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Spaß-Kapelle KnorkatorZur Strafe ins Tintenfass

Das neue Album bringt die gewohnt brachiale Mischung aus Klamauk und Provokation. Der Shitstorm, der über sie hereinbrach, stieß sich an anderem.

Stellen sich ganz gerne auf den Kopf: die Band Knorkator. Bild: promo

So schnell kann’s gehen. Eben noch die geschätzte Spaßkapelle, plötzlich hat der Spaß ein Loch. Bislang vor allem für Klamauk zuständig, der gern auch mal hirnlos sein durfte, ist man nun gezwungen, jedes Wort auf die Goldwaage zu legen. Gestern noch um keine Provokation verlegen, heute selbst ein Feindbild. Kurz: Es war zuletzt nicht ganz einfach, Knorkator zu sein.

Der Anlass für die Aufregung: das neue Album der Berliner Band. Das trägt den Titel „We Want Mohr“. Die Abbildung auf dem CD-Cover zitiert eine Illustration zur „Geschichte vom schwarzen Buben“ aus dem „Struwwelpeter“. Und auf einem Tourplakat sieht man Knorkator in einem Kochtopf über brodelndem Feuer sitzen, eine schwarze Person tanzt davor mit einem Messer in der Hand.

Für die einen – darunter die Band und ihre Anhänger – ist das ein künstlerisches Gesamtkonzept um das Wortspiel im Albumtitel. Für andere war es ein Anlass, Rassismus zu vermuten. Noch bevor die Platte erschienen war, brach ein veritabler Shitstorm los. Eine Erfahrung, auf die Stumpen „sehr gern verzichtet hätte“. Der Sänger von Knorkator ist beim Interview in einem Café in Friedrichshagen, wo er und Bandkollege Alf Ator wohnen, immer noch aufgebracht. Eigentlich will er über das Thema nicht mehr reden. Weil er aber muss, schweigt er irgendwann lieber.

Alf Ator, Keyboarder und hauptsächlicher Texter der Band, sieht die Sache weniger emotional. „Unser erster Shitstorm hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen“, sagt Ator. „Ich bin aber bereit, mich mit der Kritik auseinanderzusetzen, finde sie allerdings immer noch oberflächlich und absurd.“

Der Fall ist kompliziert: Die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) zeigte in einer Mitteilung „wenig Verständnis für die Motivwahl“ und fragte sich „irritiert und verärgert“, ob sich die Band „über die Bildauswahl ernsthaft Gedanken gemacht hat“. Sie wies zudem auf die nicht weit zurückliegenden Debatten um Blackfacing – wenn also etwa weiße Schauspieler sich schwarz schminken – und Neuübersetzungen von Kinderbuchklassikern hin. Die Musiker sahen sich abgestempelt: „Die meisten lesen nur das Wort Rassismus – und das bleibt dann an einem hängen“, erklärt Stumpen. „Aber ich bin mir sicher, kein Rassist zu sein.“

Zwischen diesen beiden Positionen blieb viel Platz für Interpretationen. Eine von Ator beklagte „Internet-Pöbelkultur“ verschärfte den Konflikt zusätzlich. Da gibt eine „Paula Puzzlestücke“ twitternd zu, dass sie Knorkator nicht kennt, aber deren Plakat für „rassistische Kackscheiße“ hält. Auf der anderen Seite ein Knorkator-Fan, der auf der ISD-Homepage reklamiert, „dass man sich über alles und jeden lustig machen darf“.

Das inkriminierte Plakat wird von der Band mittlerweile nicht mehr verklebt, weil es allein betrachtet, so Ator, zu Missverständnissen führen kann. Die ISD fordert zusätzlich auch eine Änderung des Covers. Doch dazu sind Knorkator nicht bereit. „Die Geschichte vom schwarzen Buben“, auf die sich die Covergestaltung bezieht und in der drei Jungen, weil sie einen „kohlpechrabenschwarzen Mohren“ verspotten, zur Strafe in ein Tintenfass gesteckt werden, ist für Alf Ator „zutiefst antirassistisch“. Die ISD sieht das in ihrem Statement genau andersherum. Für sie ist „die subtile Botschaft hinter der vermeintlich gut gemeinten Moral dieser Geschichte: Es ist eine Strafe, schwarz zu sein“.

Drei Gedichte aus dem „Struwwelpeter“ haben Knorkator für „We Want Mohr“ vertont, allerdings nicht „Die Geschichte vom schwarzen Buben“. In den selbst getexteten Liedern werden wie üblich bei Knorkator vor allem Scherze gerissen: manche hintergründig, einige rüde, viele vulgär, nicht zu wenige selbstironisch, keine rassistisch. Es ist ein typisches Knorkator-Album: mit Musik, die ständig die Richtung wechselt, als wäre die Band von ADHS geschüttelt. Zwischen Klassik und Heavy Metal wird in irrwitzigem Tempo ein weites Feld beackert, während Zootiere aufgezählt werden oder Liebeserklärungen kunstvoll verunglücken.

Allerdings lässt sich auch eine Entwicklung konstatieren. Auf Albumlänge betrachtet scheinen Knorkator ruhiger geworden zu sein. Sie gönnen sich auch einmal eine Ballade, die nicht doch noch von einem Gitarrengewitter erschüttert wird. Außerdem gibt es gleich drei Songs in englischer Sprache. Ein Novum in der Bandgeschichte, das Ator verstanden haben will als Parodie auf den Traum seiner 1994 gegründeten Band, doch noch eine internationale Karriere zu starten.

Die droht allerdings garantiert nicht. Die sehr spezielle Mischung von Knorkator hat zwar eine dreijährige Pause überdauert, seit der die Band erfolgreicher ist, als sie es vor der Trennung 2008 jemals war. Aber so brachial, wie sich Klamauk und Provokation in Text und Musik bisweilen ergänzen – es funktioniert nur dann, wenn man die Reime auch versteht. Und selbst dann haben es Knorkator geschafft, sich zwischen alle Stühle zu manövrieren. So können sie zwar beim Metal-Festival in Wacken ebenso auftreten wie im Jahr 2000 beim deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest – sie bleiben aber hier wie dort immer Exoten.

Provokation? Aber gern!

Um Provokationen waren sie in all den Jahren niemals verlegen. „Wir haben so oft provoziert, dass es schon langweilig wurde“, gibt Alf Ator zu. Doch ausgerechnet die aktuelle Aufregung war nicht geplant. Die Band sei vollkommen überrascht worden von der Diskussion und fühlt sich zu Unrecht den Angriffen ausgesetzt. „Wir sind da in etwas reingeschlittert“, so Ator, „wo wir überhaupt nicht sein wollten. Hätten wir provozieren wollen, dann wäre das ein Riesenerfolg. Aber so ist es nicht.“

■ Knorkator: „We Want Mohr“ (Tubareckorz/Rough Trade). Das Record-Release-Konzert am heutigen Abend im Knaack ist bereits ausverkauft. Weitere Auftritte: 15. Februar Waschhaus Potsdam, 16. und 17. Mai Columbiahalle

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15 Kommentare

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  • K
    karlo

    Rassist ist derjenige der den Menschen in schwarz und weiss und gelb und rot und grün und lila und violet und kartiert wie gepunktet einteilt und dabei vergisst das es Menschen sind deren leben, liebe und laster menschlich ist und den Menschen vor lauter Rassen Zuordnung nicht sieht.

  • F
    Fliwatüüt

    Wie blöd ist diese Kritik denn?

    Das unterbietet ja nun auch die Astrid-Lindgren-Pippi-in-Taka-Tuka-Land-Diskussion um Einiges...

  • NG
    nur gast

    Ich frage mich gerade, woher Weisse eigentlich wissen wollen, was Schwarze als Rassismus zu empfinden haben? Ich bin weiss und kann nicht über die Befindlichkeit von Menschen anderer Hautfarbe urteilen, da ich deren Erfahrungen durch Diskriminierung nie selbst machen kann. Auch diese unsensible Kaspertruppe wird es nie selbst erleben können. Wer als "Künstler" nicht mehr Rücksicht an den Tag legt, gehört zu Recht ordentlich abgewatscht!

  • K
    knorkaTHOR

    Knorkator rules! Dass die sich schon öfter GEGEN Nazis positioniert haben, sollte ihnen zu gute gehalten werden. Vll ist das cover nicht besonders sensibel - aber ich nehms ihnen auf jeden fall ab, dass sie nur quatsch im kopf hatten und eigentlich empathischer sind als manche, die in den shitstorm mit reinscheißen.

    • G
      gast
      @knorkaTHOR:

      Nein, nein, der Faschist kommt in vorm des Antifaschisten da ist es egal ob man sich gegen Nazis positioniert.

  • Moralinsäure ätzt Hirn weg !

     

    'nuff said !

  • G
    Gärtnerbock

    Eigentlich klar, dass wir alle Rassisten sind. Denn wer in einer rassistischen Gesellschaft aufwächst, wird sich nur schwer vollkommen davon befreien können. Das braucht sicher noch ein paar Generationen.

    Dass die Provokation jedoch unabsichtlich war und nicht Teil einer bewußten Werbestrategie von Knorkator erscheint mir bei der Verwendung des Begriffs "Mohr" unglaubwürdig. Ansonsten sind sie doch nicht so unreflektiert. Umso bedauerlicher, dass auch sie auf solche skandalisierenden Strategien zurückgreifen. Und noch dazu auf der Beibehaltung des covers bestehen, welches rassistische Stereotype weiter verbreitet. Hier hätte ich mehr Fehlerfreundlichkeit und Lernbereitschaft von ihnen erwartet. So sind sie nur eine weitere weiße Musikgruppe denen ihr Erfolg wichtiger ist als andere Menschen. Ja, auch ich bin noch Rassist.

  • A
    aka

    Mich erstaunt, dass Knorkator so darauf einsteigen.

    Die unreflektierten Reflexe einer "Paula Puzzlestücke" sind doch völlig unerheblich, wenn ich selbst mit mir im Reinen bin.

     

    Für meine Begriffe gibt es nur zwei Varianten.

    Entweder ich steh da drüber (was ich von einer Band wie Knorkator erwarten würde), oder(/ und) ich geh in die Offensive und setze mich entspannt mit den Argumenten auseinander. Was die Sache in eine spannende und konstruktive Richtung führen könnte.

     

    Ein klarer Standpunkt, der klar vertreten wird ... das jetzige Rumgeeire in der Defensive ist nur Öl ins Feuer der "Puzzlestückfraktion" und kann die Band in der Öffentlichkeit nur beschädigen.

     

    Ich bin kein Knorkator Fan (weil mir die Musik nicht zusagt), finde die Band aber grundsätzlich symphatisch - ich bin kein Rassist, empfinde die "Puzzlestückfraktion" aber als partiell unangenehm eindimensional, intolerant, verbiestert und rechthaberisch.

    • @aka:

      Mir wäre es auch wurscht, wenn ich Mitglied in der Band wäre.

       

      Besser schlechte Schlagzeilen, als keine Schlagzeilen.

      Vor allem dann, wenn sie sich nichts vorzuwerfen haben.

    • A
      a.m.
      @aka:

      Auszug aus: Susan Arndt und Antje Hornscheidt (Hg.): Afrika und die deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk.:

       

      "Häufig wird argumentiert, dass Begriffe wie etwa „Mohr“ historische Zeugnisse seien und deswegen auch ihren Platz in der deutschen Sprache behalten sollten. Diese Argumentation ist insofern problematisch, als man/frau sich vergegenwärtigen muss, dass die kolonial konzipierten Begriffe die deutsche Kolonialgeschichte und deren Ideologie transportieren und festigen. Wörter wie „Neger“, „Mohr“ oder „Mischling“ beispielsweise zementieren die Weiße Vorstellung von biologistischen Gruppeneinteilungen, -zugehörigkeiten und -kategorisierungen als wissenschaftlich fundiert und dienen damit auch zur Pseudolegitimation des biologistischen Konstruktes „Rasse“."

       

      Es genügt eben nicht sich "gegen Nazis" zu positionieren, wenn darüber hinaus keine Auseinandersetzung mit den eigenen rassistischen (Sprach-)Handlungen stattfindet.

       

      Struktureller Rassismus durchzieht sämtliche Bereiche dieser Gesellschaft. Insofern transportieren und reproduzieren wir alle Rassismen, bewusst und unbewusst.

       

      Unsere Verantwortung sollte darin liegen, die eigenen Mechanismen zu erkennen und aufzubrechen.

      • A
        AKA
        @a.m.:

        Ich denke dass eine angemessene Reaktion Knorkators, in einem "Whitefacing" des Covers bestehen könnte.

        • @AKA:

          Muss ich nach einem Solarienbesuch ein schlechtes Gewissen haben, Blackfacing zu betreiben, oder geht das noch in Ordnung?

           

          Oder empfehlen Sie in dem Fall eine Selbstanzeige?

        • JW
          ja whitefacing :)
          @AKA:

          Passende spaßige Idee :) Das wäre auch in Musikläden möglich. Oder warte wäre das dann Sachbeschädigung?

          • A
            AKA
            @ja whitefacing :):

            Nööö, das glaub ich nicht - einfach machen. Ist doch für eine gute Sache!

            Also zwei für Whitefacing.

            Wer macht noch mit?

            • @AKA:

              Michael Jackson, der alte Whitefacer ist ja leider tot.