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Agrarpolitik und NaturschutzWir waren bisher nicht erfolgreich

Kommentar von Hermann Hötker

Wie am besten das Verschwinden der Arten in Äckern, Wiesen und Auen umkehren? Unser Gastkommentator stellt sieben Forderungen.

In der Agrarlandschaft fehlt oft „ökologische Infrastruktur“ wie Feldgehölze oder Blühstreifen. Bild: dpa

N ach der Intensivierung der Landwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die mit einem Verlust an Vielfalt in der Kulturlandschaft einherging, ist aktuell eine weitere Intensivierungswelle zu beobachten – bedingt durch die Zunahme des Anbaus von Energiepflanzen und die weltweit wachsende Lebensmittelnachfrage, was die Teilnahme an Umweltprogrammen zunehmend unattraktiv werden lässt.

Diese Entwicklungen tragen zusammen mit der Abschaffung der Flächenstilllegung, der Verengung von Fruchtfolgen sowie dem vermehrten Umbruch bzw. der Intensivierung von Dauergrünland dazu bei, dass eine erneute Verarmung der biologischen Vielfalt in unseren Agrarlandschaften festgestellt werden muss.

So nehmen von 20 typischen Brutvögeln landwirtschaftlicher Lebensräume in Deutschland die Bestände von 15 Arten ab, für keine Art sind Zunahmen zu beobachten. Seit etwa 1950 ist zudem die Fläche des artenreichen Feuchtgrünlands in den Flussauen Nordwestdeutschlands um 85 Prozent zurückgegangen.

privat
Hermann Hötker

studierte Biologie und Mathematik an der Universität Bielefeld, arbeitete von 1987 bis 2001 in verschiedenen Positionen an der Universität Kiel und leitet seither das Michael-Otto-Institut im NABU in Bergenhusen (Schleswig). Aufgabenschwerpunkte sind angewandte Forschung für den Naturschutz, überwiegend in den Bereichen Agrar und regenerative Energien.

Hochrechnungen zeigen zudem, dass die Populationen charakteristischer Pflanzenarten des feuchten und mäßig feuchten Grünlands in diesem Zeitraum um 95 bis 99 Prozent und die des Ackerlands in ähnlichem Ausmaß zurückgegangen sind. Dadurch sind von vielen kennzeichnenden Arten heute nur noch kleine Restbestände vorhanden.

Keiner Besserung in Sicht

In Anbetracht dieser Situation ist es offensichtlich, dass die bisher ergriffenen Naturschutzmaßnahmen nicht erfolgreich waren. Sowohl Umfang als auch Qualität der Aktivitäten sind nicht ausreichend, um die durch die Intensivierung der Landwirtschaft verursachten Verluste der Biodiversität im Agrarbereich zu stoppen. Für die nächste Zukunft ist zudem mit keiner Besserung zu rechnen, da das im Zuge der reformierten EU-Agrarpolitik eingeführte „Greening“ der Direktzahlungen aufgrund zahlreicher Verwässerungen keine Perspektive bietet.

Um zu verhindern, dass Fauna und Flora in großen Bereichen Deutschlands weiter rasch verarmen, werden dringend neue und innovative Schutzansätze benötigt. Diese müssen anspruchsvolle, gebietsspezifisch festgelegte Aktivitäten mit weniger differenzierten, überregionalen Maßnahmen kombinieren und begleitende Beratungsleistungen anbieten. Vor diesem Hintergrund erhebt der NABU folgende Mindestanforderungen an eine zukunftsfähige Agrarpolitik:

Der Stand des Grüns

Aufgrund alarmierender Meldungen zum Artenschwund auf Feldern und Wiesen hat die Michael Otto Stiftung für Umweltschutz im Juli 2014 eine Studie herausgegeben, die die Entwicklung der Biodiversität in der Agrarlandschaft untersucht, Schutzanstrengungen bewertet und nach neuen Lösungen sucht. Auch der

des Bundesamts für Naturschutz zeigte im Juli, dass vor allem die Flächen „mit besonders hohem Naturwert“ zurückgingen. In den vergangenen vier Jahren schrumpfte dieses Grünland um 82.000 Hektar, das entspricht der Fläche Berlins. Die neuen EU-Agrar-Richtlinien ab 2015 bringen nicht viel, da sie einen Verlust von 5 Prozent der Grünfläche erlauben. Offiziell erhalten über 5 Millionen Hektar Agrarfläche in Deutschland Umweltförderung, weit über 2 Milliarden Euro im Jahr. (rem)

1. Künftig sind von allen landwirtschaftlichen Betrieben 10 Prozent Vorrangflächen für die Biodiversität einzurichten. Die Vorrangflächen dienen dem Aufbau einer „ökologischen Infrastruktur“ in der Agrarlandschaft sowie zum Erhalt der bisher extensiv genutzten bzw. artenreichen Flächen. Hierzu gehören zum Beispiel Feldgehölze, Blühstreifen, Brachen, Altgrasstreifen oder Extensivgrünland.

2. Die europäischen Agrargelder sind komplett zugunsten der ländlichen Entwicklung umzuschichten. Als am zielführendsten erscheint eine Zusammenführung von erster Säule (direkte Zahlungen für Produkte und Flächen) und zweiter Säule (Entwicklung des ländlichen Raumes) in ein einziges Finanzierungsinstrument mit einer einheitlichen Kofinanzierung durch die EU-Mitgliedstaaten.

3. Die zweite Säule ist stärker auf konkrete gesellschaftliche Leistungen auszurichten, was die Kürzung oder Neuausrichtung einiger Fördertatbestände zur Folge hat. Demgegenüber sollten zielspezifische Agrarumweltmaßnahmen zur Erreichung der europäischen Ziele (Natura 2000, Wasserrahmenrichtlinie, Greening) von der EU prioritär gefördert werden, da sie die größten Zusatzeffekte bringen.

4. Die Agrarumweltmaßnahmen müssen so weiterentwickelt werden, dass sie auch im Sinne des biotischen Ressourcenschutzes zu effektiven Programmen werden (zum Beispiel Erhaltung artenreichen Grünlands, ergebnisorientierte Förderung, Aufwertung der Ackerflur, Betriebsentwicklungspläne).

5. Große Äcker mit einer Größe von mehr als 20 bis 25 ha sollten untergliedert werden, um Randflächen zu schaffen und die Strukturvielfalt zu erhöhen.

6. Ökologischer Landbau muss verstärkt gefördert werden. Dabei gilt es, naturschutzfachliche Ziele noch besser zu integrieren.

7. Ein konsequentes Umbruchverbot für Dauergrünland muss erlassen und Ackerland auf Moorstandorten sowie entlang von Gewässern sollte in Grünland umgewandelt werden.

Über das Gesetz hinaus

In Zukunft sollte ein eindeutiger ordnungsrechtlicher Rahmen mit einer gezielten Integration von Umweltbelangen in die Agrar- und Förderpolitik kombiniert werden. Dabei brauchen alle Fördermaßnahmen, egal ob Investitions- oder Flächenförderungen, eine gute gesellschaftliche Begründung, das heißt nachvollziehbare Kriterien und Leistungen.

Diese Leistungen müssen klar über die existierenden, gesetzlichen Standards hinausgehen. Davon profitieren nicht nur Feldlerchen oder bunte Blumenwiesen, sondern auch der Gewässer- und Klimaschutz und letztlich die Gesellschaft.

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1 Kommentar

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  • Seit einigen Jahren wohne ich in MV umgeben von landwirtschaftlichen Großbetrieben mit Feldgrößen von über 100 ha. Allerdings von der angedrohten Artenarmut kann ich hier weit und breit nichts sehen.

    Verglichen mit meiner alten Heimat im Hamburger Umland, die klein strukturiert und vielfach extensiv genutzt oder Öko bewirtschaftet wird, ist es hier in MV ausgesprochen artenreich.

    Da wäre wohl zuerst einmal Ursachenforschung gefragt.