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Roll ModelHeidi Hetzer will die Welt umrunden

Die 77-jährige ehemalige Autohändlerin bricht am Sonntag zu einer zweijährigen Tour auf und verprasst dabei das Erbe ihrer Kinder.

Auch die Familie begleitet Heidi Hetzer: Mit Fotos am Armaturenbrett Bild: dpa

Als Heidi Hetzer am Ende der Pressekonferenz vor ihrem Auto steht, auf dem Kopf die lederne Rennkappe, und Richtung Fotografen ihr fast mädchenhaftes Lächeln schickt, da ist es keine Frage mehr, wer älter ist: Sie oder ihr Auto? Letzteres ist der Oldtimer, 84 Jahre alt, Hetzer hingegen mit ihren 77 Jahren der Best Ager, der besser nicht dastehen könnte. Zusammen werden sie am Sonntag aufbrechen, die Erde zu umrunden mit höchstens 90 Kilometern pro Stunde. In zwei Jahren will die Rallyefahrerin und einstige Opel-Händlerin wieder zurück sein.

Auch Hetzer lässt an diesem Donnerstag keinen Zweifel daran, wer älter ist: Der vermeintlich unverwüstliche und leicht zu reparierende US-amerikanische Hudson Great Eight mit acht Zylindern, den sie für 29.000 Euro erstanden hat, mache ihr Sorgen, der Motor laufe nicht richtig. Deswegen habe sie schon vor dem Start ihr Ersatzteillager, ein baugleiches zweites Modell, ausschlachten müssen. Aber eigentlich freue sie sich auf mögliche Pannen: Zum einen sei sie, die gelernte Automechanikerin, in der Lage zu improvisieren. Zum anderen hoffe sie auf spontane Unterstützung. Das sei ja auch das eigentliche Ziel des Abenteuers: „Ich will die Welt sehen und die Menschen kennenlernen“, sagt sie und strahlt. Und wo könne man das besser als bei einer gemeinsamen Autoreparatur?

„Traum aller Menschen“

Den Plan für die Tour – der „Traum aller Menschen“, wie sie sagt – hatte Heidi Hetzer schon länger, ihr Vorbild ist Clärenore Stinnes, eine deutsche Rennfahrerin. Jene fuhr von 1927 bis 1929 um die Welt und heiratete bei ihrer Rückkehr – noch keine 30 Jahre alt – ihren Mitfahrer, den Fotografen Carl-Axel Söderström, den sie erst kurz vor der Abfahrt kennengelernt hatte.

Das schließt Heidi Hetzer aus, obwohl auch sie einen jungen, ihr bisher unbekannten Fotografen an ihrer Seite hat: Aus 150 Bewerbern hat Hetzer schließlich Jordane Schönfelder aus Kronberg bei Frankfurt/Main ausgewählt. „Das Schönste daran ist: Er will mir mein Lenkrad nicht wegnehmen.“ Das darf der 25-Jährige auch gar nicht, Schönfelder hat keinen Führerschein. Er soll sich um Organisation und Navigation kümmern. Hetzer präsentiert sich so nicht nur als Vorbild für ältere Menschen, sondern – wie schon immer – auch als Role Model für Frauen. In ihrem Fall träfe Roll Model noch besser.

Als Botschafterin Berlins wird sie sowohl Weltoffenheit als auch Piefigkeit vermitteln: Neben dem Kennzeichen B-HH 30 H prangt ein Aufkleber einer Brandenburger Würstchenfabrik, eines Sponsors der Reise. 300.000 Euro bringe sie aus ihrer Privatkasse auf, sagt Hetzer: Sie habe schon mit ihren Kindern geklärt, dass sie deren Erbe erst mal in alle Welt verteilen wird.

Die Tour durch 56 Länder soll sie über Osteuropa in den Iran führen, dann durch Russland nach China und Thailand. Anschließend geht es mit dem Schiff nach Australien und den USA, von dort bis nach Argentinien und schließlich über Namibia und Südafrika zurück auf dem Wasserweg nach Spanien. Am Sonntag um 11 Uhr geht es los, stilecht auf dem Ku’damm vorm Hotel Kempinski. Wer will, kann ihr dort Gute Reise wünschen.

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4 Kommentare

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  • Nun hetzt die Heide um den Globus, nicht im neuesten Hybrid Opel. Dessen Produktion wird gerade eingestellt . Das hätte ich ja noch verstanden, als Exportinitiative oder so.

    Wahrscheinlich denken alle, dass sie schon Jahrzehnte unterwegs sein muss. Irgendwie so um 1940 falsch abgebogen, (frei nach Woody Allen) in einer anderen Zeit unterwegs.

  • Da sieht man auch ein Bild von diesem Gefährt:

     

    http://www.welt.de/vermischtes/article118892269/Mit-76-Jahren-im-Oldtimer-um-die-Welt.html

     

    Gute Reise, viel Glück und fahr mit Gott!

  • 7G
    738 (Profil gelöscht)

    Großes Kino, hoffentlich benutzt das geriatrische Verkehrshindernis nicht die deutschen Autobahnen.

    • @738 (Profil gelöscht):

      Wieso denn nicht? Autobahnen dürfen von Fahrzeugen benutzt werden, die in der Lage sind, mindestens 60 km/h schnell zu fahren. Laut Info im Artikel schafft der Wagen das locker.

       

      Warum also so respektlos gegenüber Frau Hetzer? Lassen wir der Frau doch ihr wunderbares Projekt. Ein bisschen mehr Gelassenheit auf unseren Straßen (und in Internetforen) tut uns allen gut.