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Kunstaktion für syrische Flüchtlingskinder„Und die Familien?“

Es ist gut, dass wieder über Syrien gesprochen wird, sagt Baschar al-Tammawi. Doch die Aktion des Zentrums für Politische Schönheit sei schwer auszuhalten.

Kinder in Deir al-Zor, die die zweite Rebellenstadt nach Homs sein soll, die fällt. Bild: reuters
Ines Kappert
Interview von Ines Kappert

taz: Herr al-Tammawi, was war Ihr erster Gedanke, als Sie von der Aktion des Zentrums für politische Schönheit hörten?

Baschar al-Tammawi: Wer wählt die Kinder aus? Nach welchen Kriterien? Und dann: Was ist mit den Familien der Kinder? Keine syrische Familie wird ihre Kinder hergeben, was für eine absurde, grausame Idee! Kurz darauf habe ich verstanden, dass es sich um Satire handelt. Da war ich sehr erleichtert.

Wie finden Sie die Aktion?

Nun, das Positive ist, dass wieder über Syrien gesprochen wird. Alles, was Aufmerksamkeit bringt, ist gut. Andererseits finde ich die Aktion auch schwer auszuhalten.

Warum das?

Weil es mir scheint, als ob jetzt in Deutschland vor allem über das Zentrum für politische Schönheit und über Sinn und Unsinn von Satire diskutiert wird – und nicht über den Völkermord, der in Syrien verübt wird, Tag für Tag. Deutschland hat eine Verantwortung, schon als Mitglied der EU. Und die EU tut noch immer so gut wie nichts für den Schutz der Zivilisten in Syrien. Das sollte im Zentrum der Diskussionen stehen.

Sie kommen aus Deir al-Zor, haben dort lange im Feldkrankenhaus der Rebellen als einziger operierender Arzt gearbeitet. Wie ist die Situation dort?

Sehr schlecht. Ich telefoniere fast täglich mit Kollegen, und wir müssen davon ausgehen, dass das Regime sich auf eine Großoffensive gegen meine Stadt vorbereitet. Deir al-Zor ist strategisch wichtig, denn es gibt dort Öl, Gas und außerdem werden Getreide und Baumwolle angebaut. Nach Homs soll es die zweite Rebellen-Stadt sein, die fällt.

Im Interview: Baschar al-Tammawi

syrischer Urologe aus der Stadt Deir al-Zor, war 2012/2013 zeitweise der einzige operierende Arzt im Feldkrankenhaus „Al Nour“, 500 Meter von der Front entfernt. Dort führte er rund eintausend OPs durch. Er floh, als das Regime seine Familie bedrohte, und beantragte Asyl in Berlin.

Was macht Sie da so sicher?

Die Kämpfe nehmen massiv zu. Die Stadt ist ja geteilt: das Regime kämpft mit Radikalfundamentalisten von Isis und der Hisbollah gegen den Teil, der von Rebellen kontrolliert wird. Hier hat inzwischen die islamistische Al-Nusra-Front die Oberhand. Außerdem kursiert seit Neuestem ein Video mit einem neuen Kampflied, das den Sieg über Deir al-Zor ankündigt – genauso wie vor der Einnahme von Homs. Das ist absolut ernst zu nehmen.

Wie viele Zivilisten leben derzeit in Deir al-Zor?

Im vom Regime kontrollierten Teil etwa 200.000, in dem der Rebellen rund 10.000. Egal ob das Regime oder Al-Nusra gewinnen: Für sie ist beides eine Katastrophe, denn beide werden Massaker anrichten. Die Versorgungslage ist schon jetzt katastrophal. Die internationale Gemeinschaft weiß all das, die Ereignisse in Syrien werden nicht zuletzt von den USA via Satelliten genau verfolgt. Aber sie tun nichts, um den Zivilisten zu helfen. Wenn die Aktion der Zentrums für politische Schönheit dazu beiträgt, dass das in Deutschland verstanden wird, dann ist etwas erreicht worden.

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