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Kommentar Europapolitik der LinksparteiDas Elend der Traditionslinken

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Teile der Linken verdächtigen die EU, imperialistisch und demokratiefeindlich zu sein. Das ist gedankenarm und geschichtsvergessen.

Streit um die Haltung zu Europa: Parteicheifin Katja Kipping will keinen EU-skeptischen Populismus Bild: dpa

J ürgen Klute ist Abgeordneter der Linkspartei im Europaparlament und ziemlich erbost über seine deutschen GenossInnen. Die würden, so der Westlinke, auf die antieuropäische Karte setzen und das gleiche Spiel betreiben wie Rechtspopulisten und aggressive Nationalisten.

Das mag zu steil formuliert sein – doch es hat einen Beigeschmack von Wahrheit. Es gibt in der Partei eine Rhetorik des routinierten Dagegenseins, die die EU unter den Verdacht stellt, imperialistisch, neoliberal und demokratiefeindlich zu sein. Ein Konzentrat dessen, was Linke zu hassen lieben.

Das ist gedankenarm und falsch. Die EU ist, bei allen Fehlern und allem Übergewicht des Gouvernementalen, ein work in progress, das nicht Schmähkritik, sondern produktive Mitarbeit braucht. Und zwar gerade von geschichtsbewussten Deutschen. Dass Traditionslinke ausgerechnet hundert Jahre nach der Katastrophe von 1914 geschichtsvergessen zu Polemiken am Rande der Europaverachtung greifen, zeigt, in welch intellektuellem Zustand Teile der Partei sind. Zumal gerade Traditionslinke historisches Lernen gern wie einen Popanz vor sich herträgt.

Die Linkspartei ist in toto ganz und gar nicht antieuropäisch gestimmt. Die Front verläuft auch nicht nur entlang der eingefrästen Pro-Rot-Rot-Grün versus Fundi-Opposition-Linie. Die maßlose EU-Kritik kommt aus einer kleinen, aber lautstarken Gruppe. Für die Linkspartei ist diese Debatte eine Chance zur Selbstaufklärung und Positionierung.

Allerdings muss sie diese Debatte führen und nicht wie sonst immer ängstlich alle Positionen in Leitanträgen berücksichtigen und jeden Streit in sorgsam ausgetüftelten Formelkompromissen entsorgen. Wenn die Linkspartei nicht mal bei der Haltung zur EU kristallklar für eine aktive Reformpolitik Position beziehen kann – wo soll sie es dann können?

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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9 Kommentare

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  • R
    Ruhender

    Als ob es nicht ein massives Comeback rechter bis rechtsradikaler Gesinnungen in Europa gäbe, angestachelt von den Wilders / Straches / Sarrazins / Seehofers / Le Pens und ermutigt von rückgratlosen "Demokraten" höchster Ebene, die auf den Zug aufspringen, um sich mit entsprechenden Parolen "Multikulti ist gescheitert (a. Merkel)" ebenfalls einzuschmeicheln. Als ob NSU und Breivik ganz zufällig in dieser Zeit auftauchten. Als ob nicht Europa zur flüchtlingsfeindlichen Festung ausgebaut würde. Als ob sich Europa nicht an den Ressourcenfeldzügen der Amerikaner beteiligen würde.

     

    Die Kritik der Linken an den aktuellen Entwicklung ist berechtigt und auch der Ansatz ist ein völlig anderer als bei dem Nationalistengesocks.

     

    Lächerlich, dieses Pamphlet von Herrn Reinecke, der hier in bester rechter Manier Linke anhand oberflächlichster Kriterien braun lackieren möchte. Wenn Möchtegernlinke sich nicht trauen, links zu sein, kommt so was dabei raus. Auf die Reformation Europas zur Nationalstaatlichkeit des frühen 20. Jahrhunderts - darauf läuft es nämlich hinaus, wenn man die rechten Strömungen und ihre Handlanger in der politischen und gesellschaftlichen Mitte schön weiterwurschteln läßt - kann ich gut verzichten.

  • E
    Europäer

    Der Autor weiß wahrscheinlich selbst nicht, wie recht er hat. Ich bin als Europäer aufgewachsen. Unsere Partnerstadt in Frankreich war eine Selbstverständlichkeit, dass meine erste Freundin Französin war, hat niemanden dazu veranlasst, auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, das könne womöglich ungewöhnlich sein. In meiner Schulklasse war eine Italienerin, ihre Mutter hatte schon mit meiner Halbschwester Abitur gemacht - an einem anderen Gymnasium.

     

    Die Europäische Union mit all ihren Vorgängernamen, war immer ein kapitalistisches Gebilde und ich durfte Gast beim Gründungsparteitag der PSF sein, auf dem Mitterand zum Vorsitzenden gewählt und die Union Populaire ausgerufen wurde. Und in unserer Partnerstadt wechselten sich Sozialisten und Kommunisten bei der Besetzung des Bürgermeisteramts ab.

     

    Schon als Kind habe ich fast ganz Westeuropa mit meinen Eltern bereist und gelernt, dass die Völker, die unter dem deutschen Rassenwahn gelitten hatten, bereit waren der nächsten, meiner, Generation zu verzeihen.

     

    Jetzt hat eine schreckliche Zeitenwende begonnen. Ich will den Merkelismus nicht mit den Nazizeit vergleichen - durchaus aber mit Kaiser Wilhelms "Am deutschen Wesen soll die Welt genesen".

     

    Lasst uns unser Europa retten. Vor den Merkels, den Seehofers und all den anderen politischen Dummköpfen im ganzen Land.

     

    Europäer

  • F
    Flujo

    Dass es in der Partei Die Linke auch Betonköpfe alter Schule gibt ist sicher richtig, das Vokabular des Imperialismus mag auch nicht mehr die aktuelle Realität adäquat wiedergeben, aber deswegen zu negieren, dass die politische Ausrichtung der EU Neoliberal (siehe Lissabon-Vertrag) und von rassistischer Ausgrenzung (Frontex&Co) geprägt ist, scheint mir mindestens ebenso weltfremd zu sein. Der Autor scheint sich der selben Holzhammermethode politischer Analyse zu bedienen wie die von ihm kritisierten Betonkommunisten.

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Die EU ist zumindest ein fragwürdiges Konstrukt. Heerscharen von Lobbyisten bestimmen die EU-Politik, deren einziges Ziel es ist, den Markt für Konzerne zu erweitern.

  • G
    gRÄHe

    das wirtschaftseuropa ist das konstrukt einer elite für multinationale konzerne mit dem ewigen allwissenden markt , ohne haftung der gewinner mit nachschußpflicht für die dauerverlierer , nämlich einem großteil der bürger

     

    da ist mir die herkunft der kritik lechts oder rinks erstmal egal . der inhalt machts

     

    ein dummer stumpfer 100 jahre totschlag vergleich , macht die regierungspflichtberichterstattung des bevormundenden kommentators auch nicht besser.

     

    ich hätt lieber vom verfasser gelesen , warum nicht imperialistisch, neoliberal und demokratiefeindlich aber dies scheint ihm die mühe nicht wert zu sein

    • @gRÄHe:

      Nebenbei ist es der Standpunkt der gesamteuropäischen Linken.Erst gestern sagte mir ein Grieche und zwar einer welchen man nicht als Linksympathisanten bezeichnen kann,dass die gegenwärtige Situation in Griechenland wesentlich schlechter ist, als vor dem EU Beitritt. Viele Griechen sind von der medizinischen Versorgung ausgeschlossen.Wenn man mit 3 Griechen einen Ouzo trinkt hat einer von ihnen mit Sicherheit keinen Job.Und das ist kein Populismus.

  • K
    Klarsteller

    Auch die Linke will politisch überleben. Da zu muss sie sich von den Einheitsbreiparteien unterscheiden und die um sich greifende Europaskepsis berücksichtigen.

  • F
    Frontex

    Gegen die EU zu sein heißt noch nicht zwangsläufig "antieuropäisch" sein.

    Durch das Ersetzen des Nationalismus mit Eurozentristik ist nichts gewonnenen.

    Tatsache ist: Das europäische EU Projekt ist ein neoliberales, ein Projekt Projekt zur Ausgrenzung. EUROSUR und FRONTEX das gelebte EU- Praxis. Die Phrasologie der zwei Kriege und dem ewigen europäischen Frieden sind nichts als die MUZAK der EU- Bürokraten um geeint die neuen Kriege zu führen zu können.

  • HB
    Harald B.

    Was soll daran falsch sein?

    Die EU IST demokratiefeindlich und imperialistisch.