Suche nach einem Atom-Endlager: Gespräche unter innigen Feinden
Nach langem Streit nimmt die Endlager-Kommission ihre Arbeit auf und debattiert Formalien. Wie oft tagen? Wie stark die Öffentlichkeit einbinden?
BERLIN taz | „Es gibt gemütlichere Aufgaben.“ Mit diesen Worten fasste Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) die Situation ganz gut zusammen, als er die Mitglieder der neuen Expertenkommission zur Vorbereitung der Endlagersuche bei ihrer ersten Sitzung begrüßte. Im Paul-Löbe-Haus neben dem Bundestag sitzen die 34 Mitglieder dicht gedrängt im Kreis. Politiker aller Parteien, Wissenschaftler, Atomlobbyisten, Umweltverbände: Viele von ihnen sind sich seit Jahren in inniger Feindschaft verbunden.
Das weiß auch die CDU-Politikerin Ursula Heinen-Esser, die das Gremium zusammen mit Naturfreunde- und SPD-Mann Michael Müller leitet. Die Mitglieder benötigen „ein gewisses Grundvertrauen“ und die Bereitschaft, „sich gegenseitig zuzuhören“. Wenn das gelinge, biete die Kommission eine „historische Chance“.
Dominiert wurde die erste Sitzung, die bis in den Donnerstagabend andauerte, allerdings von eher profanen Fragen: Wie oft und wo soll das Gremium tagen? Wie wird die konkrete Arbeit organisiert? Und in welchem Umfang wird die Öffentlichkeit eingebunden?
Letzteres sorgte schon bei der ersten Sitzung für Probleme. Die Einladung war sehr kurzfristig erfolgt, der kleine Raum bot nur wenigen Zuschauern Platz, und die ursprünglich angekündigte Liveübertragung im Internet fand auch nicht statt. Hier sagte Heinen-Esser Besserung zu. Ob aber auch die Sitzungen von möglicherweise eingerichten Arbeitsgruppen der Kommission öffentlich sein sollten, war allerdings umstritten. Der als Wissenschaftler in die Kommission entsandte ehemalige Atom-Manager Bruno Thomauske sprach sich ebenso dagegen aus wie RWE-Atomchef Gerd Jäger.
Fast einjährige Verzögerung
Keine Einigkeit gab es auch zur Frage, ob auch die Vertreter der gesellschaftlichen Gruppen – ebenso wie die Politiker – Stellvertreter benennen dürfen und wie die Abstimmungsmodalitäten laufen sollen. Über eine Geschäftsordnung soll das Gremium bei seiner nächsten Sitzung entscheiden.
Vorsitz: Ursula Heinen-Esser (CDU), Michael Müller (SPD/Naturfreunde)
Wissenschaftler: Detlef Appel (Geologe), Hartmut Gaßner (Jurist), Armin Grunwald (Physiker/Philosoph), Ulrich Kleemann (Geologe), Wolfram Kudla (Ingenieur), Michael Sailer (Chemiker), Hubert Steinkemper (Jurist), Bruno Thomauske (Physiker)
Gewerkschafter: Erhard Ott (Verdi), Edeltraud Glänzer (IG BCE)
Industrie: Ralf Güldner (Atomforum/Eon), Gerd Jäger (RWE)
Kirchen: Ralf Meister (EKD), Georg Milbradt (CDU/Kommissariat der Deutschen Bischöfe)
Umweltverbände: Klaus Brunsmeier (BUND), Jörg Sommer (Deutsche Umweltstiftung)
Bundestag: Andreas Jung, Steffen Kanitz, Florian Oßner, Eckhard Pols (CDU), Matthias Miersch, Ute Vogt (SPD), Hubertus Zdebel (Linke), Sylvia Kotting-Uhl (Grüne)
Bundesrat: Reiner Haseloff, Stanislaw Tillich (CDU), Marcel Huber (CSU), Garrelt Duin, Christian Pegel (SPD), Robert Habeck, Franz Untersteller, Stefan Wenzel (Grüne) (mkr)
Auch über die Reihenfolge der Arbeit gab es noch keine Einigung. Die Kommission soll innerhalb von zwei Jahren das Endlagergesetz evaluieren, Kriterien für mögliche Endlager entwickeln und die Beteiligung der Öffentlichkeit beim Prozess sicherstellen. Sie begann ihre Arbeit mit fast einjähriger Verzögerung – zum einen weil die Parteien sich zunächst nicht über den Vorsitz einigen konnten, zum anderen weil die Umweltverbände eine Mitwirkung lange verweigerten. Dass ihre beiden Plätze schließlich doch besetzt wurden – durch den BUND und die Deutsche Umweltstiftung –, sorgte bei anderen Initiativen für Ärger.
Jörg Sommer von der Umweltstiftung begründete seine Teilnahme im Vorfeld mit „vertrauensbildenden Maßnahmen“ der Politik. Jochen Stay von der Initiative „Ausgestrahlt“, der die Sitzung von der Zuschauertribüne verfolgte, kritisierte erneut die Zusammensetzung des Gremiums, in dem Parteien und Wirtschaft ein klares Übergewicht hätten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!