desiré Nick, statt einem Profeministen.

     

    Bevor ich mir aber die Blöße gebe und mir zu Eigen mache, was Profeministen so an Blödsinn von sich geben, gebe ich ab, ins Auslandsstudio, im fernen München:

    http://www.bunte.de/society/desiree-nick-wer-ist-der-geheimnisvolle-mann-in-ihrem-leben_aid_19712.html

     

    So viel zur Botschafterin der Väter ausgrenzenden Übermütter, die zu 2/3 nicht mehr auf die Reihe bekommen als maximal 24.000€/Anno, statt Väter in die Betreuung zu lassen, um sich beruflich weiterzuentwickeln zu können, sofern sie es überhaupt wollen*.

     

    Zusammengefasst ist das Ziel des VAMv, dem Verband der Rosinenpickerinnen: Frauen dürfen, was sie wollen und wann sie es wollen. Die Zeche haben die „familienfernen“ (weil nach Gusto fern gehaltenen) Erzeuger zu zahlen, ersatzweise kollektiv diejenigen Kerle, die als solche schließlich Erzeuger sein könnten.

    Wer´s nicht glauben mag, was ich hier von mir gebe:

    http://www.vamv.de/uploads/media/Sorgerecht_Formulierungsvorschlag_des_VAMV_4_11_10.pdf

     

    (*immer behauptet, nie bewiesen).

  • MK
    Michael Kruse

    @ Questor

     

    Das stimmt so nicht. Die Kinder werden sehr wohl steuerlich berücksichtigt. Das heißt dann "Kindergeld".

     

    Guckst du hier:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Kindergeld_(Deutschland)

    • Q
      Questor
      @Michael Kruse:

      @Michael Kruse:

       

      Sie haben mir da einen verwirrenden Verweis geschickt, denn auch Alleinerziehende erhalten Kindergeld - von daher sind wir wieder bei der Ursprungsfrage: Wieso sollen Alleinerziehende gegenüber kinderlosen Singles bessergestellt werden, Eltern gegenüber kinderlosen Paaren hingegen nicht.

  • O
    Otto

    "Momentan haben Alleinerziehende bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 20.000 Euro eine jährliche Steuerentlastung von 398 Euro. Ein Ehepaar mit dem gleichen Einkommen hingegen kommt in den Genuss von 2.405 Euro Steuerersparnis – dank des Ehegattensplittings."

    Ein Ehepaar besteht ja auch aus zwei Personen.

  • Q
    Questor

    Hm, und Eltern werden steuerlich wie (kinderlose) Ehepaare behandelt, wieso wird das Problem nur bei Alleinestehenden thematisiert? Die Argumente sind die gleichen (Das kinderlose Paar muss nur sich selbst versorgen, die Eltern zusätzlich auch die Kinder)