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Hungerstreik der FlüchtlingeAn einer Antwort fehlt es

Für die Flüchtlinge vom Alexanderplatz findet eine Solidaritätskundgebung vor dem Bundesinnenministerium statt - aber der Hausherr reagiert nicht.

Den dritten Tag im Durststreik: Flüchtling auf dem Alex Bild: dpa

Am gestrigen Freitag lief die Frist ab, die die durststreikenden Flüchtlinge vom Alexanderplatz dem Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in einem offenen Brief gesetzt hatten. Deshalb riefen die UnterstützerInnen der 14 afrikanischen Flüchtlinge zu einer Kundgebung vor dem Bundesinnenministerium (BMI) in Moabit auf. In dem Brief hatten die Flüchtlinge, die sich selbst „Asylum Rights Evolution (ARE)“ nennen, gefordert, ihre Asylgesuche innerhalb von zwei Tagen zu prüfen und dass ihnen allen eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt wird.

Etwa 50 Menschen versammelten sich am Freitagnachmittag vor dem BMI, um ihre Solidarität mit den Flüchtlingen auszudrücken. „Kein Vertreter einer Behörde hat sich bis jetzt bei uns blicken lassen“, sagte eine Sprecherin der Unterstützerstruktur von ARE im Namen der Flüchtlinge. „Wir bleiben weiter im trockenen Hungerstreik, bis es zu Verhandlungen mit den zuständigen Behörden kommt.“

Flüchtlingen fehlt Kraft

Von den 14 Flüchtlingen selbst war keiner bei der Kundgebung anwesend. Ihnen fehle die Kraft, sagte die Sprecherin. Die Flüchtlinge hatten am Samstag vor einer Woche mit dem Hungerstreik begonnen, seit Mittwoch verweigern sie auch das Trinken. Die auf dem Alexanderplatz gebliebenen Flüchtlinge seien inzwischen „sehr geschwächt“ und „von Krämpfen geplagt“, so die Sprecherin weiter. Das medizinische Personal, das mittlerweile regelmäßig vor Ort sei, halte bleibende Nierenschäden bei allen Beteiligten für wahrscheinlich.

Sie selbst, sagte die Sprecherin der UnterstützerInnen zu den Teilnehmern der Kundgebung, seien heute hier, um zu zeigen, dass es Leute in diesem Land gibt, die nicht einfach nur die politischen Entscheidungen abnicken. Es folgte der Aufruf, sich zu organisieren und offen mit den Flüchtlingen zu solidarisieren. „Feuer und Flamme den aktuellen Zuständen“ in der Asylpolitik, forderte sie unter donnerndem Applaus der Anwesenden.

Eine offizielle Antwort auf den Brief der Flüchtlinge war am Freitag auch auf Anfrage der taz nicht zu bekommen. Die einzige Politikerin, die dem Aufruf der UnterstützerInnen zur Versammlung gefolgt war, war die grüne Abgeordnete Canan Bayram. Sie bedauerte, dass der Innenminister noch nicht in den Dialog mit den Flüchtlingen getreten ist.

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13 Kommentare

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  • Eine Prüfung innerhalb von 2 Tagen ist unmöglich und - wenn das Ergebnis "Aufenthaltsgenehmigung" schon vorher feststehen soll - auch unsinnig.

    Als Anwältin mit Arbeitserfahrung in verschiedenen Bundesministerien weiß Frau Bayram dies mit Sicherheit auch ganz genau. Warum gibt sie ihr Wissen nicht an die Flüchtlinge weiter?

    Wenn etwas Unmögliches und Unsinniges unbedingt durchgesetzt werden soll, geht es gar nicht um die Sache selbst, sondern um das Demonstrieren von Macht, in diesem Falle um die Erpressung des Staates.

    Warum sollte der Innenminister darauf eingehen?

    • @Jan Engelstädter:

      och.... bei lichte besehen, könnte jeglicher BMI binnen fünf minuten beschließen, das resettlement-kontingent mit den berliner wie hamburger flüchtlingen 'aufzufüllen'. und vermutlich wären mit dieser entscheidung immer noch nicht alle UNHCR zugesagten resettlement-plätze vergeben.

      falls er diese plätze aber weiter freihalten wollte, könnte er einfach ein berlin- wie auch HH-landes-resettlement-projekt absegnen.

      wer also demonstriert hier macht?!

      • @christine rölke-sommer:

        Warum sollte der Innenminister dieses tun und Plätze für UNHCR-Flüchtlinge an die Kunden von Schlepperbanden vergeben, die darüberhinaus noch irgendwo anders (wo?) ein Asylverfahren zu laufen haben bzw. hatten und von denen zumindest der durchaus interessierten Öffentlichkeit nicht bekannt ist, ob und ggfs. weswegen sie überhaupt verfolgt wurden.

        Das wäre wider den Sinn und Wortlaut der entspr. Konvention. Voraussetzung für das Verfahren ist - soweit ich informiert bin - daß die Personen vom UNHCR

        a) als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention anerkannt und

        b) als besonders schutzbedürftig eingestuft

        wurden.

        Beide Tatbestände wurden bisher nicht kommuniziert - oder habe ich etwas überlesen?

        • @Jan Engelstädter:

          wie wäre es mit: aus politischer klugheit? um ein zeichen zu setzen gegen den müll des ressentiments, der auch aus Ihren zeilen spricht?

          • @christine rölke-sommer:

            Wenn Sie rechtsbrechendes und sinnloses Handeln eines Innenministers für politisch klug halten - gilt das dann in jedem Falle oder nur, wenn es Ihnen persönlich in den Kram paßt?

            Im ersten Falle könnten wir uns eine ganze Menge an Gesetzen samt entspr. Auslegungsapparat (u.a. Gerichte) sparen, denn was interessiert dann noch die Rechtslage, wenn es aus der Bevölkerung _auch_ die Meinung gibt, der Innenminister habe politisch klug gehandelt?

            Im anderen Falle fordern Sie reine Klientelpolitik und sollten sich dann also mal bei der FDP erkundigen, wie so etwas geht und ob die nicht noch Mitglieder gebrauchen könnten...

            • @Jan Engelstädter:

              wenn Sie - und der werte D.J. - mal ins gesetz gucken täten, dann täten Sie lesen, dass der BMI (und nicht nur der) genau dieses tun kann und darf: sich über etwas hinwegsetzen, was Sie für ein gesetz halten - das es so, wie es gern geglaubt wird, nicht gibt.

              was es gibt, das ist die flüchtlingsdefinition aus GFK und jede menge rechtsprechung, die alles andere als einheitlich ist.

              im übrigen ist jeder flüchtling of all three+x sexes besonders schutzbedürftig. allein schon deshalb, weil er-sie-es den schutz des herkunftsstaates nicht (mehr) in anspruch nehmen kann oder aus gutem grund nicht will und ihr-ihm dies daher auch nicht zugemutet werden darf.

               

              worüber wir hier jetzt reden, das ist das, was gemeinhin nicht-justiziabler hoheitsakt genannt wird. deren gibt es mehr als sich der gemeine bürger träumen läßt.

              warum also nicht mal einen zugunsten von flüchtlingen?

              • @christine rölke-sommer:

                Die Anerkennung als "besonders schutzbedürftig" obliegt dem UNHCR und weder dem Bundesinnenminister noch Ihnen. Von Unmöglichkeit, den Schutz des Heimatlandes in Anspruch zu nehmen, kann man in Berlin nun wirklich nicht sprechen - auch dazu sind die jeweiligen Botschaften da. Ob es wirklich _gute_ Gründe gibt, diese Möglichkeit nicht in Anspruch zu nehmen, wissen wir beide nicht - vielleicht aber die Behörden in Sachsen-Anhalt. Wie ich heute in einer anderen Zeitung aus Berlin las, haben zumindest mehrere, wenn nicht alle Beteiligten nämlich dort ein Asylverfahren zu laufen. Also würde ich es für sinnvoll und rechtskonform halten, den Ausgang des Asylverfahrens durch entspr. Mitwirkung zu beschleunigen und - wenn denn die entspr. Prozesse gelaufen sind - das Ergebnis auch zu akzeptieren.

                • @Jan Engelstädter:

                  vielleicht gucken Sie einfach mal in art.1 GFK -> http://www.unhcr.de/fileadmin/user_upload/dokumente/03_profil_begriffe/genfer_fluechtlingskonvention/Genfer_Fluechtlingskonvention_und_New_Yorker_Protokoll.pdf

                  Sie werden dann leicht feststellen können, dass "besonders schutzbedürftig" so was wie ein weißer schimmel ist. oder auch das schlupfloch, das erlaubt, garniemanden aufzunehmen, weil der/die 'besonders schutzbedürftige leider leider noch nicht gefunden wurde.

                  und wenn Sie in § 23 aufenthaltsG gucken, dann werden Sie finden, dass dieser zu genau dem ermächtigt, was Sie "sich über hinwegsetzen" nennen.

                  was die mitwirkung anbelangt: ich gehe davon aus, dass die leutz aus sachsen-anhalt mitgewirkt haben - und danach beispielsweise in Möhlau im wald rumsitzen durften. rumsitzen, weil der oberste dienstherr angewiesen hat, bevorzugt menschen aus süd-ost-europa als o.u. abzulehnen. da muß dann so ein afrikanerin schon mal ein, zwei schwangerschaften lang warten...

          • D
            D.J.
            @christine rölke-sommer:

            Was der Hinweis darauf, dass jemand, der/die als Kontingentflüchtling anerkannt wird, auch ein Flüchtling im Sinne des UNHCR sein sollte, mit Ressentiments zu un haben soll, bleibt dabei Ihr Geheimnis.

            Im Übrigen sehe ich einen weitgehenden Konsens in der Gesellschaft, dass Bürgerkriegsflüchtlinge in angemessener Zahl aufgenommen werden sollen (ich erinnere an die große Leistung Deutschlands und seiner Nachbarn bei der Aufnahme vieler Jugoslawienflüchtlinge in den 90ern). Keinen Konsens gibt es für "wer am lautesten ist, bekommt seine Anerkennung einfach so, egal woher kommend".

    • D
      D.J.
      @Jan Engelstädter:

      Das ist natürlich den "Unterstützer" sehr wohl klar, aber wissen dies die von diesen ideologisch gebrauchten Asylbewerber? Wären diese Unerstützer verantwortungsvoll, würden sie Asylbewerbern hinsichtlich realistischer Ziele zur Seite stehen. Dass Extremforderungen wie "Bleiberecht für alle" ohne jede Prüfung (also faktisch "No Border") nicht zu einem Solidarisierungseffekt führt, wissen diese Leute natürlich auch, ist ihnen aber völlig wurscht. Man sieht sich nun mal als Elite.