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Kommentar CDU-FamilienpolitikEine Wahl, die keine sein sollte

Heide Oestreich
Kommentar von Heide Oestreich

Beruf oder Familie? Familienministerin Kristina Schröder schlägt Expertisen in den Wind – und stellt eine völlig veraltete Frage.

Die Kita ist ja nicht nur wegen arbeitender Mütter wichtig. Auch die Kleinen haben was davon Bild: dapd

A m Schluss bekommt sie noch einen mit. Kristina Schröder, CDU-Familienministerin auf Abruf, wird kurz vor der Wahl von ihren eigenen ExpertInnen vorgeführt: Die sehen ihre Forschungsergebnisse von der Ministerin falsch interpretiert und legen eine eigene Deutung vor.

Der Konflikt illustriert das familienpolitische Grunddilemma der Union: Die konservativen Herren und einige Frauen plus Kristina Schröder möchten die Hausfrau nicht verabschieden und nennen die Entscheidung zwischen Beruf und Familie „Wahlfreiheit“. Mütter sollen lang daheim bleiben können, wenn ihnen danach ist. Und das Ehegattensplitting soll diese Freiheit garantieren, weil es Hausfrauen subventioniert.

Die Mehrzahl der ExpertInnen aber sieht andere Ziele der Familienpolitik: Armutsvermeidung etwa. Oder die eigenständige Existenzsicherung von Frauen. Mit dem schönen Nebeneffekt, dass berufstätige Frauen durch ihre Steuern den Kitabetrieb mitfinanzieren könnten. Man hätte diesen ganzen prekären Familienbereich aus dem Sumpf der Alimentation gehoben und auf eine stabile Basis gestellt. Deshalb verurteilen die ExpertInnen Betreuungsgeld und Ehegattensplitting. Die Hausfrau ist als Lebensmodell ökonomisch riskant geworden.

Es ist ein Jammer, dass Kristina Schröder sich hier keine progressivere Rolle zugetraut hat. Der Begriff der Wahlfreiheit geht davon aus, dass man zwischen Beruf und Familie wählen muss. Das genau ist veraltet. Eltern sollen nicht wählen, sondern vernünftig finanzierte Auszeiten für beide bekommen und in großer Teilzeit später beides realisieren können: Familie und Beruf. Schröder, selbst Mutter einer kleinen Tochter, hätte das geradezu vorleben können. Hat sie nicht. Wollte sie nicht. Jetzt haben die Wählerinnen die Wahlfreiheit. Sie können dieses veraltete Modell abwählen.

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Heide Oestreich
Inlandsredakteurin
Jahrgang 1968, ist seit langem Redakteurin für Geschlechterpolitik in der taz und im kulturradio vom RBB. Von ihr erschien unter anderem das Buch „Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam“. 2009 wurde sie mit dem Preis „Der lange Atem“ des Journalistenverbands Berlin Brandenburg für die Berichterstattung über Geschlechterstereotype ausgezeichnet.
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16 Kommentare

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  • Der Fehler des Mittelstandes?

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    Dieses "Teile und Herrsche Spiel" nicht zu erkennen, und der Glaube dass wenn man fleissig ist es schon schaffen kann!!!

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    Mache Menschen Angst vor der Zukunft, dann, Ihnen immer wieder eine Gruppe auf die Sie “herabsehen können”, und die (Angeblich) Schuld an den sich verschlechternden Umständen ist (das Feindbild), und die Menschen werden sich beherrschen lassen.

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    LeBon, Psychologie der Massen:

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    “Nie haben die Massen nach Wahrheit gedürstet,

    von den Tatsachen die Ihnen Mißfallen wenden Sie sich ab

    Und ziehen es vor den Irrtum zu Vergöttern.

    -

    Der Sie zu täuschen versteht wird leicht Ihr Herr,

    der, der Sie aufzuklären versucht stets Ihr Opfer.”

  • Abwarten und Tee trinken...

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    Sorry aber bis 2010 hatte die schlimmste Regierung aller Zeiten, noch die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat, aber ich vergaß den grandiosen Start der "besten Regierung" die sich nach der Wahl 2009 erst einmal monatelang streiten musste.

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    Eins kann man sagen nicht eine Reform hat man auf den Weg gebracht., nicht eine.

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    Dabei hätte eine Renten und Krankenkassenreform die Wirtschaft in der Krise weiter gefördert....wir brauchen schon lange eine BÜRGERVERSICHERUNG in beiden bereichen, in die ALLE einzahlen !!!

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    Gott behüte uns vor weiteren 4 Jahren Stillstand ohne Reformen !!!

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    Mein Herz schlägt links !!

  • Deutschland ist das einzige Land in Europa,

    das unterschiedliche Systeme der Altersversorgung hat, im wesentlichen gesetzliche Rentenversicherung, berufsständische Versorgung und Beamtenversorgung.

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    Politik und Justiz haben für sich selbst nicht nur wesentlich bessere Regelungen geschaffen, sie haben auch spätestens seit 1978 elementare Grundrechte für die Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung außer Kraft gesetzt, Gleichheitssatz, Eigentumsschutz für die Beiträge, Rechtsstaatsprinzip (keine rückwirkenden Eingriffe)

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    Nachlesen kann man das in den Entscheidungen des BVerfG vom 01.07.1981 (1 BvR 874/77 u.a.) oder vom 27.02.2007 (1 BvL 10/00, Absätze 53, 55 und 70).

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    Ein wirkliches Solidarsystem erfordert außerdem die Einbindung aller Bürger in allen drei Lebensphasen.

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    Denn alle Bürger profitieren in jungen Jahren von dieser Solidarität (Schule, Ausbildung) ebenso wie im Alter (Rente, Pension), aber diejenigen, die im Alter am meisten von dieser Solidarität profitieren, klinken sich während ihres Berufslebens kraft eigener Entscheidungsbefugnis aus dem Solidarsystem aus.

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    Eine Solidargemeinschaft benötigt einen Treuhänder, der zuverlässig mit Beiträgen wirtschaftet und diese nicht zweckentfremdet.

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    Die WTO (World Trade Organization) drängt mit GATS (General Agreement on Trade in Services) die Mitgliedsstaaten zur Privatisierung aller staatlichen Dienstleistungen, also auch der Renten zugunsten multinationaler Konzerne.

  • S
    schwedenfan

    Der Begriff Wahlfreiheit klingt

    zunächst einmal wunderbar und

    paßt dazu noch gut in

    ein Tagesschau Kurz-Interview

    und bleibt eher hängen.Die

    Grundidee des Ehegattensplittings

    und auch des konservativen

    Sozialstaatesist aber, daß ein

    familiares Abhängkeisverhältnis

    grundsätzlich billiger ist ,als

    z.B ein eigenständiger Anspruch

    auf Sozialleistungen(Subsidiaritätsprinzip)

    Diese Grundidee aus der christlichen Soziallehre ist

    längst empirisch widerlegt,doch

    im Grundsatz parteiübergreifend

    unwiedersprochen.

  • Freiheit heißt eben nicht das man muss, sonder dass man kann.

    In wiefern sich das eine Frau gegenüber vor 40 Jahren heute noch finanziell leisten kann ohne dann im Prekariat zu versinken ist eine ganz andere Frage.

     

    Die Aussage: "Der Begriff der Wahlfreiheit geht davon aus, dass man zwischen Beruf und Familie wählen muss." ist wirklich quatsch.

    • @Wolfgang:

      Weder CDU noch Grüne usw. stören sich an § 1615l BGB (in Bezug der Wechselwirkung, auch: §1570 BGB), in ihren derzeitigen Formen.

      Insofern sind beide Aussagen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf quatsch, insbesondere wenn Mütter und Väter, als Eltern, in einem Atemzug erwähnt werden.

  • P
    perplex

    Keine Wahlfreiheit für alle ?

    Und das soll emanzipatorisch sein?

     

    "Man hätte diesen ganzen prekären Familienbereich aus dem Sumpf der Alimentation gehoben und auf eine stabile Basis gestellt."

     

    Hat man das wirklich ?

     

    Die Mehrheit der Pflegebedürftigen werden von Angehörigen meist weiblich gepflegt.

    Die Mehrheit der Mütter verfügt über eine Minirente.

    Die Mehrheit der Mütter arbeitet teilzeit, und davon die Mehrheit prekär und ohne Aussicht auf eine auskömmliche Rente.

    Es gibt für Alleinerziehende kaum Jobs, Berufszurückkehrerinnen werden gemobbt, die Arbeitszeitverdichtung macht gerade vor Mütter keinen Halt und gefährdet zunehmend ihre Gesundheit und die ihrer Kinder.

    Prostitution von Jungmüttern nimmt zu.

    Die polnische Pflegekraft lebt in diesem häuslichen Sumpf.

    Bald auch die chinesische Pflegekräfte in den Altenheimen.

    Bildung/Gesundheit werden privatisiert und damit werden Hauptberufsfelder von Frauen prekarisiert.

    Die Kinderarmut nimmt rasant zu,

    gleichzeitig die Scheidungsrate.

    ...........

     

    Könnten Sie ihren Standpunkt nocheinmal überdenken, in Bezug auf was ist links und sozial und was ist "dumm"feministisch

    (denn ich glaube immer noch dass es einen klügeren emanzipatorischen Feminismus gibt) ultra neoliberal und unsozial.

  • Z
    zombie1969

    Das kürzlich erfolgte Wahlergebnis im weltoffenen und wirtschaftlich erfolgreichen Bayern, wo Rot-Grün weiterhin auf tiefen Niveau gehalten wird, dürfte besonders für Nichtwähler eine enorme Wahlhilfe sein.

  • R
    Ruhender

    Ich bin weiß Gott kein Fan von Kristina Schröder und noch weniger von ihrer Partei - aber in diesem Punkt muß ich sogar ihr mal Recht geben: Wer bei den Kindern bleiben will, soll auch die Möglichkeit dazu haben. Vielen ist das heute nicht mehr möglich, weil ein Lohn nicht mehr für alle reicht. Hier liegt das Problem, das leider sogar die Linke in diesem Zusammenhang hartnäckig ignoriert. Stattdessen faselt man von DDR-Relikten wie angeblicher Früh-Sozialisierung, zerrüttet die Familienbande, um den Bürger von kleinauf ins Staatsgefüge sklavengleich einzumontieren. Und wie sieht die Realität in den Kitas aus? Zuviele Kinder, zuwenig Personal, Streß, Wettbewerb um Aufmerksamkeit: Die Ellenbogengesellschaft wird hier bereits den Kleinsten beigebracht, nichts anderes. Schöne "Sozialisierung".

  • F
    Faxi

    Solange Kinder dem Aufgabenbereich der Frau zugewiesen werden und Männer noch nichtmal dann die gleiche Verantwortung übernehmen SOLLEN, wenn sie das möchten, ist keine Wahlfreiheit gegeben. Es ist vorgesehen, dass ein Partner Abstriche bei der Karriere macht, auch bei SPD, Grünen und Linken. Kitaplätze müssen nicht nur in ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung stehen, sondern auch zu flexiblen Zeiten. Sonst kann ich mich entscheiden zwischen einem patriarchalen und einem matriarchalen Familienmodell, ein gleichberechtigtes steht nicht zur Verfügung. Solange das so bleibt, wird verhütet!

  • Abwählen, die Wahlfreiheit der Frauen? Wie denn das?

    Ist noch nicht lange her, als sich die übrigen "unchristlichen" Parteien zum Sorgerecht nichtehelich geborener Kinder ebenso ablehnend äußerten, wie die sog. christlichen. Allesamt. Und keine politische Kraft interessiert die Realität, die einerseits Mütter wahlweise Betreuung oder überobligatorische Erwerbstätigkeit bietet, andererseits immer dann Väter in die Erwerbsobliegenheit drückt, wenn es die Mütter so wollen.

     

    Ohne wirklich gleichberechtigte Väter und Mütter - auch nach Trennungen/Scheidungen - geht jeder Schuss nach hinten los und wird die Alimentierung der mütterlichen Wahlfreiheit in der einen oder anderen Form bestehen bleiben.

     

    Immerhin: Gut zu wissen, dass immer mehr junge Männer, nach Allmendinger/Haarbrücker, Wert darauf legen, dass die Partnerinnen "selbst für ihren Unterhalt sorgen".

    Jetzt muss man den armen Kerlen nur noch erfolgreich vermitteln, dass Wünschen allein nicht reicht.

    • @Öhem:

      Ganz schön einseitige Männersicht der Dinge.

      Auch als Mann kann ich wahrnehmen, dass es sich Männer zuweilen in ihrer "ich habe recht" Positur wirklich recht einfach machen.

      • A
        anna
        @Wolfgang:

        Frauen können das auch ganz hervorragend. Believe you me!

      • @Wolfgang:

        Ich stimme Ihnen zu, dass mein Kommentar einseitig war.

         

        Ich ergänze zu Jutta Allmendinger/Julia Haarbrücker :

        "Ich erwarte von meinem Partner, dass er viel Geld verdient."

        In 2012: 72% der Frauen (2007: 41%). ;-)

  • A
    Annika

    Ganz ehrlich? Wenn ich Kinder bekommen will, möchte ich sie nicht bekommen weil sonst das Rentensystem zusammenbricht. Ich bekomme doch keine Kinder und schieb sie dann ab. Ich möchte sie erziehen, aufwachsen sehen, sie lieben und ihnen meine Werte vermitteln. Frauen sind nur noch Gebärmaschinen und danach Wirtschaftlich zu Hungerlöhnen auszubeuten.

    Entweder ich arbeite und lass es mit den Kindern oder ich bekomme Kinder und verzichte auf JAHRE auf die Arbeit.

    Und deshalb gibt es kaum noch Kinder.

    Wer sich einen Hund anschafft bringt ihn doch nicht anschließend ins Tierheim, oder?

    Und Kinder gehören genauso in die Familie.

    Seid ihr arm in eurer Seele den Menschen ausschließlich als wirtschaftlichen Faktor zu betrachten.

    • A
      anna
      @Annika:

      Nein, das dürfen Sie nicht.

       

      Sie sollen das Lebensmodell der Feministinnen übernehmen! Warum sehen Sie das nicht ein?