Folgen von Schulschließungen: Selber laufen macht schlau
Wegen Schließungen werden die Schulwege länger. Den Noten der Kinder bekommt langes Busfahren allerdings gar nicht gut, zeigt eine Studie.
BERLIN taz | Wer morgens lange mit Bus und Bahn fahren muss, hat es in der Schule schwerer. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Universitäten Erfurt und Köln. Der Erfurter Psychologieprofessor Ralf Rummer und die Kölner Schulforscherin Petra Herzmann haben für ihre Untersuchung 137 Sechstklässler eines ländlich gelegenen Gymnasiums in Nordrhein-Westfalen befragt, wie lange sie zur Schule unterwegs sind. Die Angaben verglichen sie mit den Leistungen der Kinder.
Das Ergebnis: Je länger die Schülerinnen und Schüler mit Bus, Bahn oder dem Auto unterwegs sind, desto schlechter sind ihre Noten in den Hauptfächern. Schüler, die zu Fuß oder mit dem Rad zur Schule kommen, haben dagegen keinen Nachteil.
Noch rätseln die Forscher, was die Erklärung sein könnte. Rummer vermutet, dass lange Anfahrtswege die Konzentration der Schüler beeinträchtigen könnten. Einen Hinweis darauf liefert die Studie: So schlafen Kinder mit langen Schulwegen weniger als ihre Klassenkameraden, die schulnah wohnen. Eine andere mögliche Erklärung: Lange Fahrten könnten die Motivation drücken. „Unsere Ergebnisse sind Grund genug, jetzt größer angelegte Studien durchzuführen“, sagt Rummer.
Was lange Wege für Schüler bedeuten, ist kaum erforscht. Im Fokus standen bisher erwachsene Pendler: Im vergangenen Jahr zeigte der Fehlzeiten-Report des Wissenschaftlichen Instituts der AOK, dass Berufstätige mit langen Anfahrtswegen sich häufiger krankmelden.
Der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) in Nordrhein-Westfalen, Udo Beckmann, hat nun Studien für Schüler gefordert: „Bisher haben sich aber weder Schulträger noch Landesregierung Gedanken darüber gemacht, welche Auswirkungen lange Anfahrtszeiten auf die Gesundheit und das Lernverhalten von Kindern haben.“
Sollte sich das Ergebnis der Forscher Rummer und Herzmann bestätigen, wäre das für die Schulpolitik durchaus relevant: Wegen der sinkenden Schülerzahlen werden gerade auf dem Land und insbesondere auch im Osten Standorte zusammengelegt – und damit mehr Schüler zu Pendlern.
In Sachsen etwa besuchten 1991 noch 96 Prozent der Kinder und Jugendlichen eine Schule, die maximal 10 Kilometer entfernt war, so eine Auswertung des Statistischen Landesamtes. Im Jahr 2008 waren es noch 83 Prozent. Für zwei Prozent war die Schule bereits mehr als 25 Kilometer entfernt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“