Wahl in Berlin: Mehr Mandate: Neue Gesichter im Halbrund
Diesmal gab es mehr Mandate für BerlinerInnen als 2009 - und die FDP ist raus. Darum ziehen für CDU, SPD und Linke auch Unbekannte in den Bundestag ein.
Gregor Gysi, klar, Eva Högl sowieso. Und natürlich Monika Grütters. Aber wer sind Azize Tank, Ute Finckh-Krämer und Martin Pätzold? Antwort: Seit Sonntag genauso Bundestagsabgeordnete wie die Berliner Spitzenkandidaten von Linkspartei, SPD und CDU. Wegen des besonderen Wahlausgangs rücken diesmal auch Bewerber von den hinteren, zuvor als chancenlos betrachteten Plätzen der Landeslisten von CDU, SPD und Linkspartei ins Parlament.
Das hat zwei Gründe: Zum einen sind nach neuer Sitzberechnung im Land Berlin dieses Mal nicht wie 2009 nur 23 Sitze zu vergeben, sondern 27. Und weil die FDP, die bisher 3 Mandate hatte, unterging, und es weder Piraten noch AfD über die Fünf-Prozent-Hürde schafften, können die anderen diese 27 Sitze unter sich aufteilen. Diese Mandate gehen zuerst an die Wahlkreissieger. Die Sitze, die dann übrig sind, werden über die Landeslisten besetzt, die vor der Wahl bei Parteitagen aufgestellt wurden.
Die Berliner CDU, bislang mit 6 Mandaten vertreten, hat künftig 9 Sitze, die SPD, bisher bei 5, kommt auf 8, die Linkspartei steigert sich von 5 auf 6. Allein die Grünen verharren bei ihrem Ergebnis von 2009 und schicken erneut nur 4 Frauen und Männer ins Parlament: Neben Christian Ströbele, der erneut, wenn auch weniger deutlich als bei den vergangenen beiden Wahlen in Friedrichshain-Kreuzberg gewannn, sind das Renate Künast, Özcan Mutlu und Lisa Paus. Paus hatte eine Zeitlang zittern müssen, weil die Grünen nach den ersten landesweiten Hochrechnungen nur bei 9,5 Prozent lagen und dann voraussichtlich nur auf drei Mandate gekommen wären.
Nicht mehr reichte es für Andreas Otto, den Bauexperten aus Pankow, auf der Liste direkt hinter Paus. Er hatte sich wie sie, Mutlu und Künast vergeblich Chancen ausgerechnet, einen Wahlkreis direkt zu holen. Es wäre erst das zweite grüne Direktmandat bundesweit gewesen. Otto bleibt damit Landespolitiker, genau wie die SPD-Abgeordnete Ülker Radziwill. Sie hatte vergeblich versucht, das Direktmandat in Charlottenburg-Wilmersdorf ihrem CDU-Konkurrenten abzuringen. Als die SPD im Mai ihre Landesliste aufstellte, hatte sie sich nicht für einen der Plätze durchsetzen können, die nun ins Parlament verhalfen.
Bei der CDU, die mit sieben Mandaten mehr als zufrieden gewesen wäre und nun neun hat, rückte durch die unerwarteten Sitzgewinne ein Kandidat ins Parlament, der zuvor auf dem Weg zum Bundestagssitz zwei Niederlagen einstecken musste: Philipp Lengsfeld versuchte erst vergeblich, Direktkandidat im Wahlkreis Pankow zu werden, und konnte sich dann im Nachbarwahlkreis Mitte nicht gegen SPD-Frau Eva Högl durchsetzen. Nun rückt er über den letzten freien CDU-Platz doch noch ins Parlament. Er setzt eine Familientradition fort: Seine Mutter, die frühere DDR-Bürgerechtlerin Vera Lengsfeld, war von 1990 bis 2005 Bundestagsabgeordnete, erst für Bündnis 90 und die Grünen, dann für die CDU.
Nicht ins Parlament kommt hingegen Lars Zimmermann – der Mann, der statt Lengsfeld in Pankow für die CDU antrat und als überraschender Zweiter fast an Wahlkreissieger Stefan Liebich von der Linkspartei heranrückte. Wie beim Grünen Otto zieht die Landesliste genau ab seinem Platz nicht mehr. Unter den SPDlern, die über die Liste in den Bundestag rücken, sind auch jene, die in ihrem Wahlkreis teils sehr deutlich hinten lagen, wie Klaus Mindrup in Pankow oder Mechthild Rawert in Tempelhof-Schöneberg.
Das beste Erststimmenergebnis, auf das zuletzt die Linke-Abgeordneten Petra Pau und Gesine Lötzsch in Marzahn-Hellersorf und Lichtenberg abonniert waren – knapp vor Ströbele –, ging diesmal an den CDU-Politiker Frank Steffel. Er konnte seinen Wahlkreis Reinickendorf dieses Mal mit fast 45 Prozent gewinnen. Das nächstbeste Ergebnis holte Gregor Gysi in Treptow-Köpenick. Frank Ditsche, der als einer von neun Berliner Einzelbewerbern neben Steffel in Reinickendorf kandidierte (taz berichtete), kam auf 0,5 Prozent.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!