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Basteln und verkaufen im NetzEgoistische Scheußlichkeiten

Menschen produzieren Dinge selbst und verkaufen sie im Netz. Das könnte politisch sein, doch meistens quälen sie damit nur ihre Liebsten.

Einer der vielen unglücklichen Männer mit Mütze. Bild: Imago/mm images/Neudert

Auf etsy.com kann jeder selbst gemalte, gestrickte, gebastelte oder genähte Produkte kaufen und verkaufen. Um all das, vom bedruckten Handtuch bis zur selbst gehäkelten Mütze, entsprechend zu präsentieren, brauchen die VerkäuferInnen jedoch Models - meist werden die Freunde, Kinder oder Ehemänner genötigt.

Tumblr-Blogs wie sad etsy kids oder sad etsy boyfriends listen Fotos von unglücklichen Kleinkindern, und genötigten Männern auf, die Federhaarschmuck, Dinosauriermütze oder bunte Haremshosen tragen müssen. Und dabei ziemlich widerwillig bis traurig in die Kamera schauen.

Der Trend zum Selbstgemachten ist ein Phänomen unserer Zeit. Nicht nur Schmuck und Kleidung, sondern auch die selbst angebauten Tomaten und die eingekochte Marmelade, sind Produkte, mit denen sich Prahlen lässt. Als ein Weg zu einer dezentralen Konsumgesellschaft, könnte das Do-it-yourself-Phänomen höchst politisch sein – im besten Fall.

Eine weiße Fellmütze mit Einhorn, ein Filzschal mit Stacheln oder eine gemusterte Stoffbrosche in Penisform braucht jedoch kein Mensch. Diese Dinge zu erschaffen und davon auszugehen, dass sie jemand kauft, ist naiv.

Der Drang nach Individualität

Seine Freunde und Kinder mit diesen Scheußlichkeiten ins Internet zu stellen, also in die Öffentlichkeit, ist mehr als egoistisch. Der Drang nach Individualität und Selbstverwirkung ist größer, als die Empathie mit den Liebsten.

Die Kinder können sich nicht wehren. Sie müssen es über sich ergehen lassen und können Jahrzehnte später mit ihrem Therapeuten ausführlich drüber sprechen. Die Männer könnten es, doch sie halten still. Und so bekommen die egoistischen ProduzentInnen ungerechterweise etwas ganz Wunderbares: Einen Liebesbeweis ihres Mannes.

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10 Kommentare

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  • K
    kurtc

    "Der Trend zum Selbstgemachten ist ein Phänomen unserer Zeit. Nicht nur Schmuck und Kleidung, sondern auch die selbst angebauten Tomaten und die eingekochte Marmelade, sind Produkte, mit denen sich Prahlen lässt."

     

    Stimmt, meine Oma hat sowas nie selbst gemacht. Wirklich eine treffende Zeitdiagnose.

  • A
    auaAUA

    ich bitte um nachsicht für den nachwuchs

     

    hier hat sich die zukünftige KIELER bürgermeisterin ausgereihert

  • H
    hmmm

    ich finds klasse

  • A
    arigoe

    was für ein Niveau! taz hat endgültig den Sprung ins "Brigitte" - Format geschafft. Was interessiert mich die vollkommen persönliche, unreflektierte Meinung der Autorin?? Oh jeeee

  • C
    Coco

    dies soll doch nicht im ernst ein zeitungsartikel sein?! liest sich eher wie ein leserkommentar.

    Ihre "journalisten" sollten dann wirklich lieber mehr über die made-in-china hintergründe und deren auswirkung u.a. auf kinder (!) recherchieren.

     

    - dieser kommentar muss nicht auf der leserkommentar liste erscheinen

  • M
    marina

    Bestimmt eine Gelegenheit sich die Frage zu stellen, wo die Reflexivität der Autor_innen stecken geblieben ist:

    1. einfach irgendeine Webseite ohne weitere Überlegungen kopieren?

    2. einen krassen Cliché der männlichen und weiblichen Rolle einfach so übernehmen

    3. Gesellschaft ist (zwangsläufig) in heterosexuelle Ehepartnerschaft organisiert

    4. Spuren, aber so kleine Spuren, von männlichzentrierter Frauenfeindlichkeit.

    ...warum??

  • B
    Blumb

    1. Für alle drei als unverkäuflich bezeichneten Produkte kenne ich Leute, die sie sich ohne Weiteres kaufen würden. Der Stachelschal gefällt mir selbst.

     

    2. Lieber ein buntes Sortiment an Dingen, die sehr schrill sind, als der spießige Kram in den Kaufhäusern!

     

    3. Frauen werden auch heute noch von vielen Männern als Beistellblinze gesehen und im Freundes- und Kollegenkreis ausgestellt. Da habe ich wenig Mitleid mit den paar Männern auf Etsy...

     

    4. Es gehört eben zum Rollenbild von Männern, eher grimmig in die Kamera zu schauen. Wer weiß, ob darunter nicht auch einige Diven sind, die es genossen haben... ;)

  • L
    luc

    Wäre gut, wenn das auch mal die Kunstindustrie einsähe.

  • "Dinge die die Welt nicht braucht" und Scheusslichkeiten aller Art finde ich in jedem Kaufhaus.

    Selbermachen führt auf die Dauer zumindest zu Kompetenzerwerb auf unterschiedlichsten Ebenen (kann man schon bei Kindern beobachten).

    Selbst, dass Freunde, Ehemänner und Kinder sich zu schlimmen Fotos "mißbrauchen" lassen, wird auf die Dauer eher zu einer Klärung der Beziehung beitragen. Unterm Strich ist Selbermachen klar positiv zu bewerten.

    Und kaufen muss es ja keiner. Auch das zu Erleben kann wiederum zur persönlichen Weiterentwicklung beitragen...

  • Ich verstehe das Problem nicht. Solange es nicht gerade eine Kopfbedeckung o.ä. ist, muss das Gesicht auf dem Bild doch nicht zu sehen sein.