Stadtbahn-Debatte: „Schwarz-grüne Träumereien“
Grüne und CDU setzen SPD-Senat mit Straßenbahn-Plänen unter Druck. Entscheiden soll das Volk in einem Referendum. SPD hält an U-Bahn-Plänen fest.
HAMBURG taz | Die bereits tot geglaubte Stadtbahn wird zu einem der Topthemen im nahenden Bürgerschaftswahlkampf. Nach der CDU stellen nun auch die Grünen ein Konzept für 130 Kilometer oberirdische Straßenbahnen durch Hamburg zu Baukosten von 2,6 Milliarden Euro vor. Er freue sich, dass die über viele Jahre ablehnende CDU „klüger geworden ist“, sagt der grüne Verkehrsexperte Till Steffen, „aber wir sind das Original.“ Die SPD, die neue U-Bahnen bevorzugt, stichelt indes über „schwarz-grüne Träumereien“.
Die Grünen schlagen ein Stadtbahnnetz im Modulsystem vor. Zu den Kernstrecken zählt eine Linie aus dem Hamburger Nordwesten durch das Grindelviertel und über Jungfernstieg und Hauptbahnhof zur Veddel und nach Wilhelmsburg. Das wäre ein „guter Anfang“ so Steffen.
Alternativ wären zwei miteinander verbundene Ost-West-Linien von Jenfeld über Barmbek und Altona nach Lurup und von Rahlstedt über Steilshoop, das UKE und Eidelstedt nach Osdorf. Mit welcher Strecke begonnen würde, ist den Grünen nicht so wichtig. „Vor konkreten Bauabschnitten und Trassenverläufen stehen eine realistische Finanzierung und eine gründliche Beteiligung der Bevölkerung“, fordern Steffen und der Parlamentarische Geschäftsführer der Bürgerschaftsfraktion, Anjes Tjarks.
Ende Februar hatte die CDU überraschend ein fast 100 Kilometer langes Stadtbahnnetz vorgestellt. Das sei „die schnellste, beste und die einzige bezahlbare Lösung für Hamburgs Verkehrszukunft“, behaupteten Fraktionschef Dietrich Wersich und der Verkehrspolitiker Klaus-Peter Hesse. Ihr Streckennetz würde mit 2,7 Milliarden Euro genauso viel kosten wie das der Grünen, mit nur 93,4 Kilometern aber deutlich kürzer sein.
Bislang gab es drei Entwürfe für eine Stadtbahn in Hamburg.
1998: Die rot-grüne Koalition skizziert ein Stadtbahnnetz von 42 Kilometern Länge. Dieses würde nach damaliger Schätzung etwa 1,5 Milliarden Mark kosten, die knappe Hälfte davon übernähme der Bund. 2001 stoppt der Schwarz-Schill-Senat den Plan.
2008: Die schwarz-grüne Koalition stellt eine neue Planung mit einem Netz von 52 Kilometern Länge vor. Baubeginn soll 2012 sein, der Betrieb 2014 starten.
2010: Die erste Trasse von Bramfeld nach Eppendorf wird präsentiert. Die 7,7 Kilometer sollen die Stadt nur 57 Millionen Euro kosten, den Rest der Bund zahlen. Nach dem Bruch der schwarz-grünen Koalition stoppt Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) das grüne Wunschprojekt.
Anfang April präsentierten daraufhin Verkehrssenator Frank Horch (parteilos) und Hochbahnchef Günter Elste eine erste Skizze für den Bau einer neuen U-Bahn. Sie entwarfen Linien von 30 Kilometern zu Kosten von 3,5 Milliarden Euro. Im kommenden Jahr soll eine Machbarkeitsstudie die Einzelheiten klären. Damit will der Senat verhindern, dass eine oberirdische Stadtbahn an Bürgerprotesten und Volksbegehren scheitern könnte. Die U-Bahn sei zwar deutlich teurer, räumt Elste ein, „aber realistischer“.
Den Bürgerwillen indes wollen die Grünen schon frühzeitig einbinden. Sie wollen Vorschläge der Anwohner in die Bauplanung mit aufnehmen und diese anschließend in einem Referendum vom Volk beschließen lassen. „Wir wollen eine offene und breite Diskussion über die beste Lösung der Hamburger Verkehrsprobleme“, sagt Steffen. Er sei davon überzeugt, „dass die Stadtbahn der beste Vorschlag ist“.
So sieht das auch Hesse von der CDU. Deren Vorschlag und jetzt der der Grünen stimmten weitgehend überein, die Bürgerbeteiligung sei richtig und erwünscht. Nach seinen Vorstellungen könnte ein Referendum bereits zusammen mit der Bürgerschaftswahl am 15. Februar 2015 durchgeführt werden.
SPD-Verkehrspolitikerin Martina Koeppen hält das für „illusorisch“. Auch ein Referendum könnte Klagen von Anwohnern und damit langjährige Verzögerungen nicht verhindern. Deshalb sei die oberirdische Stadtbahn „keine kluge Verkehrspolitik“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Die Regierungskrise der Ampel
Schnelle Neuwahlen sind besser für alle
Israelische Fans angegriffen
Gewalt in Amsterdam
Angriffe auf israelische Fans
Sie dachten, sie führen zum Fußball
+++ Nach dem Ende der Ampel +++
Habeck hat Bock
Habecks Bewerbungsvideo
Kanzler-Era
Trumps Wahlsieg und Minderheiten
So wie der Rest