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Kolumne FernsehenAchtung! Fernsehen!

Jürn Kruse
Kolumne
von Jürn Kruse

Für alles gibt es Hilfe, nur fürs richtige Glotzen nicht. Das Bundesamt für Fernsehen macht Schluss damit – und gibt praktische Tipps.

Zwei Männer, kein einziger Hit: Ross Antony (l) und Bernhard Brink. Bild: dpa

F ernsehen in Deutschland ist Mist. Die Öffentlich-Rechtlichen verprassen nur unser hart unter Tage verdientes Beitragsgeld für schlechte Krimis, und die Privaten, ach, die sind noch schlimmer. Kann man immer bringen, solche Sprüche.

Dabei begehen die Leute schlicht den „Mal schauen, was läuft“-Fehler. Wer einfach mal so um Viertel nach acht ein paar Programme durchzappt, findet tatsächlich viel Müll und ein bisschen was Recyceltes. Das ist wie beim Einkaufen: Wer mit leerem Magen durch den Discounter streift, kauft all den Kram, den er später bereut. Dann frisst er zu Hause das, worauf er gerade eben Bock hatte, ihm ist danach übel – und der Rest Fleischsalat vergammelt in der hintersten Ecke des Kühlschranks.

Wer unvorbereitet fernsieht, dem ist danach auch schlecht. Trotzdem machen viele es immer wieder, genau wie beim Einkaufen auf leeren Magen. Doch fürs korrekte, sparsame Einkaufen gibt es Verbraucherzentralen oder das Bundesministerium für Verbraucherschutz oder die Stiftung Warentest, die die Menschen an die Hand nehmen. Wer „nicht hungrig einkaufen“ googelt, findet 224.000 Treffer: Wer „nicht unvorbereitet fernsehen“ in An- und Abführung setzt, findet: nichts. Ohne Anführungszeichen gibt’s immerhin den Hinweis des Schweizer Fernsehens, dass man nicht unvorbereitet zum deutschen Zahnarzt gehen sollte.

Also fangen wir jetzt damit an: Das Bundesamt für Fernsehen gibt hiermit seine erste Broschüre für den sparsamen und dennoch freudvollen Gebrauch des TV-Geräts heraus:

1. Nie mit leerem Gehirn fernsehen: Nutzen Sie Ihr Fernsehprogramm und die Programmtipps in Ihrer Tageszeitung.

2. Bücken Sie sich: So wie im Supermarkt stehen die guten und günstigen (werbefreien) Waren zumeist nicht im engeren Blickfeld. Sparen Sie sich die ersten neun Programme, die Sie mühsam mit Ihrer Fernbedienung auf diese Premiumplätze gelegt haben, weil Sie dachten, dass dort die wirklich relevanten Dinge laufen. Was gut ist, wird im öffentlich-rechtlichen Kosmos eh vorher bei einem Digitalableger oder Arte gezeigt (und dort auch wiederholt). Und die Privaten, ach, wann haben Sie zuletzt RTL, RTL 2 oder Sat.1 geschaut? Sehen Sie …

3. Nein heißt Nein: Den Fernsehschrott kann man zwar auf einer Metaebene total superlustig finden. Aber auf die Dauer macht meta keinen Spaß. Deswegen: ruhig mal ausschalten, wenn man merkt, wieder bei „Frauentausch“ hängen geblieben zu sein.

4. Jeder Tag ist Weltspartag: Neben dem Europatag ist der Weltspartag das wichtigste Datum des Jahres. Weiß jeder. Was das Fernsehen betrifft, so können Sie sich auch dort jeden Tag etwas beiseitelegen: Festplattenrekorder und Mediatheken machen’s möglich. Und am Ende hat man dann ein Sparschwein vollgefüllt mit Qualitätsfernsehen. Damit legen Sie sich dann auf die Couch und sind am Ende des Fernsehabends ebenso froh wie damals, als Sie Ihre Groschen zur Sparkasse brachten und dafür ein Kuscheltier bekamen.

5. Viel Spaß! Ihr Bundesamt für Fernsehen

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Jürn Kruse
Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.
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10 Kommentare

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  • J
    Jannis

    Wann geht die Kolumne weiter?

     

    Das Bundesamt für Fernsehen ist in meiner Familie jetzt ein Begriff. Schon Sendungen für schlechte Zeiten aufgenommen und versteckt. Empfohlene Filme zu Weihnachten rausgeschrieben. Jahresrückblicke geächtet.

     

    Wir wollen mehr!

     

    Seit mehreren Jahren schalten wir eigentlich in jeder Werbezeit im Free-TV den Ton ab. Werbung nervt. Angenehme Ruhe-Pause und Zeit zum Lesen von Zeitung. Unangenehmes Gewissen. Das meldet sich manchmal.

     

    Wie sehen Sie das? Sollte man bei so Fernseh-Verhalten den angesehenen Sendern ab und zu Geld überweisen?

  • S
    Semilocon

    Ich gucke durchaus gern Serien, die ich gut finde (sind allerdings keine deutschen Serien drunter) oder Formate, die informativ sind (natürlich nicht, ohne nachher auf diversen Plattformen nachzusehen, ob es auch Korrekturen oder Kritik gibt. Quellenkritik sollte man schon draufhaben).

     

    Aber das tue ich nicht mit dem Fernseher, sondern mit dem Computer. Die Serien, die mich interessieren, laufen entweder gar nicht im normalen TV oder nur auf Pay-TV Kanälen, die ich nicht empfangen kann, ohne noch mindestens 10 zusätzliche Sender dazubuchen zu müssen, die ich nicht brauche und nicht will.

     

    So freue ich mich über einen Ausbau gerade der Öffentlich-Rechtlichen im Internetangebot, so wie ich ja auch meine Serien per Abo gerne legal online und zu jeder mir beliebigen Zeit anschauen kann. Nur einen verpflichtenden Ausbau des Breitbandes in Deutschland wäre schön, aber in diesem technischen Entwicklungsland kann man darauf wohl lange warten.

  • L
    LaraK

    Hilfe gibt es - wo sonst - auf youtube:

    http://www.youtube.com/watch?v=81dd1p3L7to

  • Mal sehen, wann der erste Bessermensch hier schreibt, 'also iiich habe meinen Fernseher abgeschafft für Gespräche/Spiele/Blogs (setzt einfach irgendwas flauschiges ein, was im Zusammenhang mit losem Tee funktioniert) und alle, die das nicht tun sind entweder schlechtere Menschen oder zu bemitleiden'.

     

    Fernsehen macht die Dummen dümmer und die Klugen klüger.

  • W
    wardawas

    Den bescheuertsten Kommentar, den ich mal gehört habe, und der die gesamte Misere des Fernsehens zusammenfasst, wurde mir mal auf die Aussage hin an den Kopf geworfen, dass ich eigentlich ganz gern mal TV schaue, insbesondere arte würde ich da gern schauen.

    Die Antwort: "Hast du mal die Sendung XY auf arte gesehen? Die ist totaler Mist!"

     

    Manche Leute scheinen gar nicht zu wissen, dass man um-, ja sogar abschalten kann. Sie lassen sich penetrant berieseln und sind dann sauer aufs TV, weil nicht alles toll ist.

     

    Tucholsky hat mal geschrieben: "Ein Leser hats gut: er kann sich seine Schriftsteller aussuchen."

    Andersrum ist das eben nicht so einfach...

  • Ich gehe mit Einkaufszettel einkaufen und gucke Sendungen, über die ich vorher gelesen und die ich für interessant befunden habe - wobei werbefinanziertes Fernsehen kategorisch ausgeschlossen ist. Mehr wird also nicht geguckt und auch nicht eingekauft. So muss ich nie Lebensmittel wegschmeißen und auch nicht versehentlich medialen Dreck in mich aufnehmen.

     

    Was man so hört, ist Fernsehen eh tot und demnächst weg. Tatsächlich jedoch wird es nicht so bald verschwinden, da es weiterhin eine große, unsichtbare Masse gibt, die täglich viel und wahllos fernsieht. Tot jedoch ist es längst. Schon lange. Was sich da noch bewegt, ist ein Untoter, ein Zombie, der sich von Gehirnen ernährt, weil sein eigenes verfault ist. Und alle, die mit ihm in Berührung kommen, werden ebenso Zombies.

    • Z
      Zombie
      @Regenwetter:

      Na Sie sind ja freundlich zu der Mehrheit der Deutschen. Die sieht wahrscheinlich kein Einkaufszettel-Fernsehen. Fernsehen ist das wichtigste Medium in allen Altersgruppen.

       

      Analog zu den Zombies wären Leser der Springer-Bild für Sie Komposthaufen. Mit dem Bauarbeiter vor der Haustür werden Sie dann wohl auch keine längeren Gespräche führen (können).

      • @Zombie:

        Also bitte: Wer wahllos TV sieht, denn darum geht es, tut seinem Gehirn nichts Gutes. Ebenso wie jemand seinem Körper nichts Gutes tut, der wahllos ist in der Auswahl seiner Nahrungsmittel. Worüber empören Sie sich so künstlich? So sehr, dass Sie sich zu Unterstellungen genötigt sehen, im Versuch, mich in eine Ecke zu drängen? Um Ihre Unterstellung aber zu beantworten: Ich traue einem Bauarbeiter - wie jedem Menschen, unabhängig seiner Bildung und seines Berufes - sehr wohl zu, eine Auswahl in Sachen körperlicher und geistiger Nahrung zu treffen. Sie etwa nicht? Meine Güte, ich habe doch an keiner Stelle von Bildungsbürgern o. ä. gesprochen, werter ZOMBIE.

        • Z
          ''Zombie''
          @Regenwetter:

          Mich kränkte eine Verallgemeinerung, die ich in Ihrem zweiten Absatz vom Freitag zu lesen meinte.

           

          In dem Absatz steht, das "es" tot ist. Es, das Fernsehen. Im Satz danach wird das Fernsehen als Untoter bezeichnet. Im Satz danach werden "alle, die mit ihm in Berührung kommen", als Zombies bezeichnet.

           

          Eine fantastisch weitergedrehte Metapher wird das in den anschließenden Sätzen. Die Geschichte schießt gen Ende meiner Meinung nach aber über Ihr Ziel hinaus, wenn Sie eigentlich den Sinn kluger Auswahl bei Fernsehsendungen hervorheben möchten.

           

          Beim Aufräumen meiner Wohnung sehe ich gerne "wahllos" Phönix, Regionalsender, 3Sat, zu Silvester mit Konzerten. Je nachdem, was gerade so läuft an Dokumentationen, Nachrichten und sehenswerten Filmen.

          Vorher alles an Programm durcharbeiten und dann nach Zeitplan fernsehen, das ist mir zu umständlich. Klappt bei mir schon bei dem schön aufgemachten Hörprogramm des Deutschlandradios nicht. Entweder im Fernsehen läuft etwas Interessantes, oder ich schalte wieder aus.

           

          Wenn etwas Interessantes läuft, setze ich mich nicht mit Zettel und Stift vor den Bildschirm und schaue aufmerksam zu. Ich sehe nebenbei. Begleit-Programm. Zum Ablenken von der Hausarbeit mittels Geschichten. Auch zum Abspannen, Katharsis von angesammelten Emotionen von unterwegs aus der Stadt (in der Berliner Buslinie M29 in der Wilhelmstraße erlebte ich vor einer Stunde, wie ein alkoholisierter Mann eine Mutter mit kleiner Tochter rassistisch beleidigte. Mann schließlich von Fahrgast aus Bus geworfen. Mutter und Tochter tun mir Leid. Fernsehen nachher am Abend wird mir zum Entspannen bestimmt gut tun) und Unterhalten. Meiner Meinung nach hat Fernsehen verschiedene Funktionen, die nicht unterschätzt werden sollten.

           

          Ich fühle mich sehr lebendig.