Genderkompetenz von Arbeitsvermittlern: Keine Zeit, kein Plan, kein Wissen
Kann die Arbeitsagentur etwas für die Gleichstellung tun? Könnte sie, sagen Forscher, die die Genderkompetenz von Arbeitsvermittlern untersucht haben.
BERLIN taz | Gerade hat es das Statistische Bundesamt wieder festgestellt: Mit der Gleichstellung ist es noch nicht so weit her in Deutschland. Frauen stellen nur ein Drittel der Führungskräfte und verdienen 22 Prozent weniger als Männer.
Aber da kann man was machen, meinen ExpertInnen. Zum Beispiel im Bereich Arbeitsmarkt. Viele Frauen streben nach wie vor in Berufe, die schlecht bezahlt sind. Wie kann man das ändern? Eine Institution, die etwas beitragen könnte, wäre die Bundesagentur für Arbeit (BA), die arbeitslose Frauen in Jobs vermittelt oder weiterbildet.
Was tut die Bundesagentur für die Gleichstellung? Das fragten kürzlich ForscherInnen, die vom Arbeitsministerium aufgefordert wurden, dies genauer zu untersuchen. Sie sprachen mit vielen ArbeitsvermittlerInnen, AgenturchefInnen und Beauftragten für Chancengleichheit, wie die ehemaligen Frauenbeauftragten in den Arbeitsagenturen heißen. Heraus kam ein ernüchterndes Bild.
Gleichstellung werde in der Behörde „nur sporadisch verfolgt“, heißt es im Bericht. Viele VermittlerInnen hätten kein systematisches Wissen über Gleichstellung und reduzierten sie auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen. Damit wird allerdings dann munter weiter in schlecht bezahlte Teilzeitstellen und in typische Frauenberufe vermittelt.
Als grundsätzlich problematisch stuften die Forscherinnen den sogenannten Vermittlungsvorrang ein. Der besagt, dass die schnelle Vermittlung immer und überall Vorrang hat. Wenn man eine Frau also in einen schlecht bezahlten Teilzeitjob vermitteln kann oder sie aber in einen nicht ganz so frauentypischen Zweig weiter qualifizieren könnte, dann muss die Vermittlungskraft den ersten Weg wählen. „Dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass die ’Schlecker-Frau‘ eben wieder in den schlecht bezahlten Einzelhandel vermittelt wird, auch wenn sie mal eine akademische Vorbildung hatte“, erklärt Studienleiter Marco Puxi.
Wenig Wissen um geschlechtsspezifische Berufswahl
Dazu kommt, dass VermittlerInnen in der Regel nicht genügend Zeit haben, die Biografien ihrer KlientInnen so genau anzusehen, dass man hätte erörtern könnte, in welches Berufsbild sich die Frauen noch entwickeln können. Auch war das Wissen um geschlechtsspezifische Berufswahl nur stellenweise ausgeprägt, im Alltag war es fast vollständig verloren gegangen. So wurden Teilzeitkräfte oft wieder in weitere Teilzeitstellen vermittelt, ohne mit ihnen die Risiken dieses Berufswegs und die Möglichkeiten einer Stellenaufstockung zu besprechen.
Susanne Koch, bei der Bundesagentur für Vermittlung und Beratung zuständig, teilt die Ziele des Berichts. „Sie müssen sehen, dass unsere VermittlerInnen natürlich auch ein Spiegelbild der Gesellschaft sind“, meint sie. Sie könnten nicht „gegen die gesellschaftliche Strömung“ vermitteln, schon gar nicht, wenn ihnen ein relativ abstraktes Konzept vorgestellt würde. Gerade werde aber ein neuer Reader zur „genderbewussten Beratung“ entwickelt. Darin werden die VermittlerInnen ermutigt, mit den Frauen auch über deren Rollenvorstellung zu sprechen: Reicht den KlientInnen „irgendein Job“, wie es viele Berufsrückkehrerinnen schon mit vorauseilender Vorsicht formulieren? Wie viele Stunden können sie arbeiten? Ist es möglich, einen Teil der Familienverantwortung abzugeben und mehr zu arbeiten?
Die VermittlerInnen stoßen aber nicht nur bei Rollenklischees an Grenzen. Ganz konkret sind auf dem Arbeitsmarkt schlicht viele schlecht bezahlte typische Frauenberufe frei: Erzieherinnen, Verkäuferinnen, meistens in Teilzeit. Daran kann auch die BA wenig ändern.
Leser*innenkommentare
Hauke Laging
Vielleicht bin ich bloß nicht auf dem Laufenden, aber wäre es nicht sehr viel sinnvoller, dieses Thema in der gebotenen Ausführlichkeit in der Schule abzuhandeln und nicht erst beim Jobcenter, "wenn es zu spät ist"?
Widerspenstiger
Das passiert doch schon. Nur die dummen Mädchen folgen nicht den Vorgaben der MädchenförderInnen und strömen weiterhin nicht in die MINT-Fächer.
Im Übrigen: Teilzeit zu arbeiten ist ein Privileg.
kurtc
@Widerspenstiger Oder die Mädchen haben einfach keinen Bock darauf, sich ihr Leben lang von Leuten wie ihnen erzählen zu lassen, dass sie das alles troz besserer Leistungen ja eigentlich aufgrund ihres Geschlechts viel schlechter können als ihre männlichen Kollegen und wählen mit einem "Frauenberuf" einfach nur den Weg des geringeren Widerstandes.
klarkopf
Kinder, Kinder!
Wie oft wollen Sie diese Mär von den 22% weniger eigentlich noch erzählen? Gliedern Sie das mal nach geleisteten Arbeitszeiten auf, dann wird ein Schuh draus.
kurtc
@klarkopf Genau durch diese "Aufgliederung" kommt der Wert von 22% doch erst zustande. Wenn man den Monats- und nicht den Stundenlohn nehmen würde wäre der Unterschied deutlich größer.
klarkopf
eben nicht. Hier wird völlig ausser acht gelassen, ob jemand Teilzeit oder Vollzeit arbeitet. Oder wollen Sie Teilzeitbeschäftigten nun den Lohn einer Vollzeit zahlen so einfach der Fairnis halber?
Den Job (gleiche Wochenarbeitszeit, gleiche Position) zeigen Sie mir mal, in dem eine Frau 22% weniger verdient als ein Mann.
kurtc
Der Unterschied von 22% bezieht sich (ich setzte jetzt einfach mal vorraus die Taz benutzt die Zahlen von Destatis) auf den Stundenlohn. Warum ein Mitarbeiter in Teilzeit pro Stunde weniger Verdienen sollte, als ein Vollzeitmitarbeiter ist mir auf die schnelle nicht ersichtlich.
Kontrolliert man Berufsposition, Wochenarbeitszeit und noch einiges mehr (Branche, Erfahrung, Qualifikation etc.) bleibt immer noch ein Unterschied von 7%.
Horsti
@kurtc Mich würde mal interessieren, wie da überhaupt die Daten erhoben werden? Wer, ausser mir und meinem Chef weiss denn wieviel Geld ich verdiene und welche Arbeit ich dafür genau mache? Niemand sonst.
kurtc
"Wer, ausser mir und meinem Chef weiss denn wieviel Geld ich verdiene und welche Arbeit ich dafür genau mache?"
Der Mikrozensus
Horsti
@kurtc Der Mikrozensus weiss mitnichten, ob z.B. (um mal ein plakatives Beispiel zu nennen), ob ein Bürokaufmann neue Aufträge aquiriert, während die Bürokauffrau mit 20% weniger Lohn zufrieden sein muss, weil sie nur die Telefonzentrale bedient.
kurtc
Nö, weiss nicht. Klar, wenn einem ein Regressionsmodell nicht gefällt, kann man natürlich immer irgendeinen unbeobachteten Zusammenhang dahinter vermuten.
Ich sehe aber, mal abgesehen davon, das es ihr Weltbild stützen mag, keine plausible Erklärung dafür, dass die Varianz der Anforderungen an formal geliche Stellen (die es ja sicher geben mag) unter Kontrolle von Qualifikation und Berufserfahrung mit dem Geschlecht zusammenhängen sollte.
klarkopf
@kurtc Eben, sehen Sie 7% sind nun mal nicht 22%. Und von wo kommen die her. Bei Arbeitnehmern mit geringem und mittleren Einkommen kann ich mir einfach nicht vorstellen, dass bei gleicher Position unterschiedliche Gehälter gezahlt werden (v.a. wenn diese Jobs per tarifvertrag bezahlt werden). Und bei höheren Einkommen werden die Gehälter in der Regel verhandelt. Da liegt es einfach an jedem selbst, wie viel er oder sie bei den Verhandlungen rausschlägt.
kurtc
Im Text stand aber nun mal nicht: "unter Kontrolle von Qualifikation, Erfahrung und in der Gehaltsverhandlung gezeigten Eiern verdienen Frauen 22% weniger." Sondern: "Frauen verdienen im Schnitt 22% weniger". Und das ist nunmal so.
Dass das vor allem an Branchenunterschieden liegt, wird dann im Folgenden ja recht ausführlich dargelegt.
Widerspenstiger
@kurtc Falsch, die oft genannten 23% beziehen sich auf den Durchschnitt aller Frauen- und Männergehälter. Frauen verdienen weniger, weil sie a) weniger arbeiten und zudem b) die weniger harten/gefährlicheren/anstrengender Jobs verrichten. Die gute Nachricht lautet also: Eine Frau, die arbeitet wie ein Mann verdient auch so. Die Frage ist nur, ob sie das will.
kurtc
Nur weil sie das bis zur besinnungslosigkeit wiederholen wird es nicht richtiger. Bei der Berechnung des Gender-pay-gap wird und wurde eigentlich schon immer der Stundelohn zugrunde gelegt.
Ganz aktuell können sie das hier nachlesen:
https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressekonferenzen/2014/Gleichstellung/begleitheft_Gleichstellung_2014.html
klarkopf
@kurtc ...weshalb Sie den "Gender-pay-gap" und die Berrechnung desselben getrost in die Tonne treten können. Er hat nichts mit der Realität zu tun. Ebenso könnte man fordern Spatzen in Zukunft mehr Nahrung zukommen zu lassen, da sie weniger fressen als ein Elefant.
klarkopf
Hier mal ein Auszug aus dem von Ihnen verlinkten Dokument hinsichtlich der 7%:
"Nach diesem Verfahren bleiben noch 7 % Verdienstunterschied zwischen Frauen und
Männern bestehen, die sich nicht anhand der berücksichtigten Merkmale erklären
lassen. Ein Maß für Diskriminierung von Frauen stellt der bereinigte Gender Pay Gap
allerdings nicht dar. So können einige Merkmale, die eine zusätzliche Erklärungskraft
in das Modell einbringen könnten, aufgrund fehlender Daten nicht berücksichtigt werden. Beispiele hierfür wären Erwerbsunterbrechungen zur Kindeserziehung oder das
individuelle Verhalten in Lohnverhandlungen"
Man könnte nun natürlich fordern, dass Frauen bei Gehaltsverhandlungen forscher auftreten oder dass sie aufhören Kinder zu bekommen bzw. am Tag nach der Geburt wieder auf Arbeit erscheinen.
Summa sumarum: Der Gender-pay-gap ist Augenwischerei und dient nur der selbst auferlegten Opferrolle einiger frustrierter Feministinnen.
kurtc
@klarkopf Wenn sie jetzt noch erklären könnten an welcher Stelle der Artikel (oder meinetwegen auch ich) etwas behauptet haben, dass im Widerspruch zum zitierten Abschnitt steht, würden ihre Ausführungen hier nur halb so hilflos wirken.
kurtc
@klarkopf Der Gender-pay-gap ist zunächts einmal ja nur ein volkswirtschaftlicher Indikator und keine Forderung nach irgend etwas. Welche Abwehrreaktionen es aber scheinbar schon hervorruft, es zu wagen das Einkommen von Männern und Frauen zu vergleichen lässt schon tief blicken.
klarkopf
Eben nicht, denn er ständig als Beleg dafür benutzt eine angebliche Diskriminierung der Frauen zu belegen.
Es ist mir ziemlich egal auf was oder wie tief sie blicken.