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Hinrichtung in NordkoreaTödlicher Machtkampf in Pjöngjang

Jang Song Thaek war bis vor kurzem der zweitmächtigste Mann Nordkoreas. Nun hat sein Neffe Kim Jong Un ihn hinrichten lassen.

An einer U-Bahn-Station in Südkoreas Hauptstadt Seoul verfolgen Passanten Fernsehbilder von der Verhaftung Jang Song Thaeks. Bild: ap

PEKING taz | In Nordkorea wird nicht lange gefackelt. Kaum hat ein Militärtribunal das Urteil gesprochen, wird es auch schon vollstreckt – so zumindest lautet die Version der Staatspropaganda. Ihr zufolge haben die Militärrichter am frühen Freitagmorgen Jang Song Thaek, den Onkel von Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un, wegen Hochverrats für schuldig gesprochen. Kurze Zeit später hätten Soldaten ihn bereits hingerichtet.

Tatsächlich kursieren Gerüchte von Jangs Hinrichtung seit fast zwei Wochen. Nordkoreanische Exilanten, die von der südkoreanischen Hauptstadt Seoul aus den Sender „Free North Korea Radio“ betreiben, hatten Anfang Dezember bereits Hinweise, dass der zweithöchste Mann der stalinistisch geführten Diktatur nicht nur festgenommen, sondern auch exekutiert worden sei.

Eine offizielle Bestätigung blieb jedoch bis gestern aus. „Offensichtlich brauchte Kim Jong Un einige Tage, bis er seine Macht ausreichend gefestigt sah, mit dieser Nachricht an die Öffentlichkeit zu treten“, vermutet der Nordkorea-Experte Sunny Lee. „Nun sitzt er aber fest im Sattel.“

Die Hinrichtung des Spitzenpolitikers Jang Song Thaek markiert einen Sturz, wie er in Nordkorea seit mehr als 50 Jahren nicht mehr vorgekommen ist. Erst zu Beginn der Woche hatte das Staatsfernsehen bekannt gegeben, dass Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un seinen Onkel festgenommen habe.

„Korruption, konterrevolutionäre Handlungen, Staatsverrat”

Dem 67-Jährigen wurde alles nur erdenkliche vorgeworfen, was in Nordkorea strafbar ist: Korruption, konterrevolutionäre Handlungen, Staatsverrat, Unterschlagung, Spielsucht, Drogenmissbrauch und „unschickliche Beziehungen mit Frauen“.

Am schwersten wiegt jedoch der Vorwurf des Umsturzversuchs: Den Tod von Kims Vater Kim Jong Il im Dezember 2011 habe Jang als Chance gesehen, sich gegen seinen Neffen zu stellen und an die Macht zu kommen, hieß es am Freitag in einer Erklärung des Staatsfernsehen.

Daher sei er „für alle Zeiten ein Verräter an der Nation, schlimmer als ein Hund“. Normalerweise richtet das nordkoreanische Staatsorgan Hasstiraden dieser Art gegen südkoreanische Staatschefs oder die USA.

Jang Song Thaek war mit der Schwester des 2011 verstorbenenen Machthabers Kim Jong Il verheiratet, des Vaters von Kim Jong Un. Jang war General, Vizechef der Nationalen Verteidigungskommission und ranghohes Mitglied im Politbüro. Ihm wird nachgesagt, er habe als „Graue Eminenz“ seinem Neffen 2012 bei der Amtseinführung als Mentor gedient. Jang stand für eine Liberalisierung der nordkoreanischen Wirtschaft nach dem Vorbild Chinas. Zudem half er dem jungen Diktator, die Armee unter Kontrolle zu bringen.

Doch offensichtlich hatte der Onkel seinem Neffen zu viel hineingeredet. Nordkorea-Experte Victor Cha vom Center for Strategic and International Studies in Washington sieht in Jangs Hinrichtung ein deutliches Signal für heftige Machtkämpfe innerhalb der Führung. „Wenn er so weit gehen muss, zeigt das, dass im System nicht alles normal läuft“, vermutet Cha. Er rechnet mit „vielen weiteren Exekutionen“.

Große Sorge macht sich auch die südkoreanische Regierung: „Wir werden uns auf alle Eventualitäten vorbereiten“, versicherte ein Sprecher des Vereinigungsministeriums in Seoul nach einem Treffen von Sicherheitsberatern. Präsidentin Park Geun Hye sprach von einer „Schreckensherrschaft“ in Pyöngjang.

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2 Kommentare

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  • O
    owlbaron

    Schön zu sehen und zu hören, dass die alten marxistisch-leninistischen Rituale der Machtsicherung nicht ganz in Vergessenheit geraten sind. "Abschaum", "tollwütige Hunde" und dergleichen mehr.Ich frage mich natürlich, wie es um eine Weltanschauung bestellt ist, die regelmäßig "menschlichen Abschaum", "Verräter, die erschossen gehören", etc in hohe und höchste Positionen aufsteigen lässt?

    Also als Faschist lebt man deutlich sicherer in einem faschistischen Staat denn als Kommunist in einem kommunistischen Staat.Wer kann das befriedigend erklären?

  • G
    gast

    ekelhaft sowas zu tun, einfach mal so, ohne Prozess oder Urteil.