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Europäisches „Jahr der Luft“Holzöfen sind Dreckschleudern

Wiesbaden fast so schlimm wie Peking: Auch nach dem von der EU-Kommission ausgerufenen „Jahr der Luft“ bleibt die Schadstoffbelastung hoch.

Luftverschmutzung in Wiesbaden: Fast so schlimm wie in China? Bild: reuters

BERLIN taz | Knisternde Kaminfeuer haben in der kalten Jahreszeit Hochkonjunktur. Doch sie verbreiten nicht nur wohlige Wärme, sondern auch gefährliche Abgase: genau wie der Straßenverkehr emittieren sie große Mengen an Ruß, Feinstaub und Stickoxiden. Daran hat sich laut Umweltverbänden auch im von der EU-Kommission ausgerufenen „Jahr der Luft“ nicht viel geändert. Und das, obwohl zahlreiche Krankheiten und vorzeitige Todesfälle vermeidbar wären.

Die Folgen des Nichtstuns sind Lungenkrankheiten wie Asthma, Herzkreislauferkrankungen, Schädigungen des Nervensystems und Diabetes. Feinstaub, Ruß und Stickoxide führen so laut EU-Kommission zu jährlich 350.000 vorzeitigen Todesfällen in der EU. Und damit auch zu hohen Kosten: „Allein im Gesundheitswesen verursachen sie Schäden in Höhe von bis zu 780 Milliarden Euro pro Jahr“, so Dietmar Oelig, Verkehrsexperte beim Naturschutzbund NABU.

Zwar hat sich die Qualität der Luft in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten spürbar verbessert, das darf den Umweltverbänden zufolge aber kein Grund zum Innehalten sein: die Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide werden laut Saar in vielen Städten kontinuierlich überschritten. So zum Beispiel in Wiesbaden, wo der Verkehrsexperte Axel Friedrich vor kurzem Werte gemessen hat, „die fast auf dem Niveau von Peking liegen“.

Mit dem „Jahr der Luft“ wollte die EU-Kommission um Aufmerksamkeit für die Probleme werben und „ein umfassendes Gesetzespaket zur Verbesserung der Luftqualität auf den Weg bringen“. Dieses Versprechen von EU-Umweltkommisar Janez Potocnik ist nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe (DUH) nicht zuletzt an der abgewählten schwarz-gelben deutschen Regierung gescheitert: „Die Bundesregierung hat die Bemühungen zur Verbesserung der Luftqualität in Deutschland in den vergangenen vier Jahren konsequent sabotiert und sich wieder einmal als Handlanger der Industrie präsentiert“, so Dorothee Saar, Verkehrsexpertin der DUH.

Baumaschinen, Schiffe und Holzöfen sind die größten Dreckchleudern

Für die große Koalition sieht Heiko Balsmeyer vom ökologischen Verkehrsclub Deutschland (VCD) dringenden Handlungsbedarf: „Wir brauchen endlich ein umfassendes Konzept zur Luftreinhaltung, das auch Busse und Schienenfahrzeuge, Baumaschinen und Schiffe einbezieht“. Diese Schwergewichte sind nach Angaben des VCD besonders große Dreckschleudern, da für sie, anders als für PKW, keine strengen Abgasnormen gelten. Zugleich sind ihre Betriebszeiten länger, was ihre Schadstoffausstoß zusätzlich in die Höhe treibt.

Auch vermeintlich ökologische Holzöfen tragen zur Schadstoffbelastung bei: Sie sind für rund 50 Prozent der Rußemissionen in Deutschland verantwortlich und stoßen nach Angaben des Umweltbundesamtes so viel Feinstaub aus wie Autos, LKW und Motorräder zusammen.

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14 Kommentare

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  • G
    gast

    Was glaubt man wie schädlich die feinen Staubpartikel aus den Druckern sind, nachgewiesen durch Organisation NANO. Wo noch berufstätigwar standen mindestens 25 solcher Drucker in einem Raum und es wurde viel gedruckt.

  • B
    Bürger

    Ja was den nun? Jahrelang hat es geheißen, Öl, Gas und Kohle erzeugen CO2, welches das Klima ruiniert. Als Bürger, der an die Umwelt denkt, habe ich umgesteuert und heize nun - staatlich gefördert - mit Holzpellets und meinem Kachelofen. Nun auf einmal ist das auch schlecht, weil Holz Staub erzeugt. So langsam aber sicher wird mir die Sache wie den Griechen zu blöd. Jetzt ist Schluß und nun wird zusätzlich mit Braunkohle geheizt. Egal wie man es macht, ist es nicht richtig. Also entscheide ich, was richtig und was falsch ist.

  • C
    ChrisDn

    Die meisten Beiträge zeugen davon, dass Sie wahrscheinlich noch nie auch nur in der Nähe eines Braunkohletagebaus nebst zugehörigem Kraftwerk waren geschweige denn wohnen.

    Richtig, hier werden keine Bäume für Windräder abgeholzt, hier werden ganze Landschaften in tiefe Mondkrater verwandelt. Schon beim Abbau werden massiv Grob- und Feinstäube sowie im übrigen auch große Mengen von Radioaktivität freigesetzt. Trotz der von Ihnen angeführten tollen Filter werden die Grenzwerte regelmäßig überschritten und das ganzjährig, nicht nur im Winter. Hier wird das temporäre verbrennen zu Heizzwecken mit industrieller Energiegewinnung, CO2-Neutralität mit Feinstaubbelastung in einen Topf geworfen. Und das Fazit der Kommnetare ist dann: besser Teile NRWs und Brandenburgs verrecken als dass ich an ein paar Tagen im Jahr nicht das Fenster öffnen kann.

  • Was spricht gegen Holz als Brennstoff ?

    Ist doch ein nachwachsender Rohstoff und damit auch eine erneuerbare Energiequelle ...

    Ach nee ? Doch nicht alles so voll toll Öko, wie in der Theorie gedacht. Ist fast so "ökologisch" wie die Ökostrom-Windmühlen, für die Wälder mit unter Naturschutz stehenden Tierbeständen abgerodet werden.

    Aber Hauptsache, man hat zuhause in den eigenen vier Wänden ein gutes Gewissen.

    Da ist mir das Braunkohlekraftwerk mit eingebauten Filteranlagen in neuestem technischen Standard dann doch glaubwürdiger, als dieser ganze Pseudo-Öko-Wahnsinn.

  • R
    Ralph

    Mir würde es zunächst reichen, wenn die ach-so-grünen Nachbarn in ihren schicken energetisch sanierten Einfamilienhäusern mit Hybrid-SUV in der Einfahrt darauf verzichten könnten, feuchtes Holz (wahrscheinlich das billigste aus dem Internet) zu verfeuern. Wenn ich auf die absurde Idee komme am Abend lüften zu wollen, kann ich in meinem Schlafzimmer nebenbei erstklassige Räucheraale herstellen. Leider ist es mit dem "mündigen Bürger" nicht weit her.

  • G
    Gast

    Das Foto ist zwar mal wieder genau so wie sich der Deutsche Leser sich das vorstellt. Die Chinesen halten sich den Mund und Nase zu, weil die Luftbelastung so schlimm ist. Hier halten sich die Fahrradfahrer aber Mund und Nase zu, weil ein Fahrzeug Staub aufgewirblt hat (kontinentales Klima, sehr trocken, Loesssand). Der Mopedfahrer im Hintergrund wartet derwil bis sich der Staub gelegt hat. Weil China weit weg ist und alle sowieso schon fertige Bilder im Kopf haben kann man auch Quatschfotos in einem Artikel bringen. Super!

  • F
    Feinstaub

    Holzöfen?

     

    Laut

    -

    http://www.zeit.de/2006/19/U-Holz_fen_xml/seite-1

    -

    könnten die Abgase der Holzverfeuerung 20.000 Tote jährlich fordern.

     

    Weltweit sollen jährlich 2 Millionen (!) Menschen an den Abgasen der Holverbrennung sterben:

     

    http://www.scilogs.de/fischblog/untersch-tzte-gesundheitsgefahr-durch-holzrauch/

     

    Ja krass! Haben uns die Leute aus der grünen-Öko-Bewegung nicht früher immer erzählt, dass Holz ja so ökologisch, da klimaneutral sei???

  • M
    M.A.

    "Auch vermeintlich ökologische Holzöfen tragen zur Schadstoffbelastung bei: Sie sind für rund 50 Prozent der Rußemissionen in Deutschland verantwortlich und stoßen nach Angaben des Umweltbundesamtes so viel Feinstaub aus wie Autos, LKW und Motorräder zusammen."

    Tja, war wohl nichts mit den "sauberen" erneuerbaren Energien. Da ich aber keine Lust habe auf 10% "Ökogas" kriegen halt meine Nachbarn die volle Packung Buchenholzrauch ab. Klar dass es in deren Wohnungen riecht wie in den 50ern im Ruhrpott, aber das ist mir so was von egal. Hey, mein Ofen ist doch voll Öko.

  • H
    hilde

    Na, na. Man muss ja nicht gleich alles dramatisieren. Ein Holzofen auf dem Lande, wen stört denn das?!

  • FS
    Feiner Staub

    Ein Artikel zum Thema:

     

    http://www.novo-argumente.com/magazin.php/novo_notizen/artikel/000867

     

    Nach Fukushima ist es völlig okay, wenn man gegen Atomkraft ist!

     

    Aber: Gute Frage! Wo ist der Aufschrei? Ich sage ja nicht, dass man Holzöfen verbieten sollte.

    Aber es ist schon auffällig, dass sich die Leute NUR DANN über Umweltverschmutzung empören, wenn es mit Radioaktivität, Erdöl o.Ä. zu tun hat.....

  • In Wiebaden kann man ziemlich leicht erhöhte Werte messen, da Wiesbaden in einer Senke liegt und wenig Luftausstausch hat. Hier sehr anschaulich erklärt:

     

    http://www.wiesbaden.de/leben-in-wiesbaden/umwelt/luft-klima/topographie.php

    • S
      Susi
      @DJ Boemerang:

      Naja ist trotzdem schlecht für die Menschen die in der Smog-Mulde leben.

  • WT
    was tun?

    Bisher galten die Holzbriketts doch als sauberer im Vergleich zur Braunkohle. Was stimmt denn jetzt?! Soll ich nun mit Atomstrom heizen weil der keinen Feinstaub emitiert??? Gibt es eine sinnvolle Alternative jenseits von Wollpullovern und weniger heizen? Oder sollen wir uns im Winter wieder alle darauf beschränken uns in den warmen Küchen zu versammeln - wie die Generation der Urgroßeltern?

  • KZ
    kaum zu glauben

    Holzfeuer in Deutschland erzeugen genausoviel Feinstaub wie Autos, LKWs und Motorräder zusammen? Was heißt das im Detail? Was sind die Handlungsempfehlungen? Sind Kamin- und Lagerfeuer jetzt tabu?