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Champions League Dortmund-MadridRückkehr der Egoisten

Hat Borussia Dortmund vielleicht doch eine Chance gegen Real Madrid? Sind die Königlichen um Ronaldo und Bale nur Scheinriesen? Einiges deutet darauf hin.

Unter dem italienischen Trainer Carlo Ancelotti sah sich Real eigentlich als Gewinner aller Titel Bild: ap

MADRID taz | Manchmal sind Fußballspiele im wahrsten Sinne des Wortes epochal: Sie markieren ein Vorher und Nachher, sie schreiben die Geschichte um. Das 3:4 von Real Madrid gegen den FC Barcelona vor zehn Tagen war so ein Spiel: nicht nur das spektakulärste Match des 21. Jahrhunderts, wie viele Beobachter schwärmten, sondern auch ein Ereignis mit so tiefen Folgewirkungen auf Mannschaft und Verein, dass sie in ihrer Gänze noch gar nicht abzusehen sind.

Als Zwischenfazit lässt sich festhalten: Real Madrid ist seit jener Nacht nicht mehr dasselbe. Zumindest nicht in seiner eigenen Wahrnehmung.

Aus einem Team, das sich unter seinem italienischen Trainer Carlo Ancelotti auf einer direttissima zum Gewinn aller Titel sah, ist eine Gruppe voller Zweifel geworden. Aus einer Mannschaft, die zuvor 31 Spiele am Stück nicht verloren hatte, ist eine geworden, die drei Tage später in Sevilla gleich die nächste Pleite kassierte (1:2), aus der „BBC“, dem famosen Sturmtrio (Gareth) Bale – (Karim) Benzema – Cristiano (Ronaldo) mit seinen insgesamt 83 Saisontoren, eine Ansammlung von Individualisten, die sich untereinander streiten und beim Heimspiel am Samstag gegen Rayo Vallecano einer nach dem anderen ausgepfiffen wurden. Trotz eines 5:0 auf der Anzeigentafel im Estadio Bernabéu.

„Real im Zustand der Embolie“, schreibt Marca vor dem Gastspiel von Borussia Dortmund, „nicht gerade das beste Szenario“. Eine eher noch untertriebene Zustandsbeschreibung, wenn sich die Fans genötigt sehen, einen offenen Brief an den Star der Mannschaft und amtierenden Weltfußballer zu schreiben, um ihn um Verzeihung zu bitten. Ronaldo soll über die Pfiffe geschockt gewesen sein.

Es ist eben ein schmaler Grat zwischen dem, was in guten Zeiten Individualismus genannt wird und in schlechten Egoismus. Die Fans hatten noch die Bilder aus Sevilla vor Augen: Wie Ronaldo nach dem Schlusspfiff auf Bale einschimpfte, weil der ihm die Ausführung des letzten Freistosses weggeschnappt hatte. Wie Bale beim Siegtor der Gastgeber gerade nicht auf dem Platz war, weil er an der Seitenlinie orangenes Schuhwerk gegen gelbes eintauschte.

So viel Geld wie nie ausgegeben

Eine „Welle der Skepsis“ sieht El País durch das Estadio Santiago Bernabéu schwappen. Real Madrid hat in den letzten Jahren so viel Geld für neue Spieler ausgegeben wie nie ein Verein zuvor in der Geschichte, mit zwei klaren Zielen: den Zyklus des FC Barcelona in Spanien zu beenden – und nach 2002 endlich wieder die Champions League zu gewinnen. Das Erste hat sich wohl mit dem Ergebnis des Clásicos mal wieder erledigt.

Auch aufgrund der Transferpolitik ist Real taktisch so leicht zu dechiffrieren wie wohl keine andere Spitzenmannschaft des Kontinents. Aus naheliegenden Gründen muss 101-Millionen-Einkauf Gareth Bale spielen, was offensiv zusammen mit Ronaldo auch eine formidable Flügelzange abgibt, defensiv jedoch dazu führt, dass Real leicht in zwei Teile zerbricht, weil nun ein zweiter Spieler für die Abwehrarbeit quasi ausfällt.

Bereits eine Woche vor dem Clásico sagte Barcelonas Trainer Gerardo Martino: „Ich kenne meine Aufstellung schon.“ Er opferte einen seiner drei Stürmer zugunsten eines vierten Mittelfeldspielers und schaffte so eine permanente Überzahl im Zentrum. Insbesondere die Außenverteidiger von Real sehen sich dann vor einer fast unmöglichen Mission. Halten sie die Position, kommt der Gegner quasi ohne Gegenwehr durchs Mittelfeld. Rücken sie in von ihren Angreifern nicht besetzte Lücken, öffnen sich gefährliche Räume hinter ihnen.

Analog zu Barcelona hatten zuvor schon Atlético Madrid und die anderen Spitzenteams der spanischen Liga mit derselben Taktik gegen Real Madrid reüssiert, was für den aktuellen Tabellendritten zu einer verheerenden Statistik führt: In den direkten Duellen der drei Titelkandidaten wurde nur einer von zwölf möglichen Punkten gewonnen, auswärts gelang sogar bei den ersten sieben kein Sieg. Eine einzige große Partie hat Real in dieser Saison auf nationaler Ebene gewonnen: das Halbfinalhinspiel im Pokal gegen Atlético (3:0). Gareth Bale fehlte an jenem Abend verletzt.

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