Lübecks Airport-Pleite: Die Bruchlandung des Zitronenfalters
Wegen der Insolvenz des Flughafens gerät Bürgermeister Saxe in die Klemme. Die klamme Stadt bleibt wohl auf 300.000 Euro Schulden sitzen.
HAMBURG taz | Das war kein vergnüglicher Abend für Bernd Saxe. Auf einer Sondersitzung des Hauptausschusses der Lübecker Bürgerschaft musste der SPD-Bürgermeister sich am Dienstag bohrenden Fragen zur Insolvenz des örtlichen Flughafens stellen. CDU und Linke, aber auch der grüne Bündnispartner der SPD kritisierten die Informationspolitik. „Wer glaubt, dass Bürgermeister Saxe als Verwaltungschef die Verwaltung führt“, sagte CDU-Fraktionschef Andreas Zander, „glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten.“
Saxe beteuerte, er habe erst am 18. Februar erfahren, dass die Flughafenbetreibergesellschaft Yasmina seit Oktober 2013 keine Pachtzahlungen mehr geleistet hat. Die ausstehende Summe beläuft sich auf rund 198.000 Euro, für Strom, Wasser und Müll steht Yasmina mit weiteren 98.000 Euro bei den Stadtwerken in der Kreide.
Ob diese Schulden jemals beglichen werden ist offen. Saxe will damit nichts zu tun gehabt haben: „Die Hansestadt Lübeck betreibt pro Jahr etwa 10.000 Mahnverfahren“, sagt er, „die allerwenigsten davon laufen über meinen Schreibtisch.“
Widersprüchlich ist jedoch, dass die Stadt im Dezember entschieden habe, „keinen zusätzlichen Druck“ auf den Investor Mohamad Rady Amar auszuüben. Der hatte zum 31. Dezember ein Rückgaberecht für den Flughafen. Unbeantwortet blieb am Dienstag nun, wer das entschieden hat – zu einem Zeitpunkt, da Saxe noch gar nichts von den Außenständen gewusst haben will.
Blankensee ist der größte Verkehrsflughafen in Schleswig-Holstein.
2005 verkaufte die Stadt Lübeck die Airport-Mehrheit an den neuseeländischen Investor Infratil, der hohe Investitionen versprach - und 2009 wieder ausstieg.
2010 wurde der Beschluss des Stadtrats, den Flughafen zu schließen, in einem Bürgerbegehren überstimmt.
Zum 1. Januar 2013 kaufte der ägyptische Investor Rady Amar den Flughafen für einen Euro. Auch er versprach hohe Investitionen.
Antje Jansen, Vorsitzende der Linksfraktion ist überzeugt, dass Saxe weder die Verwaltung im Griff hat noch den als „Chefsache“ geltenden Flughafen: „Als Bürgermeister hat er versagt.“ Saxe erscheine „in keinem guten Licht“, sagt auch Michelle Akyurt (Grüne).
Bei einer Einstellung des Flugbetriebs drohe, dass die hochverschuldete Stadt 4,7 Millionen Euro Fördermittel an das Land Schleswig-Holstein zurückzahlen müsse. Eine solche Rückforderung müsse Saxe „unverzüglich abwenden“, sagt Akyurt.
Mitte April war überraschend bekannt geworden, dass der bisherige Eigentümer, der Deutsch-Ägypter Mohamad Rady Amar, seine Anteile an der Yasmina, die den Flughafen seit Anfang 2013 betreibt, und deren Muttergesellschaft 3-Y an den Berliner Geschäftsmann Adam Wagner verkauft hat. Beide sind zurzeit nicht erreichbar. Die Lübecker Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf Insolvenzverschleppung.
Amar hatte den defizitären Flughafen für einen Euro von der Stadt gekauft und angekündigt, bis zu 20 Millionen Euro zu investieren. Zudem wollte er im angrenzenden Gewerbegebiet für einen zweistelligen Millionenbetrag eine Glasfaserfabrik errichten und 130 Arbeitsplätze schaffen. Daraus wurde bislang nichts, Amars Aufenthaltsort ist nicht bekannt.
Zum Not-Geschäftsführer des Airports hat das Amtsgericht Lübeck vorige Woche den ehemaligen Flughafen-Manager Siegmar Weegen bestellt, dazu den Hamburger Rechtsanwalt Klaus Pannen als Insolvenzverwalter. Er wolle sich rasch einen ersten Überblick über die Situation verschaffen. Die Gehälter der rund 100 Beschäftigten seien gesichert – „zumindest für April, Mai und Juni“.
Fragen zur finanziellen Situation des Flughafens beantworteten Pannen und Weegen vor dem Hauptausschuss nun unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Bekannt wurde jedoch, dass ein unterschriftsreifer Drei-Jahres-Vertrag mit Wizz Air vorliege.
Die ungarische Billigfluglinie, die seit 2006 von Lübeck aus Danzig und Kiew anfliegt, wolle zudem zwei weitere Verbindungen aufnehmen. Es gebe Verhandlungen mit zwei weiteren Fluggesellschaften, zudem sollen zwei mögliche Investoren Interesse angemeldet haben.
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