Australien gegen Holland (Gruppe B): Favoritenstatus vorerst aberkannt
Nur mühevoll gewinnt die Niederlande gegen Australien mit 3:2. Die Socceroos haben damit nur noch geringe Chancen aufs Achtelfinale.
Die Startbedingungen: Nach dem furiosen 5:1-Auftaktsieg der Niederländer gegen den Weltmeister Spanien ist das Spiel gegen Australien eigentlich nur ein Pflichtprogramm. Der Sieg und Einzug ins Achtelfinale gilt als eine reine Formsache. Die Australier haben im ersten Gruppenspiel gegen Chile eine beherzte Leistung gezeigt und dem geheimen Geheimfavoriten fast einen Punkt abringen können. Aller Voraussicht nach werden sie tief stehen und sich auf das Konterspiel konzentrieren.
Das Spiel: Die Anfangsphase ist geprägt von Fehlpässen und Missverständnissen. Das Spiel findet überwiegend zwischen den Strafräumen statt – mit überraschend viel Ballbesitz für Australien. Das Problem: Sie wissen zu oft nicht, was sie mit dem Spiegerät anfangen sollen. Oranje agiert viel zu behäbig, zu unkonzentriert, zu lustlos. In der 20. Minute macht sich Robben plötzlich auf die Reise, und ist von der australischen Defensive nicht zu halten. Nach einem 50-Meter-Sprint aus der eigenen Spielhälfte netzt der Münchner zum 1:0 ein.
Keine 60 Sekunden später – nach einem Flugball hinter die holländische Abwehrreihe – hämmert Australiens Rekordtorschütze Tim Cahill den Ball unter die Latte – Ausgleich. Wie schon gegen Chile zeigen sich die Australier unbeeindruckt von einem Rückstand. Sie gestalten das Spiel. Bresciano und Spiranovic lassen beste Einschusschancen liegen. Es ist ein unerwartetes Bild in der ersten Halbzeit: Die Niederländer stehen tief und überlassen den Australiern das Spiel. Sie kommen zeitweise kaum über die Mittellinie.
Die Elftal kommt agiler aus der Halbzeitpause, wird aber in der 54. Minute eiskalt erwischt. Ein durchaus streitbarer Handelfmeter verhilft dem Underdog zur 2:1-Führung. Mile Jedinak verwandelt sicher vom Punkt. Doch diesmal gelingt den Niederländern die schnelle Antwort. Nur drei Minuten später steht der bis dahin unsichtbare Robin van Persie frei vor Mathew Ryan und gleicht zum 2:2 aus.
Es ist einer der wenigen Momente, in denen die australische Viererkette nicht gut aussieht. Dann läuft es ganz bitter für die Australier: Vorne kann erst Matthew Leckie eine Großchance nicht verwerten und im direkten Gegenzug profitiert Memphis Depay von einem Patzer des australischen Torhüters. Sein haltbarer Distanzschuss findet in der 69. Minute den Weg zum 3:2 ins Tor. Den Australiern merkt man nach dem erneuten Rückstand deutlich an, dass sie am Limit gespielt haben, ihnen geht zum Ende die Puste aus. Die Niederländer haben in den letzten zwanzig Minuten mehr vom Spiel, ohne wirklich überzeugen zu können.
Der Moment des Spiels: Zwei Mathews teilen sich diesen für Australien ärgerlichen Moment. Erst trifft der eine Mathew (Leckie) das Tor nicht und der andere Mathew (Ryan) macht den Fehler zum 3:2. Ein Patzer, von dem sich die Australier nicht mehr erholen konnten.
Der Spieler des Spiels: Tim Cahill, der mit seinem sehenswerten Treffer zum 1:1-Ausgleich die Australier von der Sensation träumen läßt und mit seinem Ehrgeiz immer wieder für positive Akzente gesorgt hat.
Die Pfeife des Spiels: Wesley Sneijder. Der Mittelfeldmann von Galatasaray Istanbul hat zu keinem Zeitpunkt ins Spiel gefunden. Mit einer erschreckend schwachen Zweikampfquote, wenig Ideen und viel zu vielen Fehlpässen zeigt er eine desolate Leistung.
Die Schlussfolgerung: Die Niederländer sind nach der Partie gegen Spanien zum Titelfavoriten erhoben worden. Nach dieser Leistung muss man sie von dieser Last erst einmal befreien. Sie haben zwar nach dem Rückstand etwas an Fahrt aufgenommen und siegten letztlich verdient, aber konnten nur selten überzeugen. Letztlich war es ein Pflichtsieg gegen starke Australier, für die die WM so gut wie beendet ist. Mit mutigem Offensivfußball und einer überragenden Mannschaftsleistung hat man dem Favoriten Niederlande alles abverlangt.
Und sonst? Tim Cahill und Robin van Persie sehen jeweils ihre zweite gelbe Karte und fehlen ihrer Mannschaft damit im letzten Vorrundenspiel gegen Spanien, bzw. Chile.
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