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Ironman auf HawaiiSeltsame Grenzverschiebungen

Der Deutsche Sebastian Kienle wird Dritter beim Ironman. Für das größte Aufsehen sorgt Siegerin Mirinda Carfrae: Nur zwei Männer liefen schneller als sie.

Geschafft. Sebastian Kienle feiert seine Platzierung beim Ironman 2013. Bild: dpa

Als immer noch die Sonne in die Bucht von Kailua-Kona schien und die Siegerehrung auf dem Parkplatz des King Kam Beach Hotel noch bevorstand, hat sich Faris Al-Sultan auf eine Steinmauer gesetzt. Und mit markigen Sätzen ausgedrückt, dass der diesjährige Ironman Hawaii für den deutschen Markt eine Zeitenwende besiegelt haben könnte.

„Die Wachablösung ist da!“, stellte der Münchner fest, der zwar alles auf diese Weltmeisterschaft ausgerichtet hatte, aber letztlich erneut nur Zehnter wurde. „I g’winn hier nix mehr. Der ganz große Stich – das kannst vergessen.“ Der Hawaii-Champion von 2005 will wiederkommen, aber nicht mehr um die Krone kämpfen.

Anders als Sebastian Kienle, der nicht umsonst als „Deutschlands Triathlet des Jahres“ firmiert. Bei seinem zweiten Start auf Big Island erklomm der 29-Jährige erstmals das Podium: völlig erschöpft, aber überglücklich blieb der Karlsruher nach ereignisreichen 8:19:24 Stunden über die 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42 Kilometer Laufen im Zielkanal liegen. „Ich wusste gar nicht, dass es nichts Schöneres geben kann, als auf dem Asphalt zu ruhen“, sagte Kienle später, „ich war absolut am Limit.“

Ironman 2013

Männer: 1. Frederik Van Lierde (Belgien) 8 Stunden, 12 Minuten 29 Sekunden; 2. Luke McKenzie (Australien) 8:15:19; 3. Sebastian Kienle (Deutschland) 8:15:19 … 9. Timo Bracht 8:26:32; 10. Faris Al-Sultan 8:31:13

Frauen: 1. Mirina Carfrae (Australien) 8:52:14; 2. Joyce Rachel (Großbritannien) 8:57:28; 3. Liz Blatchford (Großbritannien) 9:03:35 … 16. Kristin Möller 9:31:41 (Deutschland)

Marathonzeiten Männer/Frauen: 1. Aernouts Bart (Belgien) 2:44:03; 2. Ivan Rana (Spanien) 2:47:54; 3. Miranda Carfrae 2:50:38 … 5. Frederik Van Lierde 2:51:18

Dass der Belgier Frederik van Lierde (8:12:29) sich die Krone aufsetzte und der Australier Luke McKenzie (8:15:19) Zweiter wurde, konnte ihn daher nicht ärgern. „Ich bin super happy“, beschied der Drittplatzierte, der beim Schwimmen gewaltige Fortschritte („bin doch nicht total talentfrei“) und auf dem Rad mächtig Betrieb machte („wollte das Feld zerpflücken“). Kraftanstrengungen, die auch vor dem Hintergrund seiner durch einen Bänderriss und einen Infekt erzwungenen Auszeit im Frühjahr beinahe beim Laufen zum K.-o. geführt hätten.

Kurz vor der Aufgabe

„Ich habe schon nach einer Meile des Marathons gedacht, dass ich aufgeben muss – und nach zwei und drei Meilen auch, aber das kannst du als Dritter nicht machen“, bilanzierte Kienle, der bei der „abartigen Hitze“ (Al-Sultan) sich zwischenzeitlich Kilometerzeiten von 6:30 Minuten leistete.

Immerhin fand er „den total verlorenen Rhythmus“ noch wieder, während etwa der hoch gehandelte Andreas Raelert einen schwarzen Tag erwischte. Der 37-jährige Rostocker gab nach Problemen mit seiner Oberschenkelmuskulatur auf. Der 38-jährige Eberbacher Timo Bracht erkämpfte sich dank seiner mentalen Stärke noch den neunten Rang – und doch wird die Generation Al-Sultan, Raelert oder Bracht sich auf der Langdistanz wohl auf absehbare Zeit hinter Kienle einreihen müssen.

„Wohin das bei mir noch hinführen soll, ist klar. Mein perfekter Tag kommt noch“, prophezeit der Physikstudent selbstbewusst. Und doch ordnet er dem Hawaii-Sieg nicht alles unter; oft genug hat er bekannt, dass der Halbdistanz-Ironman-Weltmeister lieber den Nobelpreis in Physik gewänne, weil „das noch eine ganze andere Leistung erfordert“.

Fabelzeit im Frauenfeld

Großes Staunen rief die neue Fabelzeit im Frauenfeld hervor: Die strahlende Siegerin Mirinda Carfrae schaffte es ja nicht nur, nach 8:52:14 Stunden die alte Bestmarke der in der Szene nun wahrlich nicht bestens beleumundeten Britin Chrissie Wellington zu brechen, sondern die 32-Jährige lief mit 2:50:35 Stunden eine schier unglaubliche Marathonzeit.

Überhaupt nur zwei Männer waren zwischen Ali’i Drive und Energy Lab schneller als die zähe Australierin, die ihrem angehenden Ehemann Tim O’Donell, dem Fünftpatzierten im Männerrennen, einen peinlichen Moment in der Nachbetrachtung bescherte. War doch der als exzellenter Läufer geltender US-Amerikaner über die 42,195 Kilometer fast noch eine halbe Minute langsamer.

Da wurde auch der neue Champion stutzig. „Ich höre zum ersten Mal, dass die Frauensiegerin schneller war als ich“, sagte van Lierde. „Wirklich wahr?“ Der latente Zweifel schwimmt, radelt und läuft eben längst auch beim berühmtesten Triathlon-Event der Welt mit.

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4 Kommentare

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  • P
    Petta

    Noch seltsamer wird die Grenzverschiebung, wenn man sich die gute Frau Carfrae anschaut und bemerkt, dass sie vor 2-3 Jahren noch nicht so ein Schumacher-Kinn und einen Hals wie Hulk hatte...... das Kinn wächst nicht durch Intervalltraining! Und ausserdem ist die Gute auch kein Leichtgewicht, was auch wieder gegen solch eine ausserirdische Marathon-Zeit spricht....besonders bei der Hitze auf Hawaii...

  • L
    lowandorder

    Waldniel - läßt grüßen.

     

    Mir geht der Hype um diesen Quälkram et al.

    längst mehr als am Arsch vorbei ( " Sieg des Willens", geht's noch?)

    aber die Ergebnisse bei den Frauen geben Gelegenheit

     

    an Ernst van Aaken ,

    Arzt in Waldniel, zu erinnern,

    der in den 50ern die Kritik des Intervalltrainings formuliert und eben eine solche Entwicklung für Ausdauersportarten vorausgesagt hatte.

    (Gegen den anfänglichen, handfesten Widerstand von Karl Adam wurden erst Ende der 60er angesichts der unabweisbaren Erfolge der DDR und der Schweiz auf Langstreckenträning umgestellt.)

     

    Ganz banal zugunsten der Frauen:

    in den Ausdausportarten spielt bei ausreichendem Kraft/Last-Verhältnis die Kraftseite nur eine untergeordnete, die ärobe Stoffwechselseite eine um so größere Rolle; auch der insgesamt " keichtere" Körperbau ist von Vorteil.

     

    Bei Kenne kann von " Seltsamer Grenzverschiebung" also nicht die Rede sein.

  • A
    Andrea

    Das ist ja eine angenehme Überraschung, dass die taz sich zum Triathlon Hawaii äußert. Ich hätte mich allerdings über Quellenangaben gefreut: so stammen die Zitate der Athleten im Text aus Interviews, die ihrerseits auf tri-mag.de nachzulesen bzw. zu sehen sind. Ansonsten ist der unausgesprochene Dopingverdacht gegen Mirinda Carfrae wohlfeil. Ich fand das Rennen insgesamt spannend und freue mich für die Siegerin wie für den Sieger. Übrigens waren auf Hawaii 26 % der Teilnehmenden weblich - Ironmen versus Satinwomen?! Gruß, Andrea

  • M
    Marky

    Man kann bestimmt gegenteiliger Meinung sein über dieses Rennen. Aber mich fasziniert diese Willensleistung. Für mich ist das der Beweis, dass Menschen etwas schaffen können, bei dem der Intellekt sagt "nein, das geht niemals" (und zumindest bei meiner Frau, die den Ironman in Frankfurt absolviert hat, weiss ich, dass sie nichts nimmt!) Ich finde das sehr tröstlich!