piwik no script img

Umstrittene AltersversorgungFrauen bei Rente mit 63 benachteiligt

Nur jede siebte Neurrentnerin erfüllt die Voraussetzung für die geplante abschlagsfreie Frührente. Grünen-MdB Markus Kurth: „Davon profitiert vor allem dem Facharbeiteradel."

Sie haben viel gegeben, kriegen tun sie dafür weniger: ältere Arbeitnehmerinnen. Bild: imago / Canera 4

BERLIN dpa | Wie sehr Frauen bei der von Union und SPD vereinbarten abschlagfreien Rente mit 63 für langjährig Versicherte gegenüber Männern benachteiligt sind, zeigt sich nach einem Zeitungsbericht auch in offiziellen Zahlen.

Danach erfüllt jeder zweite männliche Neurentner im Alter von 63 bis 65 Jahren die Voraussetzung für die geplante abschlagfreie Frührente, aber nur jede siebte Frau, schreibt die Frankfurter Rundschau unter Berufung auf Daten von Bundesregierung und Rentenversicherung.

Enthalten sind die Daten in der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Sozialexperten der Grünen-Bundestagsfraktion, Markus Kurth. Voraussetzung für die abschlagfreie Rente mit 63 sind 45 Beitragsjahre. Kurth kritisierte: „Das ist eine Regelung, die vor allem dem Facharbeiteradel zugute kommt." Viele Anspruchsberechtigte hätten zudem Anspruch auf eine Betriebsrente: „Das Vorhaben hat eine eklatante soziale Schieflage.“

Unterdessen wollen aber auch die Beamten in den Genuss der Rente mit 63 sowie der verbesserten Mütterrenten kommen. „Wir fordern die systemgerechte Übertragung von Verbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung“, sagte der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes, Klaus Dauderstädt, der Frankfurter Allgemeine Zeitung. „Alles andere wäre sachlich nicht zu begründen und schlicht ungerecht.“ Der CDU-Rentenpolitiker Peter Weiß sagte zur Forderung des Beamtenbundes, sie sei „logisch“, könne aber insbesondere für die Länder sehr teuer werden.

Erst am Mittwoch hatte der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, die schwarz-rote Rentenbeschlüsse als fatale Fehlentwicklung kritisiert. „Union und SPD handeln im Hier und Jetzt und nicht für die Zukunft des Landes“, sagte er. Die Lebenserwartung der Menschen steige. In naher Zukunft seien eher 100-Jährige der Normalfall. „Die Konsequenz darf deshalb nicht die Absenkung des Renteneintrittsalters von 67 auf 63 Jahre, sondern muss eine Anhebung von 67 auf 69 Jahre sein.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • ".. sie sei „logisch“, könne aber insbesondere für die Länder sehr teuer werden. .."

     

    Wenn staatliche Einrichtungen an RuheständlerInnen Pensionen zahlen, müsste das doch kostengünstiger sein, als wenn sie denen Gehälter zahlen....

  • A
    Andreas

    Das Ganze ist eine Mogelpackung und wird nur Miniwirkung haben. Warum das auch noch stressig teuer sein soll, kann ich mir nicht erklaeren. Dies ist genau die Sorte von Psyeudo-Loesung, die wir in den naechsten vier Jahren zu erwarten haben. Wenn dann Rentner ab 2020 massenhaft verarmen, muss der Bundestag massenweise Hartz bzw. Sozialgeld locker machen, um Millionen Menschen in Armut zu substituieren. Dass viele dieser Frauen hier ihr Leben lang von Maennern gezielt schlechter bezahlt wurden, zeigt, wie der Hase laeuft.

  • W
    Walter

    "Facharbeiteradel"? Das ist doch eine Unverschämtheit!

    Jetzt macht sich diese unsortierte, unqualifizierte Ökotruppe, die sich vornehmlich für irgendwelche unproduktiven Randgruppen und dss ungestörte Liebesleben der Maikäfer im Rückenflug engagiert über DIE Menschen lustig, die seit ihrem 16-17ten Lebensjahr durchgängig eine ehrliche, meist körperliche Arbeit geleistet haben statt sich weder von Mama und Papa noch dem Steuerzahler finanzieren zu lassen.

    Aber danke für diese verbale Entgleisung. So reduziert sich dem mitdenkenden Wähler künftig die Auswahl an seriösen, potentiell wählbaren Parteien.

     

    Mit freundlichen Grüßen (und einem verständnislosen Kopfschütteln),

    Walter Füntmann

  • Wir erhöhen das Renteneintrittsalter einfach auf 90 Jahre. Dieses Alter erreichen fast nur Frauen. Dann sind hoffentlich auch die FeministInnen zufrieden...

  • S
    Stamm

    bedingungsloses Grundeinkommen für alle und man spart sich dieses gemurkse.

    wäre im endeffekt wohl auch billiger als die riesen verwaltungsmaschinerie, die je nach momentanen rentenideen hin-und herkutschiert wird...

  • Hallo!?!

     

    Es geht hier doch nicht um eine generelle Einführung der Rente mit 63, wo alle schreien können "...ich will auch!" sondern um eine Sonderregel für Leute die richtig Beitragsjahre geknüppelt haben. Wenn die Zahlen von @Wolfgang stimmen also eine relativ kleine Gruppe.

    Nur deshalb ist diese kulante Regelung (die ich übrigens unterstütze ohne selber davon zu profitieren) überhaupt bezahlbar.

     

    Zur Benachteiligung der Frauen zugespitzt aber größtenteils treffend: @Klarsteller, @Harry,@Simax.

     

    "Facharbeiteradel": ja ja, auch so eine Wortschöpfung für die es den goldenen Mißfelder geben müsste. Den jungen Grünen fehlt inzwischen auch etwas die Erdung.

     

    Ich bin ja generell kein Beamtenfeind aber was Herr Dauderstädt von sich gibt ist ja nun wirklich reinstes Lobbygequake da nach 44 Dienstjahren (die in Praxi nicht durch Arbeitslosigkeit unterbrochen werden können, ein Riesenvorteil siehe nochmal @Wolfgang)) der volle Pensionsanspruch erreicht ist. Zudem erlaubt es die Pensionshöhe zumeist, mit verschmerzbaren Abzügen vorzeitig in den Ruhestand zu gehen.

     

    Davon träumen Facharbeiteradel und Supermarktkassiererin gleichermaßen.

  • AV
    Aufklärung vs. Volksverdummung

    FacharbeiterInnen in Deutschland, nach deren harten körperlichen und geistigen technisch-wissenschaftlichen Lohn-Arbeit, haben eine geringere Lebenserwartung als StaatsbeamtInnen, MinisterInnen, Regierungs- und Parlaments- MillionärInnen und Erbschafts-MilliardärInnen: deren sozial-ökonomische Wohlstands- und Reichtums-Existenz aus der realen Wert- und Mehrwertschöpfung der FacharbeiterInnen und aller anderen Lohnabhängigen und "Hartz-IV"-Opfer erwirtschaftet und finanziert wird.

  • TL
    Titus Löffler

    "Facharbeiteradel" - hat der Typ sie noch alle?

    Selber auch noch nie einen Tag in seinem Leben "gearbeitet" und dann so despektierlich über die Leistungselite in Deutschland reden.

     

    MFG

    Titus Löffler

  • K
    Klarsteller

    Hätte mich auch gewundert, wenn man nicht gleich bei Frauen wieder eine "Benachteiligung" ausmacht.

    Für die Männer gilt: ein halbes Dutzend Jahre früher sterben. Dafür bekommt die Frau dann die Witwenrente. Diese "Benachteiligung" wird aber schamhaft unterschlagen.

  • H
    Harry

    Schon wieder eine Gerechtigkeitslücke

    Es ist zum Verzweifeln. Was auch immer sich die Politiker ausdenken, jedesmal gibt es eine Gruppe, die nicht profitiert und also sich also ungerecht behandelt fühlen darf.

    Mein Vorschlag wäre, zu prüfen, ob die Nichtbeteiligung der Männer an der Mütterrente als Ausgleich für den Vorteil bei der Rente mit 63 akzeptiert werden kann. Wenn das nicht ausreicht, könnte man auch hier eine Quotenregelung für Frauen ins Auge fassen.

    • F
      fönixausderflasche
      @Harry:

      Die Lücke würde es als ungerecht empfinden, wenn sie immer kleiner gemacht wird.

  • S
    Simax

    Benachteiligung von Frauen generell bei der Rente ? Wenn ich mir die Anzahl von Muttis anschaue die Jahre bis Jahrzehnte ziemlich relaxt die Cafes bevölkert sehe ich das eher nicht. Solange Frauen (auch Feministinnen) keine Hausmänner haben wollen (O-Ton: warum soll ich denn sowas durchfüttern), aber durchaus darauf beharren selbst von Staat und Mann durchgefüttert zu werden wird sich das wohl nicht ändern.

  • W
    Wolfgang

    Nochmals, die unerwünschte Wahrheit, wie so oft:

     

    Für Frauen in Westdeutschland lag im Jahr 2012 die RV-Leistung im Durchschnitt bei/für 18 gesetzliche RV-Versicherungsjahre, im Osten für Frauen noch bei ca. 34,6 RV-Jahre. (Männer im Westen bei 29,6 RV-Jahre, im Osten noch ca. 38 RV-Jahre).

     

    Fakt ist:

     

    Mehr als 80 Prozent der Erwerbstätigen in Westdeutschland erreichen keine 45-Beitragsjahre für die RV. Mit Ausnahme - von Beamtinnen im Staatsdienst - ist deren Anteil noch größer (über 90-95 %).

     

    Im "Durchschnitt" (mit Ausnahme von Frauen im Staatsdienst, Behörden und Ministerien etc.) liegt die RV-Altersrente für vormals berufstätige Frauen und Mütter in Westdeutschland weit unterhalb der geringen Grundsicherung (unterhalb von "Hartz-IV") bzw. Sozialhilfe! -

     

    Dieser Zustand - für arme werktätige Frauen und Mütter - ist in Deutschland (asozial-) ökonomisch und politisch erwünscht!