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Nachruf auf Lauren BacallDie Welt gehört der Frau

Zündete sie sich eine Zigarette an, schlug sie die Augen auf, war alles gesagt. Mit Lauren Bacall ist eine der größten Hollywood-Ikonen gestorben.

Lauren Bacall mit Ehemann Humphrey Bogart 1950 im New Yorker Stork Club. Bild: ap

Für die Generation, die das klassische Hollywood-Kino aus dem Fernsehen kennenlernen musste, war Lauren Bacall zunächst nur eine von vielen der sogenannten Hollywood-Legenden, jener Reihe von Gestalten, die es so in aktuellen Filmen nicht mehr gibt: Schauspieler, die sich beim ersten Sehen förmlich ins Gedächtnis brennen und deren Posen man auf Anhieb nachahmen möchte.

Im deutschen Fernsehen nämlich mangelte es an etwas ganz Entscheidendem: an Lauren Bacalls Stimme. Ihr unvergleichbar rauchiges, dunkeltöniges Organ allein ist ein Aufschrei gegen das Prinzip Synchronisation. Und für einmal ist es keine Übertreibung, wenn man feststellt, dass ein Film wie „To Have and Have Not“ zu etwas ganz anderem wird, wenn man ihn in der Originalfassung sieht.

Man muss es hören, das legendäre Zitat: „You know you don’t have to act with me, Steve. You don’t have to say anything, and you don’t have to do anything. Not a thing. Oh, maybe just whistle. You know how to whistle, don’t you, Steve? You just put your lips together and … blow.“

Das Understatement dabei, das Innuendo – es sind Szenen wie diese, die aus Kino- (oder eben auch Fensehzuschauern) Filmfans fürs Leben machen. Und das nicht etwa, weil sie etwas über das Leben erzählen, über die Condition humaine, wie es im Bezug auf die große Kunst immer so ehrfurchtsvoll heißt, sondern weil sie der Fantasie Nahrung geben, den Tagträumen.

Lauren Bacalls doch noch blutjunge Femme fatale in „To Have and Have Not“ besaß eine traumwandlerische Sicherheit, die sich Frauen allen Alters im realen Leben in langen Jahren kaum antrainieren könnten. Die stolze Aura, mit der sie sich durch den Film bewegte und dabei dem Rest des Ensembles, einschließlich Humphrey Bogarts, die Schau stahl, war Kino pur: Frauen, die solche Dinge sagten oder sich auf eine Weise Zigaretten anzündeten, die ganze Dialoge, ja ganze Akte ersetzte, das gab es eben nur im Film noir.

Betty Joan Perske

Zur Hollywood-Legende gehört dazu, dass die Lebensgeschichte in Anekdoten erzählt wird. Für die am 16. September 1924 als Tochter jüdischer Immigranten in New York City geborene Betty Joan Perske geht eine, die Karriere entscheidende so: Nach ein bisschen Schauspielunterricht und etwas Bühnenerfahrung begann die 17-Jährige zu modeln. Ihr Geld verdiente sie noch als Platzanweiserin, als die Frau von Howard Hawks sie auf dem Cover einer Harper’s Bazaar-Ausgabe entdeckte und ihren Mann darauf aufmerksam machte.

Bacall wurde nach Hollywood gerufen, wo sie einen Studiovertrag unterzeichnete und von Hawks persönlich zum Star geformt wurde. Es heißt, er habe ihr Pseudonym erfunden und ihr beigebracht, ihre von Natur schon tiefe Stimme noch weiter zu verdunkeln. Bacall war 19, als sie unter Hawks’ Regie in „To Have and Have Not“ spielte. Ist es nicht interessant, dass man heute kaum jemanden findet, der sich an die Handlung des Films erinnert, das oben genannte Zitat aber fast jeder kennt?

Es war ihr erster Film, er prägte ihr Leben weit unauslöschlicher, als sie es sich wohl selbst je vorstellen konnte und als es üblich ist mit Erstlingsfilmen. Zum einen war da die Erfindung ihrer Posen, mit der man sie für immer assoziieren würde. „The Look“ nannte man ihren Augenaufschlag, der den Zuschauer und ihre Gegenspieler gleichermaßen elektrisierte.

Entstanden ist er, auch das eine Anekdote, angeblich aus dem Gegenteil dessen, was er suggeriert: purer Unsicherheit. In einer Szene sollte Bogart ihr eine Streichhölzerschachtel zuwerfen, die sie nehmen sollte, um sich eine Zigarette anzuzünden. Ihr hätten so die Hände gezittert, dass sie versucht habe, es mit gesenktem Kopf, Kinn auf der Brust – und den Blick nach oben auf Bogart geheftet – zu kompensieren.

Hollywoods Traumpaar

Zum andern war da die Begegnung mit Bogart, dem 25 Jahre Älteren, den sie nach einem Jahr des sicher nicht schmerzlosen Hin und Hers – Bogart war noch mit seiner dritten Ehefrau, Mayo Methot verheiratet – ehelichte. Bis zu seinem Tod zwölf Jahre später, 1957 gaben sie eines der glücklichsten Paare in Hollywood, das in sehr klassischer Weise zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter, aufzog.

Das Auffälligste an ihnen in jener Zeit war ihr Engagement gegen das Komitee gegen antiamerikanische Umtriebe: Bacall und Bogart unterschrieben nicht nur eine Petition, sondern waren auch an einem Protestausflug mehrerer Hollywoodgrößen nach Washington beteiligt, bei dem sie für Meinungsfreiheit demonstrierten. Jahrzehnte später sagte sie in dann für sie typisch gewordener Uneitelkeit, dass sie nicht glaube, jemand anderem wirklich geholfen zu haben. Die Aktion habe vor allem ihnen selbst gedient, dem Gefühl, etwas getan zu haben und im sonst schnell eingeschüchterten Hollywood wenigstens ein bisschen Lärm verursacht zu haben.

Obwohl ihre Filmografie mit „The Big Sleep“, „Dark Passage“ und „Key Largo“ weitere legendäre Film noirs aufzählt und in den 50er Jahren großartige Werke wie „How to Marry a Millionaire“ oder „Written on the Wind“ dazukamen, stellte Bacall in ihrer Autobiografie fest, dass sie den Erfolg von „To Have and Have Not“ nie wieder erreicht hatte. Jedenfalls nicht im Kino. In den 60er Jahren feierte sie riesige Erfolge am Broadway, unter anderem in der Bühnenversion der „Kaktusblüte“. Auch wer Ingrid Bergman in der Filmversion mit Walter Matthau liebt, muss bedauern, dass es nicht eine zusätzliche mit ihr gibt.

Keine Rollen für 40- bis 50-Jährige

Fotos von ihr aus den 70er und 80er Jahren lassen ein anderes Bedauern groß werden: Bacall als 40- und 50-Jährige war eine tolle Gestalt, der man mehr und größere Kinorollen gegönnt hätte – wenn es sie für Frauen nur gegeben hätte. Manche nahmen ihr den Hochmut übel, mit dem sie die Stars der Gegenwart abkanzelte, aber ihre Kaltschnäuzigkeit hatte immer noch die Klasse ihrer taffen Girls aus den 40er und 50er Jahren.

In den 90ern erlebte sie ein Karriere-Revival: Trocken, mokant und schlagfertig gab sie als alte Frau in Filmen wie „Liebe hat zwei Gesichter“ einen Gegenentwurf zur mütterlichen Wärme. Zuletzt besetzten sie Lars von Trier („Dogville“) und Jonathan Glazer („Birth“) wie eine Geheimzutat. Am Dienstag ist Lauren Bacall im Alter von 89 Jahren in New York einem Schlaganfall erlegen.

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2 Kommentare

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  • Mit Schmunzeln gelesen;

     

    als einer dem To have or have not schon als Story(s) Papa Hems neben seinen Romanen vertraut wurde -

    wie auch - " stehst wie Frankie wiegend in den Knien"

    bei Dege - als Text -

     

    amüsiert mich die

    unverhohlen-affirmative Konnotierung bei Ihrer Schreibe doch ziemlich -

     

    kurz - emanzipiert kritisch -

    liest sich anders;

    (vielleicht bleibt's deswegen auch

    a weng - so what)

     

    anyway - was eine großartige

    Schauspielerin. Chapeau.

  • aha.