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Kommentar Redtube-UrteilAbwarten und weiterstreamen

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Bei den Redtube-Abmahnungen korrigieren sich die Kölner Richter. Die Betroffenen haben nicht viel zu befürchten. Ist nun das Abmahnkartell dran?

Ob online oder offline: Streaming ist wohl doch nicht illegal. Bild: imago / steinach

D as Landgericht Köln versucht, seinen Ruf zu retten. Auf Widerspruch von Betroffenen der Redtube-Abmahnungen erklärt es nun seine eigenen Beschlüsse vom Vorjahr für rechtswidrig und räumt ein, dabei seien die Grundrechte der Internet-User verletzt worden.

Die Richter hätten damals nicht erlauben dürfen, den IP-Adressen von angeblichen Nutzern des Porno-Portals Redtube konkrete Namen und Postadressen zuzuordnen.

Nun kann man dem Landgericht Köln zugutehalten, dass die Richter dort einer Täuschung aufgesessen sind. Denn in den Anträgen war von „Downloads“ die Rede, nicht von Streaming. Vermutlich hätte sonst kein Kölner Richter die Identifizierung der IP-Adressen erlaubt. Schließlich ist das bloße Streaming von urheberrechlich illegalen Angeboten nach herrschender Auffassung nicht illegal.

Trotzdem bleibt natürlich ein Makel am Landgericht Köln hängen. Schließlich war es nicht zwingend, auf den Schwindel hereinzufallen. Nur 62 von 90 Anträgen auf Identifizierung (mit jeweils hunderten bis tausenden Betroffenen) hat das Landgericht Köln stattgegeben. In den übrigen Fällen sind gewissenhafte Richter misstrauisch geworden und haben nachgefragt, weil das Konstrukt der Abmahn-Schwindler an vielen Stellen dubios war.

Kölner Richter systematisch getäuscht

Die Vorgänge am Landgericht Köln sind also kein Beleg, dass ein Richtervorbehalt eh nichts bringt, sondern dass er wachsame Richter erfordert. Für die von Abmahnungen Betroffenen ist das nur ein geringer Trost. Sie haben den Ärger und müssen seit Wochen überlegen, wie sie vorgehen, um nicht am Ende die verlangten 250 Euro Abmahnkosten zahlen zu müssen.

Nach derzeitigem Stand dürfte es wohl genügen, gar nichts zu tun. Schließlich sind die Verantwortlichen der Schweizer Firma „The Archive“, die angeblich die Rechte an den auf Redtube angebotenen Pornos hält, abgetaucht. Sollte die Regensburger Anwaltskanzlei Urmann & Collegen aber doch versuchen, im Namen von The Archive die Abmahnkosten einzuklagen, so hätte sie wohl schlechte Karten.

Zwar besteht auch nach der Kölner Selbstkorrektur kein automatisches Verwertungsverbot der identifizierten IP-Adressen. Es bestehen aber gute Chancen, dass zumindest in den Redtube-Fällen nach Abwägung der Interessen ein Verwertungsverbot angenommen wird. Schließlich geht es hier nicht um Strafverfolgung, sondern um zivilrechtliche Ansprüche. Außerdem hat The Archive die Kölner Richter wohl systematisch hinters Licht geführt.

Nützliche Klarstellungen

Da alle Fälle ziemlich identisch sind, muss nun auch nicht jeder Betroffene selbst Widerspruch gegen die Identifizierung seiner IP-Adresse einlegen. Er kann sich vielmehr auf die jetzt vorliegenden Kölner Pilot-Urteile berufen.

Und selbst wenn die Identifizierung der IP-Adressen wider Erwarten für verwertbar erklärt würde, so könnten die Abmahnkosten wohl doch nicht erfolgreich eingeklagt werden, weil bei bloßem Streaming ja gar kein Urheberrechtsverstoß vorliegt. Auch insofern sind die neuen Kölner Entscheidungen, die dies klarstellen, nützlich.

Angesichts all dieser rechtlichen Hürden sind die vielen zehntausend Abgemahnten in einer starken Position und können nun eher mit Interesse verfolgen, ob und wie es dem Abmahn-Kartell mit Strafverfolgung und Schadensersatzklagen an den Kragen geht.

Gemeint sind die Schweizer Firma The Archive und der Berliner Rechtsanwalt Daniel Sebastian, der in Köln die Anträge auf Zuordnung der IP-Adressen gestellt hat sowie ein Gutachter, der die ordnungsgemäße Funktion einer Software bestätigte, die angeblich die IP-Adressen ermittelt hat. Und natürlich die berüchtigten Anwälte von Urmann & Collegen, die zigtausende Abmahnungen versandte. Sie sollten nicht davonkommen.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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12 Kommentare

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  • UJ
    unfassbare justiz

    Tut sich denn in der Sache überhaupt noch etwas?

     

    Darf ein Anwalt wirklich halb Deutschland abzocken und alle tun so, als wäre nichts passiert?

  • KH
    Karl Hungus

    Richtig. Der Gutachter war Dr. Schorr von Diehl & Partner.

    Roschu hat eine eidesstattliche Versicherung bzgl. der angeblich technisch und juristisch korrekten IP-Adressenermittlung durch die Software abgegeben.

  • Herr Andreas Roschu ist nicht der Gutachter, sonder war Nutzer der Sofware.

    Schwache Researche!!!!!!!!!!!!

  • M
    MeisterEder

    Ich bin zwar auch kein Betroffener, verfolge das ganze Debakel aber auch sehr interessiert.

    Für mich stellt sich noch die Frage, was wird eigentlich für die getan, die noch in Panik vor dem Weihnachtsfest die 250,- Euro an U+C abgedrückt haben? Ist da auch ein Urteil zu erwarten das die Abzocker- Bande das Geld wíeder zurück zahlen muss oder verläuft das im Sande? Wei das aber so üblich ist in D, wird jeder wohl selber und einzeln sein Geld gegen U+C einklagen müssen....

  • KH
    Karl Hungus

    Es geht hier nicht (mehr) darum, ob der Pornofreak sich sorgenlos am Stream erfreuen kann, zumal die Abgemahnten mit Taschenspielertricks auf die entsprechenden Videoseiten umgeleitet wurden, und somit der Fall mit Porno wenig zu tun hat, außer der Tatsache, daß von der Betrügerbande der Schamfaktor ausgenutzt wurde.

    Es geht darum, daß Blogger und hoffentlich auch Mainstreammedien am Fall dranbleiben und Druck machen, damit letztlich die Protagonisten dieser Abmahnabzocke zur Rechenschaft gezogen werden.

  • KH
    Karl Hungus

    Absolut richtig, das LG hat sich bereitwillig "täuschen" lassen.

    Das Zurückrudern in dieser Form dient nur der Gesichtswahrung.Die stattgebenden Beschlüsse hätten auch dann nicht erfolgen dürfen, wenn es sich um Downloads gehandelt hätte, da keine offensichtliche Rechtsverletzung vorgelegen hätte. Auch insoweit wäre eine Vervielfältigung per Download statthaft gewesen, weil es sich nicht um eine offensichtlich rechtswidrig öffentlich zugänglich gemachte Vorlage in diesem Sinne handelte.

    Es gab noch mindestens zwei weitere Punkte die den Gestattungsanordnungen widersprechen, nämlich die Tatsache, daß in den Antragsschriften niemals das Portal Redtube genannt wurde, und der Tatsache, daß die ominöse Software GladII nie in der Lage war, Streaming zu loggen, was ja jetzt auch das LG einräumt.

    So deutet vieles darauf hin, daß das LG die Anträge nicht wirklich gelesen/verstanden hat, oder diese eben nur überflogen hat.

    Wie auch immer, vorsichtiges Zurückrudern als (hoffentlich)erster Schritt ist immerhin besser als die andere denkbare Variante, nämlich Aussitzen und abwaten bis andere Schweine durch's Dorf getrieben werden.

    In dieser Angelegenheit haben die Mainstreammedien völlig versagt, um an Hintergrundinfos zu kommen, muß man schon die einschlägigen Blogs (Kowabit etc.) lesen. Der Kommentar von Christian Rath ist da nicht ganz so katastrophal ausgefallen wie Artikel bei SPON, Zeit, SZ, ComputerBild(arrrgghh!) etc., verkennt aber auch die Dimension dieses Betrugsfalls.

  • Und es ist ein Treppenwitz, dass ein einziger Richterbeschluss reicht, um Personendaten von 10.000 Menschen freizugeben, die Rücknahme dieses zu Unrecht ergangenen Beschlusses nur für jeden Datensatz einzeln geht.

  • Die entscheidende Frage ist, ob nun endlich gesetzgeberische Initiative kommt, um rechtsmissbräuchlichen und gewerbsmäßigen Massenabmahnungen mit wirksamer strafrechtlicher Abschreckung vorzubeugen.

     

    Momentan sieht es so aus, dass Massenabmahner wenig zu befürchten haben, selbst wenn Abmahnungen gerichtlich für unbegründet erklärt werden.

     

    Jeder Einzelne zu unrecht Abgemahnte, der sich hat einschüchtern lassen und gezahlt hat, muss den Schadensersatz individuell einklagen - mit Anwaltskosten, die den ursprünglichen Abmahnbetrag weit übersteigen dürften. Rechtsschutzversicherungen schließen Urheberrechtssachen i.d.R. aus. Deshalb dürfte wohl nur ein Bruchteil der Betroffenen von Massenabmahnungen solch juristische Gegenwehr ergreifen.

     

    Damit bleiben Massenabmahner auf ihrer Beute sitzen und es ist netto ein lohnendes Geschäft mit minimalem Risiko.

     

    Damit sich das ändert, braucht es politische Initiative.

  • D
    DJones

    "Nun kann man dem Landgericht Köln zugutehalten, dass die Richter dort einer Täuschung aufgesessen sind. Denn in den Anträgen war von „Downloads“ die Rede, nicht von Streaming. Vermutlich hätte sonst kein Kölner Richter die Identifizierung der IP-Adressen erlaubt. Schließlich ist das bloße Streaming von urheberrechlich illegalen Angeboten nach herrschender Auffassung nicht illegal."

     

    NEIN, das kann man dem LG Köln nicht zugutehalten. Downloads (Privatkopie) sind genauso legal wie das anschauen von Streams, wenn die Quelle nicht offensichtlich illegal ist.

     

    Offenbar haben die Kölner Richter die entsprechenden Gesetze - trotz wochenlanger Diskussionen - immer noch nicht verstanden.

     

    Und kann man wirklich von "Täuschung" (des Gerichts) sprechen, wenn die Richter es versäumen, zu klären, über welche Plattform (RedTube) die vermeintlichen Rechtsbrüche erfolgten?

  • F
    felix

    Bleibt abzuwarten, ob damit nun endlich auch die Gesetzgeber begreifen, dass die deutschen Abmahngesetze geändert werden müssen. Vorrang vor dem Gewinn von Anwälten und den ihnen oft angehörenden Inkassounternehmen muss endlich die Berücksichtigung realistisch belegten Schadens haben. Dem Recht Geltung verschaffen ja, aber nicht Recht ausschlachten und beugen, um sich die Taschen vollzumachen.

  • MM
    max mustermann

    Für mich als juristischen Laien ist der bisherige Ablauf wirklich interessant. Seit der Veröffentlichung des, nennen wir es Gutachten, über die angebliche Gladii Software hört man von u+c auch nicht mehr viel. wo sind denn die Stellungnahmen wie "es spielt für uns keine rolle woher die IP´s stammen"? Nepper, Schlepper, Bauernfänger...immerhin bleiben ihnen jetzt die ergaunerten KOMPLETTEN Datensätze, die sich mit Sicherheit auch noch verkaufen lassen, sollten sie diese nicht als Beweis nutzen dürfen. Was ich auch noch anmerken möchte ist, dass die Internetpräsenz von "The Archive" nicht erreichbar sein soll weil diese gehackt wurde. desweiteren bestreitet der ehemalige Geschäftsführer unter getaucht zu sein. Er unterhält ja noch eine Firma mit Sitz in Offenbach, die nicht wirklich erfolgreich ist. es bleibt spannend...

  • G
    Geralt

    Super, taz. Schöner Artikel. Ich bin zwar nicht betroffen, verfolge aber aufmerksam alles was irgendwie mit dem Thema (Daten)Sicherheit zu tun hat. Bin froh, dass die Richter nun doch langsam "vors Licht" kommen. Ich sag nur: aufatmen und weiter Pornos sehen!