piwik no script img

Diskriminierung im TanzvereinLesben dürfen nicht mittanzen

Tanzclub in Bremerhaven lehnt lesbisches Paar für Discofox-Kurs ab. Die Grünen wollen deshalb die öffentliche Finanzierung des Vereins einstellen.

Zumindest dem Augenschein nach schön hetero: Die TänzerInnen des TSG Bremerhaven erkämpfen in der WM 2006 den dritten Platz. Bild: dpa

HAMBURG taz | Eins, zwei, Tap – und dabei nicht über die Füße stolpern. Wenn die anderen Kursteilnehmer im Tanzsport-Club Capitol in Bremerhaven Discofox üben, müssen Diana S. und Petra H. zu Hause bleiben. Das lesbische Paar sei von dem Verein mit der Begründung abgelehnt worden, dass sich der Kurs nur an Männer und Frauen richte, berichtet die Nordsee-Zeitung.

Damit, auch gleichgeschlechtliche Paare zu unterrichten, „wollen wir hier gar nicht erst anfangen“, habe der stellvertretende Vorsitzende Simon Brahm am Informationstresen zu Diana S. gesagt.

Für eine Anfrage der taz war der Verein telefonisch nicht zu erreichen. Auf seiner Internetseite bestreitet der TC Capitol die Vorwürfe jedoch. Das Paar sei bloß darauf hingewiesen worden, dass es nicht teilnehmen könne, da es derzeit keine „Equality“-Kurse für gleichgeschlechtliche Tänzer gebe.

„Genau so wie der TC Capitol zurzeit keinen Tanzkursus für Singles, Jugendpaare, Bauchtanz, Rollstuhltanz oder sonstiges im Veranstaltungsportfolio anbietet.“

Wo Tanzen noch was gilt

Deutschlandweit als old fashioned eher im Rückzug begriffen hat das Paartanzen im Land Bremen nicht zuletzt infolge der überragenden Rolle, die Bremens Tanzvereine bei Welt, Europa und Deutschen Meisterschaften spielen, gesellschaftliche Bedeutung.

Der Grün-Gold-Club Bremen aus dem Bremer Stadtteil Oberneuland ist derzeit Aushängeschild der bremischen, aber auch der deutschen Lateintanz-Szene: Am Wochenende holte dessen A-Team seinen zehnten Deutschen Meistertitel und den achten in Folge. Europameister wurde man 2007, 2008 und 2010, außerdem fünfmal Weltmeister seit 2006.

Die Tanzsportgemeinschaft Bremerhaven ist in der Summe noch erfolgreicher, trotz ihres aktuellen Niedergangs: 1971 gegründet, kommt sie auf 14 Welt und 10 Europameistertitel und entschied volle 20-mal die deutsche Meisterschaft für sich. Weltweit hat kein anderer Tanzsportverein mehr Titel errungen.

Die Möglichkeit, dass das Paar auch an einem klassischen Tanzkurs teilnehmen könnte, erwähnt der Verein nicht. Diskriminierend sei die Ablehnung trotzdem nicht, da sich der Tanzsport-Club lediglich an die „Durchführungsmodalitäten des bundesdeutschen Tanzverbandes“ halte. Dort werde zwischen „Equality“ und klassischen Tanzpaaren unterschieden, heißt es auf der Homepage.

„Für den Freizeit und Hobbybereich gibt es solche Vorgaben nicht“, stellt hingegen Heidi Estler vom Deutschen Tanzsportverband (DTV) richtig und hofft, der Verein habe nur „etwas durcheinandergebracht“.

Daran glaubt der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Frank Willmann nicht. Seine Fraktion zeigte sich entsetzt. „Selbst zu meiner Tanzschulzeit haben Frauen zusammen getanzt“, sagt Willmann.

Dass der Verein Frauen wegen ihrer sexuellen Orientierung vom Tanzkurs ausschließe, entspräche „einem Denken von vorgestern“. Der Vereinsvorstand müsse sich bei dem Paar entschuldigen, fordert Willmann. Jetzt prüfen die Grünen, ob Vereinen die öffentlichen Gelder entzogen werden können, wenn die sich nicht an die Grundwerte des inklusiven Zusammenlebens hielten. Der TC Capitol habe im Jahr 2013 für Übungsleiter und Projekte mehr als 7.000 Euro erhalten.

Die Bremer Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne), hat sich offiziell bei dem Verein beschwert. Dieser „massive Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz“ sei nicht akzeptabel.

Auch Benjamin Rottmann vom Lesben und Schwulenverband Niedersachsen-Bremen kritisiert die Ausgrenzung der lesbischen Frauen durch den Tanzverein scharf: „So etwas dusseliges habe ich lange nicht erlebt.“ Beim Paartanz sei es eigentlich ganz egal, wer führe.

Glücklicherweise handele es sich aber eher um einen Einzelfall. „An den meisten Tanzkursen können lesbische und schwule Paare ganz normal teilnehmen“, sagt Rottmann.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Nichts dagegen, wenn Frauen miteinander tanzen wollen, auch ein männliches Paar, warum nicht. Da sollte sich der Bremerhavener Club nicht so haben.

    Der Sarkasmus bei der Bildunterschrift ist jedoch nicht angebracht. Bei den meisten Tänzen, wenn man (frau) mehr als nur Grundschritt tanzen möchte, sind die Figuren nach Männer- und Frauenrolle unterschiedlich angelegt; mal mehr, mal weniger. Somit müßte sich auch ein gleichgeschlechtliches Paar einigen, wer von beiden welchen Part übernimmt. Sonst wird das nix. Man kann ja auch ein und dieselbe Figur zweimal nacheinander tanzen, und einmal übernimmt A den männlichen Part, und dann B. :-)

  • Doof wenn die Gesellschaft immer noch Geschlechterrollen (hier beim Tanzen) vermitteln will. Doof aber auch wenn es immer mehr ewig gestrige Feministinnen gibt, die die Teilnahme an Veranstaltungen vom Geschlecht abhängig machen wollen. Denn wenn es korrekt ist, Tanzkurse (oder andere Kurse) nur für Frauen anzubieten, ist es auch korrekt, Tanzkurse nur für gemischte Paare anzubieten.

    • @Velofisch:

      Genau! Denn die gemischten Paare sind dringend vor Diskriminierung zu schützen!

      Schade, der erste Satz war vernünftig. Danach Thema verfehlt...

      • @Alhago:

        @Alhago

        Das nennt man übrigens "konsequent" und ist eine ganz hervorragende Vorgehensweise. Ich fände nichts dabei, wenn es Tanzkurse für homosexuelle Paare gäbe - solange das optional bleibt und sie ebenso auch heterosexuellen Gruppen mitmachen können. Das wiederum führt schon per se das Konzept dann ad absurdum et voila alles erledigt sich von selbst und was bleibt sind dann Tanzkurse für Tanzinteressierte.

         

        Als ob es nix spannenderes gäbe als die sexuelle Neigung von Menschen...

        • @Concise:

          Und genau das ist das spannende, Cloncise. Hier geht es um sex und gender. Die beiden Frauen wollen ja nicht ficken auf der Tanzfläche. Die wollen nur als Paar ein bischen tanzen, also Gesellschaftsspiele spielen, die andere Paare auch spielen. Wahrscheinlich brauchen wir in Deutschland wieder ein tausendjähriges Reich, wo schön viel Männer an der Front verrecken, damit man sich nichts denkt dabei, wenn Frauen miteinander tanzen, mangels Masse. Aber wenn die Nato und der Ami endlich Gesicht zeigen und wie Männer reagieren im Ukrainekonflikt und es dem Putin so richtig besorgen, dann wird das schon.

          • @higonefive:

            Wenn zwei Frauen miteinander tanzen, so muß es ohnehin nicht daran liegen, daß sie lesbisch sind. Schon jetzt, in "Friedenszeiten", gibt es viele Frauen, die auf Partys und Festen miteinander tanzen, weil viele Männer solche Tanzmuffel sind. Ich verstehe auch nicht, warum, vielleicht sollte man mal eine Kampagne starten mit dem Hinweis, daß man auch tanzenderweise ein "echter Mann" sein kann? ;-)

            Na ja, und das mit dem Krieg wird ja wohl hoffentlich nicht eintreten!

  • Da haben wir's mal wieder! Wenn man nicht immerzu das Handy laufen lässt, kann man am Ende nicht einmal beweisen, dass einem jemand pampig kam - und wer! Vermutlich fordert jetzt DIE CDU, dass über jedem Tanzkurs-Tresen ein Dutzend Kameras zu hängen kommen – zum Schutz von Minderheiten selbstverständlich. DIE Grünen, schließlich, fordern auch, dass irgendwer am Geldhahn dreht. Wobei – wenn irgend so ein Stellvetreter-Hans von gestern ist, heißt das noch nicht, dass der gesamte Tanzverein bescheuert tickt. So was ist ja wohl "Sippenhaft", ihr lieben Grünen! Das gibt es sonst, liest man, nur in Tschetschenien, in Nordkorea, Russland oder im deutschen Nazistaat!

     

    Der nächste, den sie installieren da am Empfang vom Tanzsport-Club, wird sicherlich die Schnauze halten – oder gleich lügen, wie im Internet. Da habt ihr dann etwas gekonnt, wozu ihr gratulieren könnt. Natürlich euch, den beiden Mädels leider nicht.

    • @mowgli:

      Das Sprichwort "Der Fisch stinkt immer vom Kopf her" ist Ihnen und den Bremerhavenern doch sicher bekannt?

  • Vor 2 Jahren versuchten wir ein Frauenpaar eine Tanzschule zu finden. Erst die 5. Tanzschule nahm uns an! 2 wiesen uns mit dem Hinweis ab das Sie uns jeweils einen männlichen Tanzpartner stellen würden...

    Wir wollen doch einfach nur ZUSAMMEN tanzen!