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Werben um AbsolventenLehrling gesucht

Die Kammern sorgen sich, weil der Nachwuchs ausbleibt. Andererseits findet nur der kleinste Teil der SchulabgängerInnen gleich eine Lehrstelle.

Am Schraubstock wollen nur Wenige arbeiten: Handwerkskammer klagt über fehlenden Nachwuchs. Bild: dpa

Mit großen Ausbildungsmessen werben die Handwerks- und die Handelskammer in diesen Tagen um Nachwuchs. „4.000 Lehrstellen in 126 Ausbildungsberufen“ stellt die Handelskammer noch am heutigen Mittwoch auf der 19. Hanseatischen Lehrstellenbörse in Aussicht.

Bei der Handwerkskammer rückten sich schon Anfang der Woche 140 Unternehmen bei ihrer 20. Lehrstellenbörse in ein möglichst interessantes Licht. Dabei tut sich der weitaus größte Teil der Hamburger Jugendlichen immer noch schwer, im ersten Jahr nach der Schule einen Ausbildungsplatz in einem Betrieb zu finden.

Seit ein paar Jahren ermittelt der Senat, wo die Jugendlichen eigentlich bleiben, wenn sie die grundlegende Schulbildung hinter sich gebracht haben. Im vergangenen Jahr gingen gut 40 Prozent auf eine weiterführende Schule. Von den SchulabgängerInnen gingen wiederum nur knapp 40 Prozent in eine Berufsausbildung.

Ungefähr genauso viele erhielten laut dem Ausbildungsreport des Senats eine Ausbildungsvorbereitung in einer Produktionsschule, ein gutes Fünftel ging zur Bundeswehr, machte ein Freiwilliges Soziales Jahr oder ging ins Ausland.

Schule und Beruf

SchulabgängerInnen: 2013 haben knapp 8.000 junge HamburgerInnen die Sekundarstufe I absolviert. 53 Prozent besuchten eine weiterführende Schule. Von den Übrigen machten 38,7 Prozent im Jahr danach eine Berufsausbildung, 39 Prozent gingen in die Ausbildungsvorbereitung.

Lehrstellen: 2012/13 wurden 10.866 Lehrstellen gemeldet. Dem standen 8.446 BewerberInnen gegenüber.

Die Zahl der Ausbildungsverträge erreichte 1995 mit 11.850 ihren Tiefststand, 3.201 davon schloss das Handwerk ab. Die Summe der Verträge stieg bis 2013 auf 13.530. Nur 2.460 dieser jungen Leute heuerten beim Handwerk an.

Die beliebtesten Berufe - nach abgeschlossenen Verträgen -

waren Einzelhandelskaufmann/

-frau, VerkäuferIn und Kaufmann/-frau im Groß- und Außenhandel.

Die knapp 40 Prozent, die eine Ausbildung machten – sei es in einem Betrieb oder öffentlich finanziert –, rechnet sich der SPD-Senat als Erfolg an: Ein Jahr zuvor waren es nur 25 Prozent. Wie die Linksfraktion kritisiert, sind die beiden Zahlen allerdings schwer zu vergleichen: 2013 galt erstmals die zehnjährige Schulpflicht, die Betriebe hatten also weniger Auswahl.

Folgt man den öffentlichen Statements, müssten Jugendliche beste Chancen auf einen betrieblichen Ausbildungsplatz haben. Beim Masterplan Handwerk 2020, den Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) am Dienstag zusammen mit Vertretern der Handwerkskammer unterzeichneten, steht das Thema „Fachkräftegewinnung“ obenan: „Ziel ist es, in Kooperation mit Schulen und Eltern junge Leute für das Handwerk zu gewinnen“, sagte Scholz. Handwerkskammerpräsident Josef Katzer nannte den Fachkräftebedarf „eine große Herausforderung“.

Sieht man sich die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge an, scheint das Handwerk in den vergangenen Jahren gegenüber den Ausbildungen, die die Unternehmen im Bereich der Handelskammer anzubieten haben – Industrie, Dienstleistungen – den Kürzeren gezogen zu haben. Während die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Bereich der Handelskammer ab Mitte der 90er-Jahre wieder stieg, ist sie im Bereich der Handwerkskammer gesunken. Besonders misslich: Im vergangenen Jahr wurden wie schon im Jahr davor deutlich mehr Ausbildungsstellen angeboten, als es BewerberInnen gab.

Der Senat versucht dem zu begegnen, indem er das Potenzial an jungen Leuten ausschöpft – oder anders ausgedrückt: indem er zu verhindern sucht, dass Jugendliche bei dieser guten Angebotslage auf der Strecke bleiben. Sein Instrument sind die 2011 geschaffenen Jugendberufsagenturen: Darin arbeiten verschiedene staatliche Stellen zusammen, um einen lückenlosen Übergang von der Schule in den Beruf zu gewährleisten. Das erste Ziel hat er erreicht: Inzwischen ist bei allen SchulabgängerInnen erfasst, wo sie nach der Schule abgeblieben sind.

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