piwik no script img

Frisches Blut für HouseBloody Mary mit viel Tomatensaft

Die junge Den Haager Produzentin Xosar alias Sheela Rahman programmiert feisten House-Sound mit nerdiger Präzision, auch auf der Bühne.

Xosar im Unterholz: Irgendwo lauert eine Floppy-Disc. Bild: Promo

Für ihren Auftritt in der Berliner Panorama-Bar veröffentlichte Xosar kürzlich auf Facebook einen „unofficial flyer“. Darauf gab sie folgendes Equipment bekannt: „2 x Electribe S, 1 x Electribe EA, 3 x Kaoss Pad, 1 x OP1, 1 x Tiger Outfit.“ Mit dieser knappen Liste hat die Produzentin und DJ Sheela Rahman schon ein ganz passendes Porträt ihrer Künstlerfigur Xosar abgegeben.

Xosar ist eine Synth-Pop-Techno-House-Lady. Wie auf dem Flyer angekündigt, holt sie für ihre Musik die Vintage-Gerätschaften der Neunziger hervor, zieht aus ihnen knarzende, elektronische Emotionen und mischt mit ihren Drummachines, Synthesizern und Effektgeräten einen manuell produzierten sinnlichen Clubsound heraus. Xosar ist ein Unikum.

Am Laptop mit wenigen Clicks die Tracks zusammenzumischen liegt ihr nicht, und dem klassischen Bild eines DJs, der mit einer Ladung Vinyl die Plattenspieler bedient, entspricht sie auch nicht. Tritt Xosar im Club auf, dann lässt sie Rechner und Platten zu Hause. Allein auf einer bunt blinkenden analogen Apparatur aus Reglern und Tasten produziert sie ihren Sound, offen für spontane Eingebungen. Wenn nicht in einem zebragestreiften Minirock, so zeigt sich die Lady auch gern im Tigeroutfit.

Konzert

Xosar live, Berlin, Stattbad Wedding, 27. September, 23 Uhr.

Dabei macht die in Den Haag lebende Sheela Rahman erst seit Kurzem, dafür aber umso intensiver auf sich aufmerksam. Unentwegt veröffentlicht sie seit 2011 Tracks und 12-inch EPs. Stark nachgefragte Labels wie „L.I.E.S.“, „Rushhour“ oder „Crème Organization“ liegen der Frau, die ihr Alter trotz Internet geheim zu halten weiß, zu Füßen. Mit dem Niederländer Danny Wolfers alias Legowelt, auch er als Produzent und DJ ein vernarrter Anhänger der antiquierten Soundautomaten, gründete sie das Duo Xamiga. Für Exkursionen in den Deephouse nennen sie sich Trackman Lafonte & Bonquiqui. Im Frühjahr 2014 soll Xosars erstes, komplettes Album veröffentlicht werden.

Kraftvoller Sound

Mit ihren Vintage-Geräten produziert Xosar einen puristischen, aber kraftvollen Sound: klare Arrangements, straighte Beats und energetische Synthesizer-Einlagen, die trotz Old-School-Effekten und disharmonischer Melodien von viel Emotionalität geleitet sind. Stilistisch changieren ihre Tracks zwischen einem dunklen, sphärischen Techno und einem warmen Retro-House.

Den musikalischen Retourlauf vertritt Sheela Rahman mit humoristischer Nostalgie. Kürzlich, auch das gab sie auf Facebook bekannt, soll sie für einen Xamiga-Track, ein originales Keyboard aus ihrer Kindheit, verwendet haben: Es handelte sich dabei um ein Mini Casio der „Baby Kermit Frog Edition“.

Xosar, das ist die Musikerin zum einen, und das ist die Kunstfigur zum anderen. In ihrer Medienpräsenz stilisiert sie sich zu einer bunten, von einem wilden Eklektizismus geleiteten Gestalt. Im neuen Videoclip zu „The Calling“ gibt sie Anleitung, wie sich Kontakt mit Aliens aufnehmen ließe. Freilich ist der Clip in einer verrauschten VHS-Optik gedreht, und flimmernde Alien-Nachrichten auf Commodore-Bildschirmen oder Utensilien wie eine großformatige Floppy Disc dürfen nicht fehlen.

Doch belässt Sheela Rahman es in ihren Inszenierungen nicht bei dieser amüsanten Adaption einer Neunziger-Ästhetik, die ohnehin gerade in der Popwelt um sich greift. Vielmehr geht sie, die ursprünglich aus dem hippiesken San José in Kalifornien stammt, ins Spiritistische über, betitelt ihre Tracks mit „Rays of Babylon“, „Voodoo“ oder „Ghosthaus“.

Okkulte Tigerlady

Auf ihrer Website zeigt sie sich mit langem schwarzem Haar neben einem weißen Tiger in lasziv liegender Pose, pro lectus – dekadent wie im antiken Rom – , während sich hinter ihr eine tropische Szenerie mit Wasserfall und Palmen eröffnet. Privat, so gibt die Neuropsychologin mit Berkeley-Abschluss zu, liebt sie die Natur. Aber sie mag es auch blutrünstig, die Blackmetal Band Burzum und das Cocktailgetränk Bloody Mary („je blutiger, desto besser“) gehören zu ihren Freizeitfavoriten.

So ist es auch nicht abwegig, dass sie für ihre jüngste Veröffentlichung bei Crème Organization ihr wohlgezeichnetes Konterfei vor Knochen und Schädeln in einer Katakombe ablichten ließ. Xosar schließlich ist eine überkolorierte, technoide Folklore-Dame, Elemente von Science-Fiction, Okkultismus, Erotik, Antike und Exotik fließen bei ihr zusammen.

Aus dem klar strukturierten und bretthart rhythmisierten Sound Xosars schimmert diese stilistische Crazyness mit verlorenen Gesangseinlagen, Tribalsounds und seltsam wabernden Synthesizergemischen durch. Als „Desert Seance“ oder „Bangladesh Acid“ bezeichnete Sheela Rahman ihre Musik selbst. Vor allem aber klingt alles bei ihr nach Vergangenem, in der verstaubten Synthetik nach einem Futurismus, der lange verschwunden ist und nicht mehr wiederkehrt. Dieser Widersprüchen aus Retro und gestrigem Zukunftsspirit bedient sich die Vintage-Musikerin und holt sie mit sagenhaftem Beat und wuchtiger Musik absolut präsent in die Gegenwart.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • K
    keinBock

    Die unkommentierte Nennung der Band "Burzum" des militanten Neo-Nazis und verurteilten Mörders Varg Vikernes ist äußerst problematisch !

    Info "Burzum" und "Varg Vikernes" in "Blick nach rechts":

    http://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/martialischer-neuheide

    • MV
      Manfred von Poserkiller
      @keinBock:

      Burzum scheint die einzige Metal-Band zu sein, die irgendwie nerdig genug für urbane Hipster ist. Man kann davon ausgehen, daß die Dame keine andere Metal-Band überhaupt kennt. Das ist nur so ein Coolness-Faktor-Dingens.