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Fußball und Politik im IranBedrohung Fußball

Finanzen, Frauen und die Theokratie – in kaum einem Land ist Fußball so kompliziert wie im Iran. Öffentlich gezeigt werden dürfen die WM-Spiele nicht.

Gegen das Sittenbild: Eine junge Iranerin jubelt ausgelassen und ohne Verschleierung. Bild: ap

BERLIN taz | Am Samstagabend trifft die iranische Fußball-Nationalmannschaft in Belo Horizonte auf die Auswahl Argentiniens. Während im südamerikanischen Staat Tausende das Spiel auf öffentlichen Plätzen verfolgen werden, ist das in Irans Hauptstadt Teheran komplizierter. Zwar überträgt das staatliche Fernsehen alle WM-Spiele live, Restaurants und Cafés aber soll, laut einem Bericht der farsisprachigen Afkar News, das Zeigen der Spiele von den Behörden verboten worden sein. Demnach seien die Gastronomen dazu verpflichtet worden, bei einem Match das TV-Gerät entweder auszuschalten oder auf einen anderen Kanal auszuweichen.

Hintergrund für diese von der Polizei durchgesetzte Regulation könnte die Befürchtung sein, dass durch das Fußballschauen eine erneute Protestbewegung entstehen könnte. Denn Fußball und Politik sind im Iran seit Jahren verwoben. Fußball ist im Iran unglaublich populär, nahezu alle Clubs der nationalen Liga gehören dem Staat, viele Funktionärsposten sind mit Revolutionsgardisten besetzt.

Der frühere Präsident Mahmut Ahmadinedschad versuchte das stets auszunutzen, zeigte sich häufig mit den Spielern und gab Ratschläge. Als er allerdings 2006 versuchte, Frauen den Zugang ins Stadion zu erlauben – wenn auch in einem gesonderten Block –, wurde er vom Obersten Religionswächter zurückgepfiffen. Und als er im gleichen Jahr eigenhändig den Präsidenten des iranischen Fußballverbands (IFF) gegen einen loyalen Gefolgsmann austauschte, suspendierte die Fifa Iran kurzfristig von allen Fifa-Aktivitäten wegen zu großer Einmischung der Politik. Nach wenigen Monaten musste Ahmadinedschad einen Rückzieher machen.

Den schlimmsten Moment aber erlebte Irans Regierung 2009: Noch während in Teheran in der voreilig so betitelten „grünen Revolution“ Tausende auf den Straßen gegen einen mutmaßlichen Wahlbetrug bei Ahmadinedschads Wiederwahl protestierten, liefen bei einem WM-Qualifikationsspiel des Teams in Südkorea sechs der elf Startspieler mit grünen Armbinden auf – eine klare Unterstützung der Opposition.

Kein Gedenken

Eine Gedenkminute fordert die jüdische Gemeinschaft in Argentinien vor dem WM-Spiel gegen den Iran. Gedacht werden soll an das Bombenattentat von 1994 auf das jüdische Gemeindezentrum Amia in Buenos Aires. 85 Menschen kamen dort um, der Iran gilt als Drahtzieher des Anschlags, und der 2009 demonstrativ zum iranischen Verteidigungsminister ernannte General Ahmed Vahidi steht ganz oben auf der entsprechenden Fahndungsliste von Interpol. Die Fifa hat auf die Forderung, die auch vom Jüdischen Weltkongress unterstützt wird, das getan, was sie am besten kann: nicht reagiert.

Frauen setzen sich längst über Sittenbestimmungen hinweg

Seither sind die Befürchtungen größer und die Regierung vorsichtiger geworden. Der neue Präsident Hassan Rohani wünschte dem Team vor dem Spiel gegen Nigeria über Twitter viel Glück – und veröffentlichte anschließend ein Foto von sich selbst, wie er allein zu Hause das 0:0 vor dem Fernseher verfolgte.

Auch er dürfte gesehen haben, wie kurz vor dem Spiel im Stadion von Curitiba fußballbegeisterte Frauen mit iranischen Flaggen voller Freude das eigene Team anfeuerten. Was das Regime in Teheran nicht freuen dürfte, ist der Umstand, dass die Frauen ihre Partner in aller Öffentlichkeit leidenschaftlich küssten und in figurbetonter Kleidung jubelten.

Das passt nicht zu den Vorstellungen der Theokratie. Auf den Straßen Irans patrouillieren die Sittenwächter, die nur darauf bedacht sind, die religiösen Bestimmungen aufrechtzuerhalten. Für die Frauen bedeutet dies, sich gesittet zu verhalten, auf die Verschleierung zu achten und den Blick gegenüber fremden Männern zu senken.

Allerdings: Im Alltagsleben iranischer Städte lässt sich erkennen, dass die Frauen sich über die Bestimmungen des Regimes längst hinwegsetzen. In Teheraner Cafés sitzen beide Geschlechter zusammen, die Schleier werden zunehmend lockerer getragen, und von der emotionalen Zurückhaltung weichen immer mehr junge Frauen ab. Die Zeichen stehen gut, dass die Nationalelf eines Tages geschlechterübergreifend angefeuert werden kann.

Das Problem: Es fehlt das Geld

Beim anstehenden Spiel gegen WM-Favorit Argentinien sieht es dafür weniger erfreulich aus. Die Hoffnung lastet auf den ehemaligen Bundesligaspieler Ashkan Dejagah, der bei der Partie gegen Nigeria lediglich mit viel Rennen auf sich aufmerksam machte.

Der Einzug ins Achtelfinale bleibt aber ein großer Traum, von Frau und Mann gleichermaßen, der in Brasilien wohl nicht in Erfüllung gehen wird. Denn von einem Sieg Irans gehen die wenigsten Fans aus.

Das liegt nicht zuletzt an fehlenden Finanzen für den iranischen Fußball, und das wiederum ist zu einem guten Teil den Wirtschaftssanktionen der USA und Europas gegen den Iran geschuldet. Im Juli 2012 konnte die IFF eine Million Dollar Fördergelder der Asian Football Confederation wegen der Finanzsanktionen nicht entgegennehmen. Für ein 2013 geplantes Trainingscamp in Portugal, bei dem auch ein Testspiel gegen Ghana absolviert werden sollte, fehlte dem Team das Geld. Zwar wurden im Mai dieses Jahres noch einige Testspiele absolviert, doch Trainer wie Spieler sprachen von einer vollkommen unzureichenden Vorbereitung.

Und selbst für die Grundausstattung ist offenbar das Geld knapp: So sollen die Fußballer angewiesen worden sein, nach den Spielen auf den traditionellen Trikottausch zu verzichten – man hat nicht so viele Hemden dabei.

(Iran – Argentinien, Samstag, 18 Uhr, Belo Horizonte, ARD)

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1 Kommentar

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  • Na ja, wenigstens erlaubt der iranische Gottesstaat wenigstens das Fußballspiel. Bei der radikalen sunnitischen Konkurrenz der Wahhabiten und Salafisten und ihrer terroristischen Ableger von Al Qaida bis zu Boko Haram ist das ja auch schon Sünde, auch wenn man sich,was die Todesstrafe für Homosexuelle angeht ansonsten einig sind.

    Wie auch immer, aus den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen sunnitischen und schiitischen Gotteskriegern im Irak und in Syrien sollte sich der Westen besser heraushalten.